Das Feindbild „Flüchtling“ der Thüringer Polizei

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In den vergangenen Wochen war in verschiedenen Thüringer Medien immer wieder das Thema Gewalt- und Straftaten, die durch Geflüchtete begangen wurden, aufgegriffen worden. Wie perfide diese Annahme ist und wie die Thüringer Polizei im Falle der Ermittlungen gegen Geflüchtete vorgeht und wie sich Nazis, Medien und Polizei dabei in die Hände spielen, zeigt ein Vorfall in Seebergen. Dort kam es am Sonntagmorgen, den 18. Februar 2018, während einer Fahrscheinkontrolle im Zug von Erfurt nach Gotha zu einem rassistischen Angriff auf zwei Geflüchtete. Nach Presseberichten hatten die beiden Geflüchteten keinen gültigen Fahrschein und wurden vom Schaffner festgesetzt. So schreibt die Thüringer Allgemeine am 19. Februar 2018, dass „nur mit Unterstützung anderer Fahrgäste“ es dem Schaffner möglich war, „die Männer des Zuges zu verweisen.“1

 

1http://gotha.thueringer-allgemeine.de/web/gotha/startseite/detail/-/spec...

 

In einem Handyvideo, dass wenige Stunden nach dem Angriff im Internet aufgetaucht ist und nach Aussage des rechten Nachrichtenportals Stadtwache Arnstadt „über 170.000 Menschen“ erreicht hat und „mehr als 10.000 mal“ geteilt wurde, stellt sich der Vorfall dagegen anders dar. In dem mehrfach gelöschten Video,1 dass von einem der Angreifer gemacht worden ist, ist die Kontrolle der beiden Geflüchteten zu erkennen. Die Gruppe, aus der das Video aufgenommen wird, provoziert dabei verbal die beiden Geflüchteten, die sich nicht abfilmen lassen wollen. Hier kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung und dem Zurückdrängen eines Geflüchteten durch den Schaffner. Die Eskalation der Situation entsteht dabei durch das aggressive Auftreten der Gruppe von Nazis, die von zwei Seiten die Geflüchteten am Ausgang umstellen. Von einer gemeinsamen Sache von Schaffner und Nazis ist dabei kaum etwas zu merken, da der Schaffner sichtlich bemüht ist, die Gruppen auseinanderzuhalten.

Einer der Geflüchteten versucht aktiv zum Unterlassen des Filmens aufzufordern und ist dabei sichtlich gestresst. In dieser Bedrohungssituation, umgeben von Nazis, die pöbeln, nutzt er den gezogenen Gürtel als Selbstschutz. Dies bestätigt selbst die Gothaer Polizei: „Nach gegenwärtigen Erkenntnissen wurde keine der handelnden Personen verletzt.“2 Gleichzeitig wird hier die einseitige Ermittlung der Polizei – ganz im Sinne der Nazis – deutlich. Am Ende des Videos verlassen die beiden Geflüchteten in Seebergen den Zug und werden dabei weiterhin beschimpft und mit Tritten aus dem Zug gestoßen. Als sich der eine Geflüchtete mit Gürtel wehren will, bricht das Video ab.

Das die Polizei wieder einmal keine Gewalt gegen Geflüchtete wahrgenommen hat, ist scheinheilig. So sind auf der Nazi-Seite Halle-Leaks Fotos eines Geflüchteten aufgetaucht, die eindeutig auf eine Übergriff gegenüber des Geflüchteten hindeuten.

 

Quelle: https://blog.halle-leaks.de/video-abreibung-fuer-merkel-goldstueck-nachd...

 

Was die Polizei nicht ermittelt, das fand sich ganz unverholen auf der facebookseite der AfD Arnstadt wieder, die das Video des Vorfalls geteilt hatte.3 Dort nennt sich Andreas Mondi selbst als Tatbeteiligten gleich auch einige mögliche Mittäter:

 

Quelle: Screenshot facebook

Während die Polizei nun gegen die beiden Geflüchteten wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt,4 scheint weder das Foto des zusammengeschlagenen und scheinbar bewusstlosen Mannes auf den einschlägigen rechten Internet- bzw. Facebookseiten, einen Anlass für die Thüringer Polizei zu bieten, sich die Stichwortgeber einmal genauer anzusehen. So brüstet sich Andreas Mondi damit, den Geflüchteten geschlagen zu haben. Interessant ist Mondis Vorstrafe, die im Fall einer Bekanntwerdens seiner Tatbeteiligung hinderlich für seine Bewährungsstrafe sein könnte.

Quelle: Screenshot facebook

Gleichzeitig spricht er davon, den zusammengeschlagenen Geflüchteten an der Haltestelle liegen gelassen zu haben. Dass die Polizei auch hier – bei einer unterlassenen Hilfeleistung – kein Interesse an der Strafverfolgung von Nazis hat, spricht Bände über die rassistische Verfasstheit der Polizei und der rechten Einstellung der einzelnen Beamten!

Quelle: Screenshot facebook

Während Presse und Polizei von Steinwürfen des Geflüchteten, der sich selbst ins Krankenhaus bringen musste, auf Personen am Krankenhaus ausgeht,5 6 7 stellt sich die Situation aus der Perspektive der Nazis ganz anders dar. So trafen die Naziprolls um Mondi im Krankenhaus zufällig auf den verletzten Geflüchteten, der nochmals verprügelt wurde. Und die Polizei nimmt die Aussagen der Nazis und das eigens gedrehte Video – in der die entscheidenden Szenen nicht zu sehen sind – als Grundlage ihrer Ermittlung. Das dürfte dann gemeint sein, wenn von Freund und Helfer in Deutschland die Rede ist.

 

 

 

 

1Das Video ist noch auf der Nazi-Seite Halle-Leaks einsehbar, auf der der Vorfall rassistisch umgedeutet und gefeiert wird: https://blog.halle-leaks.de/video-abreibung-fuer-merkel-goldstueck-nachd...

2https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/126721/3870836

3Mittlerweile ist das Video wieder von der Seite genommen worden.

4https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/126721/3870836

5http://gotha.thueringer-allgemeine.de/web/gotha/startseite/detail/-/spec...

6https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/126721/3870836

7https://www.insuedthueringen.de/region/thueringen/thuefwthuedeu/Ertappte...

 

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