Widerstand gegen Sozialabbau wächst

..... 31.10.2003 23:13 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe

Update: Weit mehr als 100.000 Menschen nahmen an der Demonstration teil. Mobilisierung war um ein vielfaches erfolgreicher als erwartet. Zehntausende Berliner schlossen sich spontan der Demonstration an.
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Neue Printausgabe: Indymedia Spezial zum 01.11.
Am Abend wurde eine Afterparty im Sozialen Zentrum von einer Polizeihundertschaft überfallen. erste Kurzmeldung und Bilder
Während in anderen europäischen Ländern längst Generalstreiks und Massenproteste gegen die Abschaffung der erkämpften sozialen Grundsicherungen stattfinden, regt sich auch hierzulande langsam Widerstand. Das ist bitter nötig: Mit Strategien wie Agenda 2010 oder den Hartz-Papier soll in den nächsten Jahren der Sozialstaat abgeschafft werden. Begonnen wird dabei mit der Abschaffung des Kündigungsschutzes, der schrittweisen Abschaffung von Renten, Sozialhilfe, Urlaubskürzungen und so weiter. Patienten zahlen künftig bei Artzbesuchen Gebühren, bekommen keinen Zahnersatz und müssen auch ihr Krankengeld selbst finanzieren.
zahlreiche Links befinden sich im Feature
Währenddessen wird in den meisten Medien noch immer das Märchen erzählt, es wäre kein Geld da - wobei es für den Ausbau des Überwachungs-staates, den Eurofighter oder Steuergeschenke an Konzerne reichlich vorhanden ist- und alle müssten kürzer treten. Gleichzeitig werden die aktuellen Entwicklungen als "Reform" oder "Sozialabbau" verharmlost. Es wird gegen "Faulenzer" gehetzt, die Menschen kontrolliert und ein umfassendes Zwangssystem errichtet. Das ehemalige "Recht auf Arbeit" wird zu einer "Pflicht zum Arbeiten" umkonstruiert. Für mehrere Millionen Menschen in Deutschland entwickelt sich der Lebensinhalt immer mehr zu einer Jagd um Arbeit, Formulare und behördliche Annerkennung. In Berlin sollen EmpfängerInnen von Sozialhilfe nun auf Initiative von PDS und SPD zwangsweise vorgeladen werden, um ihre Persönlichkeit, ihre Lebens-gewohnheiten und ihr äusseres Erscheinungsbild in die zwei Kategorien "vorteilhaft" und "nicht vorteilhaft" einzuteilen.

Die Bundesregierung betreibt momentan "die größten Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen seit dem 2. Weltkrieg". Das ist das Fazit der Analyse eines breiten Bündnisses von mehr als 170 verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen, die für den 20.10. zu regionalen dezentralen Aktionen und für den 1.11. zu einer zentralen Demo in Berlin aufgerufen hatten. Am 20.10. fanden in mehr als 40 Städten Kundgebungen, Besetzungen und sonstige Aktionen aus Protest gegen die neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft statt.

Die Ereignisse bekommen dabei allmählich eine Eigendynamik: Sozialforen gründen sich [Berlin:Interview | 1|2|3|4|5, Köln:1, 2, Bochum: 1,2], mehr und mehr Menschen schliessen sich den Protesten an. [Göttingen, Tübingen: 1 |2 |Saarbrücken,Marburg,Berlin: 1 |2 |3 |4 |5 |Daimler/Porsche,Rostock,Hannover,Dresden]

Die Parteien gehen bei kleinsten Anzeichen in Deckung oder schießen mit Kanonen auf Spatzen. Letzte Widerstände in den eigenen Reihen werden ausgemerzt. Die staatstreuen Gewerkschaftsspitzen fahren eine Doppeltaktik, blockieren und vereinnahmen, während die Basis mobilisiert.

Es wirde mit mindestens 10000 Menschen gerechnet, die nach Berlin zur Demonstration kommen wollten. Taeilgenommen hat die zehnfache Menge.....

mehr bei:Demo 1.11 | Berliner Sozialforum | social-forum.de |A2010 kippen |FAU |labournet |Verdi Berlin |Anti-Hartz | wildcat |Arbeitszwang und im Artikel. Hintergrund: Coforum/Krisis


Dokumentation des Features von "uns reichts!" vom 20.10.2002Wer ist betroffen, wer wehrt sich?

Es handelt sich dabei um ein breites Spektrum von zahlreichen Erwerbsloseninitiativen über linke Gruppen und Parteien bis hin zu attac, Gewerkschaftsteilen und Betriebsräten. Es geht ihnen weniger um Forderungen an die Regierung, als um eine Aufforderung zur gesellschaftlichen (Selbst-)Organisierung: "Ob Arbeiter/innen, Angestellte, Beamte, Erwerbslose, Frauen, Flüchtlinge, Jugendliche oder Rentner/innen - wir dürfen uns nicht spalten lassen und müssen unsere Interessen in die eigenen Hände nehmen." (Aufruf: hier)

Endlich wird Arbeit knapp
Ist das eigentlich wirklich das Problem? Mehr Hintergrund.

Warum werden Millionen Menschen vom Staat bekämpft - nur weil es für sie keinen Arbeitsplatz gibt? Was hat das mit der Privatisierung staatlicher Sozialsysteme und der Schaffung eines Billig-Lohn-Sektors zu tun? Warum werden Menschen gezwungen zu arbeiten, wenn es keine Arbeit gibt? Warum ist es ein Problem, wenn die Arbeit weniger wird?

Die Vorwürfe gegen die aktuelle Entwicklungen sind heftig:

"Der Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme hat in Deutschland verschiedene Namen: Agenda 2010, Hartz, Rürup und Gesundheits-"reform". Damit betreibt die Schröder/Fischer-Regierung die größten Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse und Rechte seit dem 2. Weltkrieg." (Aus dem Aufruf des "Bündnis gegen Sozialkahlschlag")

"Derzeit finden unter den Namen Hartz, Rürup und Agenda 2010 in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Angriffe auf die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland statt." (Aus dem Aufruf des Anti-Hartz-Bündnis NRW)

Momentan erleben wir auch in Deutschland eine gigantische Umstrukturierung der Gesellschaft. Es scheint beinahe unmöglich diese in ihrer Komplexität zu begreifen, doch es gibt viele Hinweise darauf, dass es um wesentlich mehr geht als um Sozialabbau und Kürzungen.

In zehn Jahren wird über die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland über 45 Jahre alt sein, und somit auf dem Arbeitsmarkt zur Kategorie der "Schwervermittelbaren" gehören. In der Folge der Umsetzung der Agenda 2010 werden ca. ein Viertel der Bevölkerung Berlins auf Sozialhilfeniveau leben. Diese Thesen machen stutzig. Was sagt das über die aktuellen Entwicklungen aus? Und vor allem: Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft?

Zunächst einmal ist klar, dass Erwerbsarbeit im herkömmlichen Sinne immer knapper wird. Die offiziellen Arbeitslosenstatistiken sprechen für sich. Das ist ein Problem, weil wir in unserer Gesellschaft einen Arbeitsplatz benötigen um leben zu können. Wir brauchen Geld für Miete, Essen, Kleidung... ja eigentlich für alles.

Wenn nun die Erwerbsarbeit knapp wird, dann wird sie zum Privileg, um das wir konkurrieren müssen. Es entsteht "ein Rennen ohne Ende, mit der einzigen Hoffnung im Rennen zu bleiben." (JB Ciulla). Und wer nicht aus dem Rennen fallen will muss bereit sein immer schlechtere Bedingungen zu akzeptieren. Bereits 1999 sagte der ehemalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach: "Es gibt keine Drecksarbeit und jeder Job ist besser als kein Job" (taz, 16.7.99). Soziale Absicherung ?? - Darum geht es schon lang nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Aus dem Recht auf Arbeit ist längst ein Zwang zur Arbeit geworden.

Längst geht es bei der, von allen Parteien verkündeten "Bekämpfung der Arbeitslosigkeit", um eine Bereinigung der Statistiken. Wenn alle arbeiten müssen, gibt es keine Arbeitslosigkeit mehr. Es geht also nicht mehr darum, dass Arbeitslosigkeit ein Merkmal kapitalistischer Gesellschaft ist und die Menschen deshalb ein "Recht auf Absicherung" dagegen haben, sondern die Verantwortung dafür wird individualisiert und bei den Betroffenen selbst angesiedelt.

Anstatt sich als Opfer einer Entwicklung zu sehen, auf die sie keinen Einfluss haben, machen viele Arbeitslose sich selbst für ihr vermeintliches Scheitern verantwortlich. Nur das ist der Grund, warum sie den sozialen Frieden nicht stören. Was nun geschieht ist der oben bereits angedeutete Angriff auf uns Menschen.

Der Abbau der sozialen Absicherungen ist ein Mittel um den Arbeitszwang durchzusetzten. Je weniger Sozialabsicherungen es gibt, desto mehr sind wir gezwungen jede Arbeit zu übernehmen, desto weniger können wir auf die Bedingungen Einfluss nehmen. Die Wirtschaft freut sich über den enstehenden Billig-Lohn-Sektor. Davon sind nicht nur die Millionen Erwerbslosen betroffen, sondern alle. Welcher Arbeitgeber ist schon so doof viel Geld fuer einen Arbeitsplatz zu bezahlen, wenn er auch genausogut wenig bezahlen kann?

Es ist klar, dass der einfache Blick auf "Sozialabbau" in den anstehenden Auseinandersetzungen zu kurz greift. Arbeit wird zu einer zentralen Frage. Bisher definieren Wirtschaft und Politik wie wir in Zukunft arbeiten werden, das können wir nicht hinnehmen. Protest gegen diese Entwicklungen ist wichtig, doch wir sollten dabei nicht vergessen Ideen, Projekte und Experimente zu entwickeln, um - wie es auch in den Aufrufen der verschiedenen Organisationen zum 1.11. heisst - unser Leben in die eigene Hand zu nehmen.


WIDERSTAND IN EINZELNEN STÄDTEN:



- Darmstadt:
verschiedene Aktionen

- Würzburg:
Anti-AGENDA2010-Kampagne in Würzburg (06.09.2003)

- Fürth:
Blauer Freitag für Bundesanstalt für Arbeit (12.09.2003)

- Saarbrücken:
Saarbruecker Buendnis gegen die Agenda 2010 (27.09.2003)

- Kassel:
Wiederstand gegen Sozialabbau in Kassel (26.09.2003)

- Recklinghausen:
Arbeitsamt, Widersprueche steigen, Leistungkuerzungen (07.05.2003)

- Berlin:
Besetzung für ein Soziales Zentrum Berlin (09.10.2003)
Berlin-Pankow gegen Sozialabbau (01.10.2003)

- Stuttgart:
PROTESTE BEI DAIMLERCHRYSLER UND PORSCHE (10.10.2003)

- Münster/Osnabrück:
Goldener Geldsack an Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. überreicht (30.09.2003)


AUFRUFE ZUR DOKUMENTATION:

Aufruf des Anti-Hartz-Bündnisses NRW:

Gemeinsam gegen Niedriglöhne und Sozialkahlschlag!
Bundesweite Demonstration am 1. November in Berlin!

Derzeit finden unter den Namen Hartz, Rürup und Agenda 2010 in der Geschichteder Bundesrepublik beispiellose Angriffe auf die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland statt. Dagegen wehren wir uns!

Staatskassen sind leer gemacht worden!

Erst sind die Staatskassen sind leer gemacht worden, indem den Reichen Steuergeschenken in Höhe von Hunderten von Milliarden Euro gemacht wurden und werden! Und die Sozialkassen sind geleert worden, indem der größte Teil der Kosten der Wiedervereinigung aus ihnen finanziert wurde und wird. Und dafür sollen wir jetzt auch noch mehr zahlen! Nein!

Das Geld ist da, aber es ist in den falschen Händen!

Der größte Teil der Staateinnahmen wird heute von den Arbeitenden aufgebracht, während die Reichen und die Konzerne weniger und weniger Steuern zahlen, nicht mehr zur Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben beitragen!

Wir fordern:
- Wiedereinführung der Vermögenssteuer; Erhöhung der Steuersätze für Spitzenverdiener, z.B. Manager von Konzernen;
- daß auch milliardenschwere Konzerne wieder Steuern zahlen, wieder ihren finanziellen Beitrag zur Gesellschaft leisten;
- Weg mit dem „Solidaritätszuschlag“, statt dessen Vermögensabgabe von den Reichen!

Her mit dem schönen Leben für Alle!

Wir engagieren uns für Arbeitszeitverkürzung und Abbau von Überstunden, damit die vorhandene Arbeit auf alle verteilt wird. Wir engagieren uns für die Erhaltung sozialer Errungenschaften! Ein besseres Leben für alle ist möglich! Dafür setzen wir uns ein! Ein besseres Leben für Ältere und Jüngere, für Beschäftigte und Arbeitslose!

Hartz & Co bedeuten: Schlechter leben!

Die Pläne von Hartz, Rürup und die Agenda 2010 bedeuten ein schlechteres Leben für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, für die Menschen mit Arbeit genauso wie für die Arbeitslosen!

Wir lehnen die Hartz-Pläne, die Rürup-Pläne, die Agenda 2010 vollständig ab.

Die Hartz-Pläne und -Gesetze schaffen keine neuen Arbeitsplätze, sondern vernichten feste Arbeitsplätze, die in Leiharbeitsplätze umgewandelt werden Dort werden die Beschäftigten schlechter bezahlt als bisher, sind nahezu rechtlos, können jederzeit weggeschickt werden.

Mit der Streichung der Arbeitslosenhilfe werden Arbeitslose gezwungen, jede noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen. Das führt dazu, daß die derzeit Beschäftigten gekündigt und statt dessen billigere Arbeitslose oder Leiharbeiter eingestellt werden. Für Löhne und Gehälter bedeutet das eine Abwärtsspirale ohne Ende.

Rürup bedeutet Enteignung der Rentner: Renten sind Versicherungsleistungen, für die über Jahre und Jahrzehnte hin hohe Beiträge gezahlt worden sind. Rentenkürzung bedeutet Enteignung! Die Erhöhung des Rentenalters auf 67, wie es in den Rürup-Plänen vorgesehen ist, bedeutet eine Rentenkürzung von etwa 20% - für die wenigen, die solange arbeiten (können), wie auch für die, die vorher verschlissen sind. Die Verlängerung der (Lebens-)Arbeitszeit führt einer weiteren Erhöhung der Arbeitslosigkeit.

Die Agenda 2010 bedeuten: Mit der Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld werden den Menschen Versicherungsleistungen genommen, für die sie über Jahre und Jahrzehnte hin hohe Beiträge für die Arbeitslosenversicherung bezahlt haben. Den Reichen, den Unternehmen wird noch mehr Geld nachgeworfen, denn die Kosten für die Krankenversicherung werden noch mehr als bisher den Beschäftigten aufgebürdet. Hinzu kommen Eintrittsgeld beim Arzt und viele weitere Belastungen für Normal- und Niedrigverdiener.

Jugendliche sind massiv betroffen, denn Studiengebühren und fehlende Ausbildungsplätze für Jugendliche gehören auch in den Bereich Zerschlagung sozialer Errungenschaften!

Alle Betroffenen - Arbeiter, Angestellte, Erwerbslose, Frauen, Jugendliche und Rentner - sind aufgerufen:
Nehmen Sie Ihre Interessen in die eigene Hand!

Bauen Sie örtliche und regionale Bündnisse auf gegen Hartz & Co., für die Erhaltung sozialer Errungenschaften!

Organisieren Sie am Montag, den 20.10. regionale Aktionstage in Betrieben, Städten und Orten!
Auf zur bundesweiten Demonstration am 1. November 2003 in Berlin!

Start in Berlin: 13 Uhr Mollstr. / Alexanderplatz
Abschlußkundgebung: Platz des 18. März


Aufruf des Allgemeinen Syndikats in der FAU Berlin:

Aufruhr 2010
Ist die Wirtschaft für den Menschen da, oder der Mensch für die Wirtschaft? Schaut man sich um, wird diese Frage von den Tatsachen beantwortet. Der Mensch scheint nur auf der Welt herumzulaufen, damit es der jeweiligen Firma und dem Standort gut geht.
Im Namen der Wirtschaft und des Standorts Deutschland werden die Renten gekürzt, wird die Gesundheitsversorgung verschlechtert, werden Arbeitslosengeld und -hilfe zusammengestrichen.
Der Wirtschaft ist es egal, wenn die Großeltern mangels künstlichen Hüftgelenks nicht mehr auf die Straße gehen können, oder wenn sich die Enkel wegen ihrer verfaulenden Zähne nicht mehr trauen, einander anzulächeln.

Im Namen der heiligen Wirtschaft und des Standorts Deutschland, dessen Wohl alle - ob SoziahilfeempfängerIn oder MillionärIn - vereint, wird gerade der Klassenkompromiss der alten BRD einseitig gekündigt. Der Deal, den man ungefähr auf die Formel "Ihr kriegt einigermaßen hohe Löhne, könnt euch das Auto das ihr produziert habt, dann auch selber kaufen, dafür haltet ihr den Mund" bringen kann, erweist sich als Auslaufmodell.
Was nun? Jammern, dass der schöne Sozialstaat langsam aber sicher verschwindet?
Wenn nicht alles täuscht, dürften Auseinandersetzungen um Gehalt, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen in Zukunft schärfer werden. Die gesetzlichen Regelungen zugunsten der ArbeiterInnen werden Stück für Stück abgeschafft. Die real existierenden, staatstragenden Gewerkschaften sind weder in der Lage, dies, noch die Umwandlung bisher tariflich abgesicherter Arbeitsverhältnisse in ungeschütze Jobs zu verhindern. Sie stehen wie hilflose Zuschauer da. Zugleich sind sie derart auf einen freundlicheren Kapitalismus eingerichtet, dass sie oft kaum eine Ahnung von den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der ungesicherten ArbeiterInnen haben. Diesen tritt der Kapitalismus ungeschminkter, das heißt gewalttätiger gegenüber. Tarife sind ein komisches Ding aus einer anderen Zeit, und wer sich beschwert, kann die Schrippen eben woanders verdienen. Besonders drastisch tritt das schon heute bei illegalisierten ArbeitsmigrantInnen zu Tage, für die besagter Klassenkompromiss sowieso noch nie Geltung hatte.
Hier ist das Maß der Ausbeutung nicht durch Gesetze eingeschränkt, und Auseinandersetzungen um ausstehende Löhne werden oft mit körperlicher Bedrohung oder Gewalt ausgetragen. Was bei "Illegalen" besonders drastisch ist, gilt in abgeschwächter Form aber für alle Arbeitsverhältnisse, die außerhalb des Bereichs stehen, in dem das Modell BRD noch zu funktionieren scheint. Ohne die Vermittlung der staatstragenden Großgewerkschaften sind ArbeiterInnen wie Erwerbslose (die Übergänge sind fließend - vor allem bei prekären Jobs) zur Selbsthilfe mittels direkter Aktion gezwungen. Da nichts zwischen ihnen und dem Management steht, können nur sie selbst für wenigstens erträgliche Lebens- und Arbeitsbedingungen sorgen. Damit ArbeiterInnen solche Auseinandersetzungen auch gewinnen können, müssen sie kommunizieren, Solidarität und Formen von Organisation entwickeln. Etwas Neues muss entstehen!

Wer sind diese ArbeiterInnen?
Wir, mit unseren wechselnden Jobs und unseren Sorgen, wo die Kohle für die nächste Miete herkommt. Wir, mit unserem Gerenne von einem Amt zum Bewerbungstermin zum nächsten Amt und zum 1.50 Euro-Job. WIR! - Dieses wir schließt jobbende Studierende genauso ein wie illegalisierte BauarbeiterInnen aus dem Sudan, polnische Reinigungskräfte genau wie IT-Jobber, McDonalds-Küchenkräfte wie Grafik-DesignerInnen, von Prekarisierung bedrohte StahlarbeiterInnen wie SozialhilfeempfängerInnen. Dieses wir schert sich nicht um den Standort Deutschland - Ländergrenzen und "ethnische Konflikte" sind für uns nicht von Belang. Das Neue, was wir als schlichte Selbstverteidigung brauchen, können wir nur selbst erschaffen.

Demonstrieren!
Uns ist klar, dass Demonstrationen den selbstorganisierten Widerstand in den Jobs, auf den Ämtern und im Stadtteil nicht ersetzen können. Wir sind uns bewusst, dass die Befreiung von den kapitalistischen Zwängen nur stattfinden kann, wo das Leben spielt. Nur hier können wir bewirken, dass die Wirtschaft für die Menschen da ist, und nicht umgekehrt, dass die Möglichkeiten ungeheurer Produktivität für alle gleichermaßen nutzbar werden (20-Stunden-Woche jetzt! - bei vollem Lohnausgleich, versteht sich).
Unsere Emanzipation von kapitalistischer Herrschaft geschieht nicht durch das Schwenken von Fahnen, auch nicht, wenn diese schwarz und rot sind. Demonstrationen sind immerhin eine Möglichkeit, zu zeigen, dass wir da sind, dass es uns gibt. Entscheidend ist es, den menschenfeindlichen Verrücktheiten der kapitalistischen Ökonomie Paroli zu bieten.

Denn: ob 5 Minuten mehr Pause oder Weltrevolution - wir kriegen nur, wofür wir kämpfen!
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Ergänzungen

Teilweise heftige Reaktionen

Mr.X 31.10.2003 - 23:44
Gerechnet wird mit 10.000 bis 20.000 Teilnehmern.

Während die neoliberale Sozialabbau-Partei PDS und Gewerkschaftsspitzen die Proteste vereinnahmen wollen (vergl.: "PDS-Spitze bei Demonstration am 01. November in Berlin dabei"
 http://www.pressrelations.de/index.cfm?start_url=http%3A//www.pressrelations.de/search/release.cfm%3Fr%3D138105%26style%3D), kommen von den Grünen sehr feindseelige Reaktionen:
"Polemisch und "politikunfähig" seien die Globalisierungskritiker, sagte Grünen-Chefin Angelika Beer. Attac unterscheide nicht zwischen den Plänen der Union und der rot-grünen Modernisierung des Sozialstaats. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Attac Sektierertum vor und bezeichnete die Demonstranten als "Besitzstandswahrer"."
Aus:  http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/?cnt=331969

Weitere Presse-Berichte:

Das Neue Deutschland schreibt:
 http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=43776&IDC=16

Springers "Berliner Morgenpost" sieht das so:
 http://morgenpost.berlin1.de/inhalt/berlin/story638641.html

Junge Welt:
 http://www.jungewelt.de/2003/11-01/018.php

Der konservative Berliner Tagesspiegel:
 http://www.tagesspiegel.de/pubs/aktuell/pageviewer.asp?TextID=32300

Der RBB:
 http://www.orb.de/nachrichten/nachrichten.jsp?activeid=237&key=news1234848

Foto-Impressionen von der Demo in Berlin!

Bernd Kudanek alias bjk 02.11.2003 - 18:08


meine Eindrücke als Foto-Bericht

seht einfach hier rein:

 http://bjk.ag.vu/s47758.html

SPD Bundesparteitag in Bochum

buchum 06.11.2003 - 10:40
Vom 16.-19. hat die SPD diverse Tagungen und Gremiensitzungen, u.a. ihren großen Bundesparteitag; verschieden Gruppen wollen gegen diese Veranstaltung unter dem Motto "Bundesparteitag lahmlegen" dagegen vorgehen.
infos:  http://www.bo-alternativ.de

Fotoreportage Unterwegs gegen Sozialabbau

Ralph 29.04.2004 - 11:50
38 Bilder zur Kölner Demo am 3.4.04
 http://segert.net/sozialabbau/