Prozessbericht - Free the three: Dritter Verhandlungstag
Am Mittwoch, den 18. April, fand die Fortsetzungsverhandlung am Amtsgericht in Gotha gegen drei von Nazis des Raubs und der Körperverletzung bezichtigten Antifaschisten aus Gotha statt. Der erste Termin im November 2017, der über ein Jahr nach dem Abend, an dem noch eine Großaufgebot der Polzei drohte, das Wohn- und Hausprojekt Juwel in Gotha zu stürmen und drei als Tatverdächtige identifizierte Antifaschisten in Untersuchungshaft steckte, musste damals wegen des Nichterscheinens der vermeintlich Geschädigten Anne-Kathrin Helbing (ehemals Schmidt) um über ein halbes Jahr verschoben werden. Lediglich ihr damaliger Lebensgefährte, der sie an jenem Abend im September 2016 begleitete, erschien beim Prozess. Beim dann zweiten Prozesstag am 10. April 2018 verweigerten die zwei vermeintlich Geschädigten unter Begründung durch Erinnerungslücken sich zu dem Sachverhlat zu äußern. Eine weitere Zeugin, die das Geschehen aus ihrer Wohnung beobachtet haben will, blieb der Verhandlung erneut fern. Nachdem Beamte der Polizei – als Zeugen vernommen – versuchten ihre mehr als fragwürdige Gegenüberstellung dieses Abends zu rechtfertigen, wurde Helbing erneut in den Zeugenstand gerufen und entschied sich nach Rücksprache mit den Kameraden doch dazu, sich wieder zu erinnern. Sie wurden, zusammen mit den weiteren am 10. April als Zuschauerinnen anwesendenden Nazis, für den 18. April erneut geladen. (Einen ausführlichen Prozessbericht dazu gibt es hier: http://rotehilfesth.blogsport.de/2017/11/22/free-the-three-erster-verhandlungstag-geplatzt-zweiter-fuer-maerz-2018-angesetzt/) Die bereits zur Kundgebung vor das Amtsgericht erschienen und den Prozess unterstützend begleitenden Antifaschisten erwartete also ebenso wie die drei Angeklagten ein Tag voller Aussagen von Nazis.
Die lang verschollene Zeugin Anders als bei den vorangegangenen Verhandlungen, waren alle geladenen Zeugen tatsächlich da. So auch die lang verschollen geglaubte Nachbarin des Juwel, die angab, den Vorfall aus ihrem Fenster beobachtet zu haben. Als erste Zeugin des Tages in den Zeugenstand gerufen, gab sie an, was sie damals schon bei der Staatanwaltschaft aussagte. Sie habe aus dem offenen Fenster zuerst etwas gehört, dann beobachtet und sei schließlich nach unten gegangen, zu der ihr von früher bekannten Anne-Kathrin Helbing und ihrem damaligen Lebengefährten Alexander Danilov und habe dort den RTW gerufen. Die Angeklagten kenne sie, sie seien zum Teil ja ihre Nachbarn, eigentlich ganz nette übrigens. Namentlich benennen könne sie sie allerdings nicht, stellte sie heraus und machte sie auch unwillentlich deutlich durch die falsche Zuordnung der Angeklaten im Laufe der Aussage. Wie dann aber in die Aussage, die sie bei der Staatsanwaltschaft tätigte, oder zumindest unterschrieben hat, der Name eines der Angeklaten komme, ist vor diesem Hintegrund fraglich. Das könne sie sich auch nicht erklären, den Namen habe sie schließlich auch bis zum Tag der Vernehmung vor Gericht nicht gekannt. Über weitere Vorhaltungen aus der damaligen Aussage bei der Staatsanwaltschaft sagte sie: "Ich würde meine Hand ins Feuer legen, dass ich das damals so nicht geäußert habe." Immer mehr wurde deutlich, hier hat die Staatsanwaltschaft bei der Zeugenaussage tatkräftige Unterstützung geleistet. Tatsächlich ist das bei besonders zielstrebigen Beamten der Staatswanwaltschaft oder auch Polizei gar nicht unüblich, blöd dann nur, dass sie es eilig hatte und das Ganze, bevor sie unterschrieb, nicht noch einmal richtig gelesen hat.
Aussageverweigerung, die erste Als zweiter Zeuge wurde der derzeitige Ehemann Anne-Kathrin Helbings, Nico Helbing, in den Zeugenstand geladen. Zum Tathergang könne er nichts sagen, die vermeintlich Geschädigte habe er erst danach kennengelernt. Zu möglichen Absprachen betreffs des Erinnerungsverlustes seiner Frau, der so spontan einsetzte, wie er wieder verschwand, können er nur betonen, dass diese sich eigentlich nicht über den Vorfall unterhalten haben. Sie habe vielleicht mal davon erzählt, aber alles in allem schilderte er ihre Beziehung als eine eher wortkage. Und auch wollte er wohl vor Gericht nicht allzuviele Worte verlieren. Sein trotziges : "Ich mache jetzt von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und das war's." macht er aber doch nicht wahr und wollte noch darauf hinweisen, dass seine Frau sich "aus ihrere Vergangenheit zurückgezogen" habe; das schon seit ihrer Schwangerschaft seit Anfang 2017, meint er entgegen dem, was die Verteidigung bereits beim letzten Verhandlungstag zutage förderte, seine Frau verteidigen zu müssen. Er selber sei auch unpolitisch. Dass er per Facebook mehrere Naziseiten geliked hat, war ihm keinen Kommentar mehr wert.
Aussageverweigerung, die zweite Nachdem der Polizist Pillinger kurz zum Polizeieinsatz am Abend des 8. Septemer 2016 gehört wurde und nichts zum Sachverhalt beitragen konnte, wurde Sandra Krause, eine Freundin Anne-Kathrin Helbings, in den Zeigenstand geladen, um etwas zur Glaubwürdigkeit Anne-Kathrin Helbings auszusagen. Sie war sowieso an jenem Morgen im Gericht wegen der Scheidung von ihrem - nun - Ex-Mann, der übrigens einst Anzeige gegen Anne-Kathrin Helbing (damals noch Schmidt) erstattete und sie des Raubes an ihm beschuldigte. Eigentlich wollte sich Krause aber nicht dazu äußern, denn sie verstehe nicht, was das alles mit der Verhandlung zu tun habe. Nachdem sie widerwillig einige Fragen zu ihrem Facebookprofil und ihrer politischen Einstellung beantwortete, konnte selbst der manchmal etwas abwensend erscheinenden Richterin nicht entgangen sein, dass sie ein Nazi ist. Sie stellte abschließend noch eimal klar, dass sie sich mit der vermeintlich Geschädigten am vergangen Verhandlungstag und danach "definitiv nicht" über den Prozess unterhalten habe und wurde schließlich entlassen.
Aussageveweigerung, die dritte Wohl nicht ganz unzutreffend die Verhandlung als Nazischaulaufen gedeutet, betrat als nächster Marco Zint im Bündnis-Zukunft-Landkreis-Gotha (BZLG) T-Shirt den Zeugenstand. Auch er wurde, wie bereits Nico Helbing und Sandra Krause, nach dem ersten Verhandlungstag zur Liste der Zeugen ergänzt, da er an dem Tag als Unterstützung Anne-Kathrin Helbings da war und so Aussage zu ihrer Glaubwürdigkeit und Gedächtnisleistung machen sollte. Zum Sachverhalt habe er nicht viel zu sagen, er habe lediglich unmittelbar nach dem Vorfall "den Anruf bekommen, dass wieder etwas passiert ist." Da sich die Frage, ob Anne-Kathrin Helbing bei dem von Marco Zint angemeldeten Heldengedenken der Nazis 2016 in Friedrichroda anwesend war, im Vorfeld als relevant erwies, er selber sich aber nicht erinnern könne, wurde er nach den Namen weiterer potentieller Zeugen, die das beantworten könnten, gefragt. "Ich beantworte keine weiteren Fragen, weil das nicht verfahrensrelevant ist", sagte er. Er wolle seinen Anwalt anrufen. Weiter nachhakend, fragte die Verteidigung, in Folge dessen auch mehrfach Richterin und Staatsanwaltschaft nach dem Namen des Zweitanmelders der Versammlung, an den er sich ja wohl erinnern würde. Die Fragen wurden von ihm abwechselnd mit Schweigen und rotzigen Antworten wie "Ich denke ja nicht dran." quittierte. Er habe das Heldengedenken ja sowieso quasi immer alleine gemacht, sagte er, und möchte sich auf §55 berufen. Die Verteidgung wies ihn darauf hin, dass das nicht zulässig sei, weil die Nennung des Stellvertreters keine Selbstbelastung darstelle. Wegen diesem von ihm als Bedrohung eingeschätzen und titulierten Hinweises und den steten Fragen der Anwälte, verlangte er nach einem Anwalt für sich. Die Staatsanwaltschaft sprang dem Nazi, der den Zeugenstand bisher als Podium zur Preisgabe seiner menschenfeindliche Gesinnung nutze, indem er, bevor er in die Enge getrieben wurde, minutenlang – von der Richterin ununterbrochen – von Systemwechsel, Berufsverboten und anderen Ekelhaftigkeiten schwadronierte, helfend zur Seite: ein Zeugenbeistand solle jedem gewährt werden. So leutete die Richterin die Mittagspause ein, in der Zint Zeit hatte, seinen Anwalt zu kontaktieren. Nach der Pause rückte er dann doch damit raus, dass Tommy Brandau von der Band "Zeitnah" stellvertretender Anmelder 2016 und auch die Jahre davor war. Nachdem eine Reihe weiterer Namen von bekannten Nazis durchgegangen wurden, um deren Anwesenheit beim Heldengedenken zu befragen, lenkte die Verteidigung die Sprache darauf, dass Zint schon einmal zusammen mit Anne-Kathrin Heldbing gegen einen der Angeklagten in ein Ermittlungsverfahren verwickelt war. Anne-Kathrin gab damals den Hinweis auf den vermeintlichen Täter, Zint entschied sich damals – er machte sozusagen den Auftakt – nicht zum Sachverhalt der Anzeige, die er gestellt hatte, sagen zu wollen und gestand ein, Anzeige nur erstattet zu haben, um die pesönlichen Daten des Angeklaten in Erfahrung zu bringen. Der Antifaschist wurde damals der Anklage freigesprochen. (http://rotehilfesth.blogsport.de/2017/01/17/gotha-antifaschist-von-nazi-gezinkt-eine-wahre-geschichte/) Damals wie am 18. April verließ Zint beschämt den Zeugenstand.
Antrag auf Nebenklage Auf das nicht endenwollende Gebklöke unterschiedlicher Nazis im Zeugenstand folgte eine kurze akkustische Pause, als sich Staatsanwaltschaft, Anwälte, Richterin und Schöffen das tonlose Video vom Polizeieinsatz vor dem Juwel in Gotha anschauten. Bevor es dann, wie davor, weiter gehen sollte, übergab Anne-Kathrin Helbings neuer Zeugenbeistand Rechtsanwalt Norbert Witt der Richterin ein Schreiben, in dem Anne-Kathrin Helbing einen Antrag auf Nebenklage formulierte. Mit der Einschränkung durch einen Antrag der Verteidigung, keine Akteneinsicht wegen Gefährung der Wahrheitsfinduung zu gewähren, gab es keine Einwände dagegen. Anne Kathrin Helbing wurde daraufhin für den Verhandlungstag entlassen und ist für den 2.5. erneut geladen. Dort wird sie als Nebenklägerin auftreten.
Von nichts gewusst Nachdem sie den Raum verlassen hatte, betrat Sabine Auer, die Verlobte Marco Zints, den Zeugenstand. Auch sie war bereits am 10. April anwesend und beteuerte, wie ihre Vorgängerinnen, an diesem Tag nicht mit der vermeintlich Geschädigten über den Prozess gesprochen zu haben. Darüber hinaus aber wusste sie nach eigener Angabe nicht viel. Sie habe keine politische Einstellung, "Nur 'ne Meinung zu bestimmten Themen." Was sie von Linken halte?: "Kann sein, muss nicht." Wer Rudolf Heß sei?: "Habe ich schonmal gehört." Warum sie zu dessen Todestag ein Bild von ihm vom BZLG geteilt habe, wisse sie nicht, ebensowenig warum sie über ihr Facebookprofil zu Solidarität mit den Schlägern von Ballstäft aufruft. Gefragt, was sie mit der Aussage 'better dead than red' meine erwiderte sie, kein englisch zu können. Mit dem unglaubwürdigen Eingeständnis, schon öfter mal einfach so Sachen zu teilen, ohne zu wissen, um was es geht, wurde sie entlassen.
Aussageverweigerung, die vierte Als letzter Zeuge des Tages wurde Alexander Danilov in den Zeugenstand gerufen. Der ehemalige Lebensgefährte Helbings gab bei Polizei und Staatsanwaltschaft an, an jenem Abend des 8. September 2016 gemeinsam mit Anne-Kathrin auf dem Nachhauseweg vom Kino in die Körperverletzung, die den Angeklagten zur Last gelegt wurde, verwickelt gewesen zu sein. Während er selber mit zwei Schlägen traktiert worden sei, habe man versucht parallel seiner damaligen Freundin die Tasche zu klauen, gab er damals an. Vor Gericht zu dem Sachverhalt befragt, wolle er allerdings keine Aussage machen und einen Anwalt hinzuziehen. Wie aus heiterem Himmel kam indes auch er auf die Idee, einen Antrag auf Nebenklage zu stellen. Da dies ihm zwar zustehe, aber nur sofern es den Fortgang des Verfahrens nicht aufhalte, er darüber hinaus weder nach dem ersten noch den zweiten Verhandlungstermin in Kontakt mit einem Anwalt getreten sei, wurde er von der Verteidigung dazu aufgefordert sich trotzdem zu äußern, während es ihm frei stünde, für den nächsten Verhandlungstermin einen Zeugenbeistand zu organisieren. Die Richterin, die wahrnahm, dass er davon alles andere als begeistert war und sich schon wieder darum wandt, eine Entscheidung zu treffen, gewährte zehn Minuten Pause und gab ihm eine Liste mit Pflichtverteidigerinnen, die er innerhalb der Pause kontaktieren könne. Während alle anderen Nazis die Heimreise antraten, von denen lediglich Nico Helbing später nocheinmal wieder kam, kehrte Danilov nach dieser Pause mit der Auskunft zurück, keinen Anwalt erreicht zu haben und äußerte sich schließlich zum Sachverhalt. Zu den Widersprüchen mit seiner Aussage bei der Polizei konfrontiert, sagte er aus, sich nicht mehr an konkrete Einzelheiten erinnern zu können. Wie vier Tage nach dem Ereignis sein Hausarzt eine Gehirnerschütterung und Bluthochdruck feststellte, die definitiv auf den Vorfall zurück zu führen seien, während man am selben Abend im Krankenhaus selbst bei einem CT keine Verletzungen feststellen konnte, konnte er nicht erklären. Die Angeklagten aber, so sagte er, würde er wiedererkennen. In Anbetracht der Tatsache, dass er noch vor der Gegenüberstellung am Abend des 8. September 2016 bei seiner ersten Aussage in einem Polizeiauto direkt vor Ort ein Bild von einem der Angeklagten vorgelegt bekam, wozu in der Polizist fragte, ob das einer der Angreifer gewesen sei, er unmittelbar danach bei einer Gegenüberstellung aus drei Verdächtigen die drei Täter idendifizieren sollte und deren Lichtbilder später bei der Staatsanwaltschaft noch einmal vorgelegt bekam, wäre es schon komisch, würde er sie an dieser Stelle nicht wieder erkennen. Nach fast zweistündiger Befragung wurde er schließlich gegen 17Uhr als Zeuge entlassen. Ob er zur nächsten Verhandlung als Nebenkläger wiederkehrt, ist fraglich.
Weiter gehts… Nach einem langen weiteren Verhandlungstag scheint es, als hätte bis dato niemand etwas gehaltvolles zur Klärung des Sachverhalts beitragen können. Tatsächlich aber ist die bisherige Posse aus Lügen, selektiven Erinnern, trotzigen Aussageverweigerungen und offenem Vertreten von Nazipropaganda der vernommenen Zeugen, das fehlgeleitete Verständnis der Staatsanwaltschaft u.a. gegenüber Zeugen, die Anwälten Berufsverbot androhen, sollte sie nach dem Systemwechsel mal etwas zu sagen haben, einer Richterin, deren einziges Agieren darin zu bestehen scheint, sich um jede zu treffende Entscheidung zu winden und nichtzuletzt dem zu Tage beförderten politisch motivierten Fehlverhalten der Polizei überaus aufschlussreich bezüglich der Beurteilung der Geschehnisse. Bevor aber das Urteil des Gerichts gefällt wird, stehen zwei weitere Verhandlungstermine aus:
… am Mittwoch, den 2. Mai, um 10:00Uhrund am Dienstag, den 16.Mai, um 9:00Uhr.