Evakuiert Moria! Heraus zum revolutionären 1. Mai! Aufruf zu einer gemeinschaftlichen Aktivität am 1. Mai ab 18 Uhr in Berlin-Kreuzberg
Aufgrund der Corona-Pandemie werden wir in diesem Jahr zum 1. Mai nicht wie sonst zu einer Demonstration im klassischen Sinne aufrufen. Da wir angesichts der herrschenden rassistischen, kapitalistischen und patriarchalen Verhältnisse aber auch nicht passiv bleiben wollen, rufen wir zu einer Versammlung der besonderen Art auf. Der Beginn unserer Aktion ist kein zentraler Platz, sondern ein Gebiet. Dadurch können wir die Ansteckungsgefahr verringern und bleiben für den Repressionsapparat unkontrollierbarer. Das Gebiet liegt in Kreuzberg 36. Wir werden es am Vormittag des 1. Mai über Twitter (@rev1maiberlin) und die Website (1mai.blackblogs.org) sowie Indymedia bekannt machen.
Begebt euch am 1. Mai bis 18 Uhr nach Kreuzberg 36 in, an und um dieses Gebiet. Haltet dabei den Mindestabstand ein und vermummt euch mit Schals oder Masken. Und bleibt in Bewegung. Ab 18.20 Uhr werden wir über Twitter und die Website nacheinander mit zeitlichem Abstand Orte in Kreuzberg 36 bekanntgeben, zu denen wir uns dann über verschiedene Wege begeben werden. Informiert die anderen, die kein mobiles Internet haben. Wir wollen die Straßen mit unseren antirassistischen, antipatriarchalen und antikapitalistischen Inhalten fluten, die Zielorte, die wir jeweils mit einer Uhrzeit angeben, sind nur kurze Zwischenstopps. Auf unterschiedlichen Neben- und Seitenstraßen kommen wir dorthin, werden unsere Inhalte vermitteln und uns danach zerstreuen, um uns bald wieder woanders zu begegnen.
Der 1. Mai ist, was wir alle daraus machen. DIY! Überlegt euch, wie ihr auf diesen Wegen und all den Orten eure Botschaften auf Tüchern, mit Transparenten, lauten Parolen und Wurfzetteln verbreiten könnt oder mit Rauchtöpfen, Sprühereien und Farbbeuteln Akzente setzt. Wir werden dabei in die Breite gehen. Unsere Bewegungsfläche ist der ganze Kiez. Mit unserem Aktionskonzept wollen wir möglichst vielen Menschen ermöglichen, sich an den Protesten am 1. Mai zu beteiligen. Jede*r nach ihren eigenen Vorstellungen und Risikobereitschaft. Ob allein mit einem Plakat, gemeinsam mit Freund*innen und Genoss*innen, in kleinen Gruppen, mit Fahrrad oder zu Fuß oder auch von Hausdächern und Balkonen aus, ihr selbst bestimmt wie eure Aktionen aussehen. Wenn es Absperrungen durch die Polizei gibt, versuchen wir diese zu umgehen, zu umfließen oder darum herum zu wuseln. Seid dabei achtsam, vermeidet enge Zusammenkünfte und bleibt stets in Bewegung. Der 1. Mai ist keine Party, sondern ein Kampftag für eine befreite Gesellschaft. Um 20 Uhr sollen im ganzen Kiez Feuerwerke gezündet werden. Beteiligt euch dabei von euren Dächern, Balkonen und von den Straßen.
Seit der Corona-Krise unterdrücken die Repressionsbehörden unter dem Vorwand des Infektionsschutzes vielerorts politische Proteste. Auch wenn bei Aktionen auf Schutzmaßnahmen wie Abstand geachtet wird, werden Demonstrant*innen mit Repression überzogen, dabei gibt es vielfach erst mit dem Einschreiten der Polizei ein Ansteckungsrisiko, da sie weder Masken tragen noch Abstände einhalten. Wir nehmen die Schutzmaßnahmen ernst. Wir werden am 1. Mai verantwortungsvoll handeln. Und wir erwarten, dass die Polizei am 1.Mai-Wochenende auch Abstand hält. Wenn es dennoch am 1. Mai zu Festnahmen kommt, meldet euch beim Ermittlungsausschuss. Wie jedes Jahr gilt auch in diesem Jahr ganz besonders: Wir werden niemanden mit der Repression allein lassen. Gemeinsam mit EA und Roter Hilfe wird sich auch das Bündnis um Repressionsfälle kümmern und Solidarität organisieren.
Unser politischer Schwerpunkt am 1. Mai ist der Kampf gegen die Festung Europa. Mehr als 20 000 Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind, befinden sich im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos, welches für 3000 Personen ausgelegt war. Dort herrschen katastrophale Bedingungen, es gibt kaum Wasser, kaum medizinische Versorgung und Abstandsregeln können nicht eingehalten werden, wenn Menschen auf kleinstem Raum zusammenleben müssen. Ein Ausbruch des Coronavirus würde zu einem Massenstreben führen. Lediglich 47 Kinder hat die BRD bisher aufgenommen. Während für 250.000 deutsche Tourist*innen alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, ist dem deutschen Staat das Schicksal der Geflüchteten völlig egal. Menschen ertrinken im Mittelmeer, während die EU nicht nur tatenlos zuschaut, sondern mit der EU-Grenzagentur Frontex die Abschottung weiter vorantreibt. – Moria evakuieren! Fähren statt Frontex!
In der BRD müssen Geflüchtete auf engstem Raum in Sammellagern leben. Auch schon vor Corona war das Leben für Geflüchtete durch fehlende Privatsphäre, Angst und Isolation geprägt. In den Massenunterkünften sind sie jetzt zudem einem großen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Statt einer dezentralen Unterbringung werden Geflüchtete in der Corona-Krise noch weiter abgeschottet und Lager werden komplett unter Quarantäne gestellt. – Wohnungen statt Lager! Bleiberecht für alle!
Während Geflüchtete und Migrant*innen vom deutschen Staat verfolgt, eingesperrt und abgeschoben werden, bereitet die rechte Hetze von AfD, Werteunion und anderen den Boden für faschistische Anschläge wie in Hanau am 19. Februar. Anfang April wurde Arkan Hussein Khalaf in Celle von einem Deutschen ermordet, der sich im Internet mit rassistischen und antisemitischen Gedanken umgeben hat. Rassistische Drohungen, Diskriminierung und Gewalt gehören hierzulande zum Alltag von Migrant*innen und People of Color. Im Zuge der Ausgangsbeschränkungen wegen Corona verstärkt sich Racial Profiling, das heißt rassistische Kontrollen im öffentlichen Raum. – Alle zusammen gegen Rassismus und Faschismus!
Kriege und Waffenexporte gehen auch in der Krise unvermindert weiter. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat bereits angekündigt im Mai eine hohe Dividende an die Aktionär*innen auszuschütten. Trotz der Pandemie produzieren Konzerne weiter und gehen für Profite über Leichen. Amazon macht riesige Gewinne in der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten, die unzureichend vor dem Virus geschützt sind. Auf Proteste und Streiks reagierte der Konzern mit Entlassungen. Das Pflegepersonal in den Krankenhäusern arbeitete schon vor Corona am Limit, denn Krankenhäuser wurden kaputtgespart und nach der kapitalistischen Profitlogik ausgerichtet. Vor allem Frauen* leisten schlecht bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit im Bereich der Pflege von Alten und Kranken, der Kinderbetreuung, der Reinigung und Hausarbeit. Durch Corona werden bestehende patriarchale Verhältnisse noch verstärkt, die Ausgangsbeschränkungen verstärken zudem patriarchale Gewalt. – Für die soziale Revolution! Kapitalismus und Patriarchat überwinden!
Am 1. Mai gehen wir auf die Straße für eine solidarische Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Trotz dem notwendigen physischen Abstand, lassen wir uns nicht vereinzeln, sondern handeln kollektiv und solidarisch! Der 1. Mai sind wir alle - alle gemeinsam gegen Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat!
Twitter: @rev1maiberlin
Ergänzungen
Weitere Aufrufe und Texte
Never relinquish the streets!
Am 1. Mai auf die Straße!
Aufruf aus der IL Berlin zu einer Demonstration der besonderen Art am 1. Mai ab 18 Uhr in Kreuzberg
Wir freuen uns über den Debattenbeitrag des Revolutionären 1.Mai-Demobündnis und freuen uns noch viel mehr über die klar geäußerte Position, den 1. Mai in Berlin auch in diesem Jahr auf jeden Fall stattfinden zu lassen. Weil im Beitrag des Bündnisses inhaltlich bereits viel Richtiges geschrieben wurde, wollen wir im Folgenden unsere Gedanken zu Sinn, Verantwortbarkeit und inhaltlichem Charakter mit euch teilen.
Sinn
Der 1. Mai ist seit jeher der Tag, an dem die Menschen ihre gewonnenen Kämpfe feiern, ihrer verlorenen Kämpfe erinnern und ihren aktuellen Kämpfen Ausdruck verleihen. In den vergangenen Jahren wurde viel über Sinn und Zweck eines Rituals diskutiert. Dieses Jahr gewinnt der 1. Mai eine besondere Relevanz, weil wir ihn im Rahmen des globalen Ausnahmezustands nicht einmal mehr als sinnvolles Ritual begehen können. Heute ist jede politische Versammlung auf der Straße ein materieller Kampf um unsere Rechte. Angesichts der Corona-Maßnahmen, die im Zeichen biopolitischer und kapitalistischer Logik stehen, müssen wir uns gegen gravierende Einschränkungen einsetzen, die besonders Marginalisierte aber auch die radikale Linke treffen. Wir dürfen den autoritären Maßnahmen keinen Millimeter mehr geben, wir haben schon zu viel verloren, politisch und sozial. Es zeichnet sich schon ab, wer für die Kosten der Krise aufkommen wird. Der Kampf gegen die massive Umverteilung von unten nach oben muss jetzt schon beginnen.
Verantwortbarkeit
Wie der Text des Bündnisses bereits formuliert, wissen wir um die Risiken und die nötigen Schutzmaßnahmen. Deshalb schlagen wir vor: Lasst uns am 1. Mai zu einer Demonstration der besonderen Art mobilisieren und lasst uns damit ein kollektives Moment schaffen. Denn wir meinen, dass wir der Isolation und Vereinzelung entgegen wirken müssen, das kollektive Gefühl des Beisammenseins unersetzlich ist und wir nur mit vielen stark sind und den nötigen politischen Druck aufbauen können. Wir tragen den politischen Konflikt in die Gesellschaft und erobern uns die Versammlungsfreiheit zurück. Es wird eine gute und wichtige Ergänzung sein, wenn an diesem Tag auch kleinere dezentrale Aktionen und Kundgebungen stattfinden. So wird zum einen der politische Druck erhöht, zum anderen eine Möglichkeit für all diejenigen geschaffen, denen aus den unterschiedlichsten Gründen das Risiko einer zentralen Zusammenkunft zu hoch ist.
Aktuell haben die Herrschenden vor nichts mehr panische Angst als vor Kontrollverlust. Nahezu jegliche Art von politischen Ausdruck wurde durch die Polizei unterbunden. Von den Bullen selbst ging dabei die höchste gesundheitliche Gefahr aus. Oft trugen sie keine Masken, hielten den Sicherheitsabstand nicht ein und zwangen die Versammlungsteilnehmer*innen in unnötige Nähe zueinander. Hier wird deutlich, dass das staatliche Verbot von politischen Versammlungen nicht dem Infektionsschutz dient. Wenn die Bullen uns am Abend des 1. Mai drangsalieren, werden sie damit nur dokumentieren, dass sie die einzigen sind, die gegen Schutzmaßnahmen verstoßen.
Wir werden beweisen, dass auch unter Covid-19 politische Versammlungen von vielen auf den Straßen möglich sind. Wir werden beweisen, dass die Einschränkungen demokratischer Grundrechte nichts anderes sind als der autoritäre Angriff auf diese Rechte und nichts mit gesundheitlichen Schutzmaßnahmen zu tun haben. Wir werden zeigen, dass wir unseren Schutz besser organisieren können als der Staat. Wer, wenn nicht wir, könnte diesen Beweis erbringen? Wie viele tausende von Demos, Kampagnen, militanten Aktionen, Camps und massenhaften Ungehorsam haben wir schon organisiert? Wir haben jahrelange Erfahrung in Selbstorganisation und Kreativität, in Achtsamkeit und Respekt vor Unterschiedlichkeiten und auch unsere linken Überzeugungen verlangen uns oft die nötige Disziplin ab.
Die Demo der besonderen Art am 1. Mai 2020 in Berlin wird keine herkömmliche Demonstration sein. Inspirationen gaben uns die raumgreifende Aktion am Kottbusser Tor in Berlin am 28. März und die 2000 überwiegend schwarz gekleideten Menschen auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv am 19. April. Zusätzlich stellen wir uns eine größere Fläche und ständige Bewegung vor. Unsere Versammlung wird also nicht das sein, was die Revolutionäre 1. Mai-Demo immer war, sondern eher einem großen und breiten Spaziergang durch den Kiez gleichen. Unsere verschiedenen aufeinanderfolgenden Treffpunkte können ein Gebiet mit vielen Zugängen sein, nicht allein ein großer Platz, sondern auch die Straßen dorthin, damit der Raum flexibel bleibt und mit den Neuankommenden immer weiter ausgedehnt wird. Auf den Sichtachsen der langen, breiten Straßen wird die Masse der Teilnehmenden sichtbar, die sich alle individuell, selbstverantwortlich und damit auch auf eine gemeinsame Art fortbewegen. Sie werden dabei nach und nach an Orte vorbeigehen, die eine Geschichte von vielfältigen Protesten erzählen können, ebenso an Orten der Verdrängung und rassistischer Kontrollen.
Zu diesem verantwortungsvollen Protestspaziergang laden wir gerne mit ein. Die Teilnehmer*innen können zum Beispiel unverdächtige Joggingklamotten tragen und sich ständig auf und ab bewegen. Andere spannen mitgebrachte Tücher mit ihren Forderungen auf oder stellen sich mit Pappschildern in die lange Schlange am Späti an. Viele weitere tragen Transparente, die in entsprechende Größen geschnitten die Sicherheitsabstände markieren. Gemeinsam rufen wir Parolen. Und zügig kommen alle wieder in Gang, um eine statische Situation zu vermeiden. Manche sind auf ihren Fahrrädern unterwegs, andere in Autos mit aufgedrehten Lautsprechern, aus denen dem Kampftag angemessene Lieder zu hören sind. Handschuhe und Vermummung mit Nase-Mund-Schutz sind dabei selbstverständlich. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Wir wissen, dass diese Form für uns alle neu ist und auch aus Gründen der Repression ein unwohles Gefühl bei Einigen von uns hinterlassen wird. Wir glauben jedoch, dass es die Sache wert ist. Wir sind gespannt wie eine Zwille, ob uns allen gemeinsam dieses große Experiment gelingen wird. Zudem sind wir uns unserer Verantwortung gegenüber der historischen Kontinuität des 1. Mai bewusst. Der Tag lebt auf und von der Straße.
Charakter
Wir fänden es charmant, wenn diese besondere Demo inhaltlich so vielfältig bleibt wie in den vergangenen Jahren. Gerade jetzt ist es wichtig, die unterschiedlichen Aspekte der Krise hervorzuheben: Vom kaputtgesparten Gesundheitssystem, über die Aushöhlung erkämpfter Arbeiter*innenrechte, den soziopsychologischen Folgen der Isolation, die vollkommen unzureichenden und sogar tödlichen Maßnahmen zur Coronaprävention aus internationalistischer Perspektive bis hin zu den autoritären Angriffen auf grundlegende demokratische Rechte.
Auch an den europäischen Außengrenzen wird die Situation tödlicher. Unter dem Deckmantel des Seuchenschutzes wurde die Seenotrettung komplett ausgesetzt. Gleichzeitig werden 40.000 Geflüchtete in griechischen Lagern festgehalten und sich selbst überlassen. Um die deutsche Lebensmittelindustrie zu unterstützen, die stark von billigen Arbeitskräften aus dem Ausland abhängig ist, hat die BRD zugestimmt, 80.000 Leiharbeiter*innen einzufliegen, um Spargel und Erdbeeren zu ernten. Deren Gesundheit wird riskiert um sicherzustellen, dass deutsche Agrarkapitalisten wie gewohnt Rekordgewinne machen. Parallel dazu wurden über 200.000 deutsche Tourist*innen aus dem Ausland zurückgeholt. Wir sehen: nicht jedes Menschenleben hat den gleichen Wert.
Wir fordern deshalb: Der rot-rot-grüne Berliner Senat soll umgehend mindestens 1500 Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufnehmen, was er schon im März zugesagt hat. Damit wird zwar nicht das rassistische Grenzregime abgeschafft, allerdings finden wir, dass irgendwo angefangen werden muss. Dazu braucht es unsere praktische Solidarität auf der Straße. Die Umsetzung dieser Maßnahme wäre im besten Fall ein Ausgangspunkt für weitergehende Forderungen. Wie der Senat diese Forderung umsetzt, ist seine Aufgabe. Dass aber alles funktioniert, wenn nur der Wille da ist, zeigen aktuell die vor kurzem noch unvorstellbaren Maßnahmen, die im Zuge der Krise eingeleitet wurden.
So oder so, trotz alledem und jetzt erst recht!
Am Ende entscheidet die Straße!
Mehr Infos:
https://1mai.blackblogs.org
https://twitter.com/rev1maiberlin
Weitere Texte zur Diskussion um den 1. Mai 2020 finden sich auf dem Blog: https://erstermai.nostate.net/
Übersetzung ins Griechische
Der Aufruf ist schon ins Griechische übersetzt:
https://athens.indymedia.org/post/1604703/
Danke!
Der Straßenprotest ist nötig. Es gibt keine Alternative. Ich hoffe, auch gemäßigte Linke schließen sich an. Es ist jetzt so wichtig wie selten zuvor, auf die Straße zu gehen!
@qua
Das Bündnis ruft auch zu dezentralen Aktivitäten auf. Und zu zentraleren.und zu Aktivitäten auf Balkonien. Für alle was dabei.