Vier Richter des Pennsylvania Supreme Court haben gerade ihr wahres Gesicht gezeigt: Rückschlag für Mumia Abu-Jamal

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Der Pennsylvania Supreme Court (PASC) stoppte Mitte der Woche Mumia Abu-Jamals Revisionsverfahren. Noelle Hanrahan von Prison Radio veröffentlicht regelmässig Radiobeiträge des seit 1981 (!) gefangenen Journalisten. Sie kommentierte am 26. Februar 2020 die gerichtliche Willkür. Michael Schiffmann vom Bundesweiten FREE MUMIA Netzwerk hat ihren Komentar übersetzt.

 

Gericht stimmt Antrag der FOP zu

 

Vier Richter des Pennsylvania Supreme Court haben gerade ihr wahres Gesicht gezeigt: Rückschlag für Mumia Abu-Jamal

 

In einem unverfrorenen Versuch, das Recht auf den Kopf zu stellen, habe die vier Richter und Richterinnen David N. Wecht, Christine Donohue, Kevin M. Doherty und Sally Updike Mundy1 vom Pennsylvania Supreme Court dem Antrag des Fraternal Order of Police (FOP) auf obergerichtliche Prüfung (King’s Bench Petition) entgegengenommen, in dem verlangt wird, dass das Gericht dem Bezirksstaatsanwalt in Philadelphia die Zuständigkeit entzieht. Das Gericht lässt nun die Beschuldigung untersuchen, der Staatsanwalt würde für Mumia Partei ergreifen.

 

Jetzt soll ein „Sonderexperte“ die Beschuldigung der Parteilichkeit in der Staatsanwaltschaft des Antikorruptionskämpfers Larry Krasner untersuchen.

 

Das kann ja wohl nur ein ganz schlechter Witz sein. Es war die alte Garde des rassistischen Strafverfolgungsregimes in Philadelphia – Frank Rizzo, Ed Rendell, Joe McGill und Lynne Abraham –, die parteiisch und korrupt war!

 

Philadelphias progressiver Bezirksstaatsanwalt Larry Krasner hat keine Einwände gegen eine neue Beweisanhörung in Mumia Abu-Jamals Fall erhoben, auf der von der früheren Staatsanwaltschaft unterdrücktes Beweismaterial zugunsten Mumias untersucht werden kann. Richter Leon Tucker vom Prozessgericht in Philadelphia hat die früheren Anklagevertreter scharf für ihren Versuch, Beweismaterial buchstäblich verschwinden zu lassen, getadelt.

 

Man fragt sich, wer dieser Sonderexperte wohl sein soll? Ein Vertreter der FOP? Ein ehemaliger Bezirksstaatsanwalt?

 

Dieser Schritt ist ein Schlag gegen die Bewegung für staatliche Rechenschaftspflicht, die zur Wahl Krasners geführt hat. Mit dieser Wahl hat die Bevölkerung sich gegen die tief eingefleischte Korruption der Polizei gestellt. Hier wird versucht, der Demokratie vor Ort den Boden zu entziehen.

 

Der Antrag der FOP fordert einen so genannten „außerordentlichen Rechtsbehelf“ und begründet dies mit der Behauptung, Krasners Entscheidung, sich Mumias Bemühungen um einen neuen Prozess nicht entgegenzustellen, sei in irgendeiner Hinsicht korrupt. Ein „außerordentlicher Rechtsbehelf“ ist eigentlich Situationen vorbehalten, in denen der Pennsylvania Supreme Court dafür sorgen muss, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird.

 

Aber bei dieser Entscheidung ist genau das Gegenteil der Fall. Diese „Intervention“ des Gerichts riecht nach einem Vertuschungsmanöver – bis zum neuen Bezirksstaatsanwalt Krasner und Richter Tucker war jeder Schritt in Mumias Verurteilung und in seinen Berufungsversuchen durch und durch von rassistischer Korruption gekennzeichnet. Wenn es dem Pennsylvania Supreme Court um Gerechtigkeit ginge, hätte er den jetzigen Schritt schon vor langer Zeit durchgeführt, als Richter Sabo, Bürgermeister Rizzo und Bezirksstaatsanwalt Rendell noch das Heft in der Hand hatten.

 

Jetzt suggerieren sie, Krasner könnte für Mumia parteiisch sein, weil er der Verteidigung neu entdecktes Beweismaterial gab, das der vorherige Bezirksstaatsanwalt verschwinden ließ. Kafka könnte es nicht besser machen.

 

Als Mumia – und all die anderen schwarzen und braunen Männer und Frauen – drangsaliert und in die Mühlen des gefängnisindustriellen Komplexes gesteckt wurden – wo war diese ganze Aufsicht und Kontrolle?

 

Wir müssen uns immer daran erinnern, wie stark ihr Wunsch ist, Mumia im Gefängnis zu halten. Je stärker wir werden, je näher Mumias Freiheit rückt, desto mehr haben sie zu verlieren. Denn dann müssen sie Rechenschaft ablegen. Wir werden bald wissen, wie groß die Korruption ist, die zwischen uns und Mumias Freiheit steht. Schließt euch uns an.

 

Macht euch auf den Weg, habt Mut zu siegen.

 

Für Prison Radio: Noelle Hanrahan, 24. Februar 2020

 

 

 

Links:

 

King’s Bench Petition des FOP

 

 

Richter Tuckers Zusatzentscheidung zu Mumia Abu-Jamal, 26. März 2019

 

Entscheidung des Pennsylvania Supreme Court zu Bestellung eines Sonderexperten

 

 

 

1 Die Richter Baer und Saylor und Richterin Todd nahmen nicht an der Entscheidung teil.

 

 

 

 

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Ergänzungen

Ausgabe vom 02.03.2020, Seite 6 / Ausland

Free Mumia Abu-Jamal!Fall eingefrorenUSA: Berufungsverfahren von Mumia Abu-Jamal »ausgesetzt«. Entlassung von Bezirksstaatsanwalt gefordertVon Jürgen Heiser 

Im Berufungsverfahren des US-Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal hat der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias am vergangenen Montag eine Entscheidung getroffen, die erneut zeigt, dass in diesem Fall das »Mumia-Ausnahmerecht« die Regel ist. Lapidar heißt es in dem halbseitigen Beschluss, »alle anhängigen Angelegenheiten in Erwartung weiterer Maßnahmen dieses Gerichts« seien »ausgesetzt«. Zudem werde in Kürze ein »Special Master«, eine Art »Jurist mit Sonderaufgaben«, ernannt, der das Verfahren »untersuchen und diesem Gericht Empfehlungen geben« solle. Mit anderen Worten: Dem seit Ende 1981 um seine Freiheit kämpfenden politischen Gefangenen wurden seine Rechte per sofortigem Vollzug für unbestimmte Zeit entzogen.

Und was soll der »Special Master« ausrichten? Vor zwei Jahren kam ein Dokumentarfilm in die Kinos, der die Arbeit des US-Anwalts Kenneth Feinberg beleuchtete, der als ein solcher »Special Master« für die US-Regierung »diffizile Probleme« verhandelt. ­»Playing God«, lautet der vielsagende Titel des Films. Die Wochenzeitung Jüdische Allgemeine nahm sich damals in ihrer Onlineausgabe kritisch der US-Rechtsinstitution des »Special Masters« an und nannte den Begriff einen »Euphemismus für einen, der den Mächtigen die Drecksarbeit abnimmt«.

Wird das auch die Aufgabe des »Special Master« in Abu-Jamals Fall sein? Es scheint so, denn laut dem Philadelphia Inquirer soll diese angeblich »neutrale« Instanz ermitteln, ob der Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia, Lawrence »Larry« Krasner, sich in einem »Interessenkonflikt« befindet und ob er bei den »Berufungen im Fall des verurteilten Polizistenmörders« Abu-Jamal nicht mehr tätig sein dürfe.

Das jedenfalls verlangt Maureen Faulkner, die Witwe des 1981 unter bis heute gerichtlich nicht aufgeklärten Umständen getöteten Polizeibeamten Daniel Faulkner. Für sie und den rechten Berufsverband »Fraternal Order of Police« (FOP), mit dem sie seit Jahrzehnten Stimmung für die Todesstrafe und gegen »Cop Killer« macht, kann es nur einen Täter geben: Mumia Abu-Jamal. Auch wenn längst klar ist, dass er nicht Mörder, sondern Opfer des bekanntermaßen gewaltbereiten Daniel Faulkner war, dem seine Uniform erlaubte, seinen rassistischen Hass gegen Schwarze auszuleben.

Die Entscheidung des »Pennsylvania Supreme Court« folgt einem Antrag, den Maureen Faulkner im vergangenen November stellte. Noch schieben die Richter jedoch die »endgültige Entscheidung über die Begründetheit von Faulkners Antrag« auf. Sie hatte gefordert, der Gerichtshof möge in Abu-Jamals Fall umgehend »Bezirksstaatsanwalt Krasner ablösen« und »den Generalstaatsanwalt mit der Handhabung der Berufungsanträge« beauftragen. Als Grund gab Faulkners Anwalt George Bochetto an: Krasner sei einer von mehreren »Bewegungsanwälten« gewesen, die »Protestierende verteidigten, die während des Republikanischen Nationalkonvents 2000 in Philadelphia wegen Übergriffen auf die Polizei und Vandalismus verhaftet wurden«. Diese Demonstranten seien »auch Unterstützer Abu-Jamals« gewesen, »die seine Freilassung gefordert« hätten.

Was Faulkner und die FOP so gegen Krasner aufbrachten, war Abu-Jamals Erfolg nach langen Jahren des zähen juristischen Kampfs: Ende 2018 räumte Richter Leon Tucker vom Staatsgericht in Philadelphia ihm das Recht ein, abgelehnte Berufungsanträge der Jahre 1998 bis 2014 vor dem Obersten Gerichtshof neu verhandeln zu lassen. Wogegen nach einigem Zögern sogar der neugewählte Bezirksstaatsanwalt Krasner keine Rechtsmittel mehr einlegte. Das war allerdings eine bemerkenswerte Wendung nach Jahrzehnten der Beweismanipulationen durch seinen Vorgänger und nach einem Interessenkonflikt des Exchefanklägers Ronald Castille, der dann 1998 als Richter eben jenes Gerichtshofs Abu-Jamals Berufungsantrag ablehnte, sich aber nicht für befangen hielt.

Für die FOP war Krasners Einlenken ein Verrat. Wütende Polizisten marschierten vor dessen Amtsgebäude auf und forderten seinen Rücktritt. FOP-Anwalt Bochetto behauptete vergangenen Montag laut Nachrichtenagentur AP, Krasner und Abu-Jamal seien »offenbar froh darüber, Seite an Seite durch das Gerichtsverfahren zu marschieren«. Die »ethische Krise«, nämlich das Leid seiner Mandantin, könne »niemals juristisch gelöst werden«, wenn »dieses Gericht jetzt nicht handelt«. Vom Beschluss des Gerichtshofs schien selbst Bochetto überrascht, denn er nannte ihn nicht nur »sehr bedeutsam«, sondern auch »ungewöhnlich«. Als »Special Master« erwarte er nun jemanden »mit erheblicher staatsanwaltlicher Erfahrung«, der alle »Aktivitäten Krasners durchleuchten« müsse.

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(Freie Radios) USA: Pennsylvania Supreme Court stoppt Mumia Abu-Jamals Revision - Interview mit Michael Schiffmann vom Bundesweiten FREE MUMIA Netzwerk (1.03.2020)

Mitte vergangener Woche stoppte das Oberste Gericht des US Bundesstaates Pennsylvania in ungewöhnlicher Art und Weise das laufende Revisionsverfahren des seit 1981 (!) inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal.

Wir sprachen mit Michael Schiffmann vom Bundesweiten FREE MUMIA Netzwerk ( http://freiheit-fuer-mumia.de/ ) über die Vorgänge und fragten, was dieser juristisch äusserst merkwürdige Vorgang seiner Meinung bedeuten könne. Er gab uns nicht nur überraschende Antworten sondern verwies auch auf eine Inforundreise, die Johanna Fernandez, die Sprecherin von Mumias Verteidigung in den nächsten Wochen in der Bundesrepublik durchführt.

Beitrag hier hören

weitere Informationen zu dem ungewöhnlichen Vorgehen des Pennsylvania Supreme Court

weitere Informationen zur Rundreise von Johanna Fernandez

Bilder: 

(Video - Achtung YOUTUBE) Mumia Abu-Jamal vs Fraternal Order of Police (February 29, 2020)

https://www.youtube.com/watch?v=xpV1zWlCIu4