Verhandlung und Urteil
Die Richterin hatte es geschafft, den bei der Festnahme hochaktiven Praktikanten in Uniform, der alles so genau dokumentiert hatte, ausfindig zu machen und als Zeuge einzubestellen. Der, mittlerweile Student des Bauingenieurwesen, gab von sich aus bereitwillig und umfassend Auskunft über die Festnahmesituation nach seiner Erinnerung. Er bezeichnete die Angeklagte als äußerst aggressiv und widerständig. Er behauptete, es hätte keinerlei Fixierung gegeben und die Angeklagte hätte die Herausgabe der Personaldokumente verweigert. Er sei froh, nicht mehr bei der Polizei zu sein, weil die Demosprüche eine Zumutung gewesen wären. Die Angeklagte hätte beleidigt und sich massiv gewehrt. Erinnern könne er sich nicht mehr genau an den Spruch, dokumentiert hätte er damals "Faschistenbulle" entgegen der "Faschistenschwuchtel" seines Gruppenleiters, aber auch letzteres könnte gewesen sein.
Als ihm der Film der Festnahme gezeigt wurde, musste er kleinlaut zugestehen, dass all seine Erinnerungen komplett falsch waren. Er selbst hatte die Handschellen angelegt, wo sich mensch fragt, wie dann auch noch ein Praktikant bei der Polizei Uniform tragen darf und Menschen aktiv die Freiheit nehmen kann und die Angeklagte während der ganzen fast einstündigen Prozedur, ohne Notwendigkeit massiv an die Wand drücken durfte, was seine professionellen Kollegen nicht taten. Er gestand zu, dass er sich den Kollegen gegenüber "zeigen wollte", erinnerte sich aller verschiedenen Details komplett falsch und fands dann selbst krass, dass sein Gedächtnis offensichtlich so fehl ging. Auch die Aggressivität der Angeklagten konnte er nicht mehr so feststellen, als er sah, in welch sexuell übergriffigem Druck die Frau bei der Personendurchsuchung kam. Und das unter dem alleinigen lügenhaften Ausgangs-Vorwurf der Beleidung, der keine Fixierung vorsieht und der im Verlauf der Verhandlung immer unwahrscheinlicher wurde.
Der ehemalige Praktikant wurde von Richterin und Anwältin deutlich gerügt, dass seine Aussagen, ggf. unter Eid, komplett falsch gewesen wären, obwohl er doch anfangs sehr von sich und seinem Bild überzeugt war.
Erstaunlicherweise liess selbst die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer den, die ganze Festnahmeszenerie auslösenden Faktor der Beleidung, als ausserordentlich unwahrscheinlich fallen und plädierte in diesem Punkt, sowie in den Vorwürfen der zwei angeblichen Widerstandshandlungen, genauso wie die Richterin, für Freispruch. Den in höchster Zumutung von der Angeklagten getätigten und gefilmten Ausspruch "ihr seid so Arschlöcher" blieb dann der Gerichtsbarkeit als alleinig zu verurteilender Tatbestand übrig und wurde mit 15 Tagessätzen à 15,- € bestraft, als offenbar letztes Zugeständnis gegenüber einer Exekutive mit einem Gruppenleiter der Polizei, der hier indirekt klar der Lüge bezichtigt wurde.
Die, vergleichsweise differenziert auftretende Richterin ging auf das abschliessende Statement der Beklagten ein und äusserte sich fast flehentlich, man müsse doch, bei all der gesellschaftlichen Schieflage, trotzdem am Rechtsstaat festhalten.
Das Abschluss-Statement der Beklagten, die also mit fast vollständigem Freispruch gehen konnte, ist im Folgenden dokumentiert: