„Während die Zuschauer vor den Bildschirmen nur Bilder der Zerstörung sehen, wirkt der Aufstand als kollektive Regeneration: Die bisher atomisierte Menge erlebt sich als eine Macht, die nur sich selbst gehört.“
"Mit unserem Hundeleben
Das genug ist, um Geschichten ohne Ende zu schreiben
Im Rücken die Straße, mehr Wahrheit als die Nachrichten, am Ende nur die eigene Erfahrung
Du kennst den Refrain, wir haben Hunger..."
Fonky Family
Warum sind es immer die anderen, die auf La Plaine mit dem Finger zeigen? In Folge des Aufstands am Samstag, dem 1. Dezember, trat der Präfekt vor die Presse: "Es waren 100 bis 150 Menschen, die sich gegen die Baustelle auf La Plaine stellten, und die diese Vorfälle verursachten"[1]. Als ob ein Aufstand so beginnen könnte, wie auf Befehl... In Wahrheit war es vielmehr so, dass der Protestmarsch gegen unwürdige Wohnungen, sobald er das Rathaus erreichte, von einem Regen aus Gasgranaten begrüßt wurde, was dann wirklich den Aufstand auslöste, auf den alle Welt gehofft hatte. Die Behörden sind völlig besessen von der Vorstellung, dass wir eines Tages ins Rathaus kommen könnten. Aber wir verstehen... In Paris sind es die Elysées, die streng bewacht werden, in Marseille ist es das Rathaus.
Montag, der 3. Dezember, und die Oberschulen von Marseille nehmen ihrerseits am Tanz teil... Etwa dreißig sind im Streik, ungefähr zehn sind blockiert. Die Kinder sind ganz heiß auf die ganze Sache, bei der Schule Victor Hugo, einer Ghetto-Schule hinter dem Bahnhof brennen nicht nur Mülltonnen, sondern auch ein Auto, das herumstand. In der Stadt wird der ganze Tag rhythmisch durch das hin und her der gepanzerten Bullenwagen gebrochen...
Nach diesem schönen Samstag liegt eine besondere Atmosphäre über der Stadt. Die BAC [Brigades anti-criminalité ] beginnen direkt mit Gummigeschossen zu ballern, sie verstecken sich nicht einmal. Von hohen Stellen gab es Anweisungen, und die Brutalität mit der gegen 15-jährige vorgegangen wird. zeigt, dass die Schläge Spuren hinterlassen sollen. Die meisten Lehrer*innen schauen derweil weg... Am Mittwoch interveniert dann eine Gruppe Hafenarbeiter*innen und stellt sich zwischen die Schüler*innen und die Polizei und erfüllt so das Versprechen, dass die Verantwortlichen der CGT am Samstag, dem 1.Dezember, gegeben haben. Mit einer Gruppe Hafenarbeiter*innen auf der Straße konfrontiert bellen die BAC's zwar noch, beißen aber nicht mehr.
Am Donnerstag, dem 6. Dezember, nehmen dann die Schüler*innen an einem Protestzug teil, der von den CGT- Hafenarbeiter*innen und einigen SNES-Lehrer*innen angeführt wird, der St. Charles erst verlässt und dann wieder zurückkehrt; bei der Ankunft provozieren die Kinder, vielleicht ein bisschen von der recht stillen Demonstration frustriert, einen Zusammenstoß mit den Bullen am Bahnhof. Die Bewegung der Schüler*innen, noch nicht von Repräsentanten eingefangen, ist immer etwas fröhlicher und lebendiger als die Proteste der Gewerkschaften...