Bericht: Free Mumia - Free Them All! Demo zur Berliner US Botschaft

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Free Mumia - Free Them All!

Ca. 100 Menschen versammelten sich gestern am frühen Abend am Berliner Alexanderplatz, um trotz eisiger Kälte am 41. (!) Haftjahrestag die Freiheit des afroamerikanischen Journalisten und Black Panther Mumia Abu-Jamal zu demonstrieren. Am 9. Dezember 1981 war Mumia in Philadelphia (Pennsylvania, USA) von der Polizei niedergeschossen und anschließend schwer gefoltert worden. Sogar in der Notaufnahme des Krankenhauses, in dass er nach langer Zeit eingeliefert worden war, wurde er in dieser Nacht weiter von Uniformierten gefoltert. Er hätte aus Sicht der Polizei damals ein weiteres Opfer der tödlichen Gewalt durch Beamte werden sollen, die beinahe täglich 3 Menschen in den USA umbringt. Aber Mumia überlebte einen Lungendurchschuß und die massiven Schläge sowie die anschließenden Haftbedingungen bei Minusgraden in der U-Haft. Kurz darauf wurde er angeklagt, einen der beteiligten Schläger, den Beamten Daniel Faulkner erschossen zu haben.

In einem politischen Schauprozeß wurde er im Sommer 1982 zum Tode verurteilt. Dieses Verfahren ist oft und detailiert beschrieben worden. Eine von vielen zutreffenden Beobachtungen darüber veröffentlichte Amnesty International im Jahr 2000, als sie feststellten, dass Mumias "Verfahren von politischen Interessen durchzogen war und nicht die internationalen Mindeststandards zur Gewährleistung fairer Verfahren erfüllte." Das klingt etwas verklausuliert. Wir nennen es rassistische und politische Klassenjustiz, aber es beschreibt eigentlich das selbe. Um die manipulierten Zeug*innenaussagen und fabrizierten Beweise sowie den rassistischen  Ausschluß von potentiellen Juror*innen damals geht es noch immer in den aktuellen juristischen Bemühungen, nach 41 Jahren endlich eine Widerholung des Verfahrens durchzusetzen.

Wer ist Mumia Abu-Jamal und warum gehört er zu den Gefangenen in den USA, die so eine harte Repression durchleben müssen?

Mumia gründete 1968 in seiner Jugend zusammen mit anderen die Ortsgruppe der  Black Panther Party (BPP) in Philadelphia. Seitdem arbeitete er als Journalist, zunächst für die us-weit erscheinende BPP Zeitung "The Black Panther" und später für diverse Radiosender im Delaware County, also dem Einzugsbereich der US Bundesstaaten Pennsylvania und New Jersey. 1,5 Jahre vor seiner Festnahme und dem untergeschobenen Mord begann er für den us-weiten Nachrichtensender NPR zu arbeiten und leitete darin die Redaktion für Pennsylvania. Gleichzeitig war er gerade Philadelphias Vorsitzender der Afroamerikanischen Journalist*innenvereinigung geworden, als er festgenommen wurde. Charakteristisch für seine Arbeit war, dass er entgegen damaligen und heutigem Verhalten der allermeisten "professionellen" Journalist*innen keine Hofberichts- oder Gefälligkeitsberichterstattung machte, sondern Rassismus, Ausbeutung und Polizeigewalt klar beim Namen nannte. In den afroamerikanischen Gemeinden des Delaware Countys hatte er  bereits damals den Ehrennamen "The Voice of The Voiceless" (die Stimme der Unterdrückten) erhalten. Es gibt Fernsehaufzeichnungen von 1981, in der der ehemalige Polizeichef und damalige Bürgermeister Frank Rizzo ihn offen auf einer Pressekonferenz wg. seiner kritischen Nachfragen bedrohte und ankündigte, das zu beenden ...

Kurz vor seiner Festnahme beendet er durch seine Berichterstattung die Karriere eines rassistischen Richters und brachte den Bürgermeister und die Polizei Philadelphias in arge Bedrängnis wg. ihres gewalttätigen Verhaltens. Nur 3 Tage nach seiner Verurteilung 1982 nahm das FBI 15 der insgesamt 25 an seinem Vefahren beteiligten Beamten fest, weil sie unter Gewaltanwendung bei Festnahmen und durch Korruption Beweise manipuliert hatten, um Verurteilungen zu erreichen ... Die Stadt Philadelphia sowie der Bürgermeister wurden ebenfalls angeklagt und verurteilt, massiv Polizeigewalt gegen Minderheiten zu dulden und zu fördern ...

Es überrascht vor diesem Hintergrund vermutlich nicht, warum Mumia neben Leonard Peltier einer der bekanntesten politischen Gefangenen in den USA ist. Natürlich gibt es noch viele andere, auch aus dieser Zeit. Als Mumia vor einigen Jahren fast an medizinischer Nichtbehandlung im Knast gestorben wäre, waren es neben den länderübergreifenden Solidaritätsgruppen vor allem die damals grade neu entstandende Black Lives Matter Bewegung, die in 31 US Städten Solidaritätsaktionen organisierte. Die damals noch sehr jungen Aktivist*innen erklärten über den zur der Zeit 63-jährigen Abu-Jamal völlig zutreffend: "Die Gefängnisbehörde von Pennsylvania versucht durch Verweigerung lebensnotwendiger Medikamente einen Autoren unserer Bewegung umzubringen" und setzte sich erfolgreich für seine Behandlung ein.

Auch wenn es der politischen Herrschaftsklasse in Philadelphia gelungen ist, dem unermüdlichen Journalisten Abu-Jamal bisher 41 Jahre seines Lebens zu klauen, haben sie eins jedoch nie erreicht: ihn zum Schweigen zu bringen. Mumia gehört seit über 10 Jahren zu den am meisten veröffentlichten Journalisten der USA, hat bereits 11 Bücher und ca. 4500 Radiokolumnen veröffentlicht, die inzwischen wöchentlich von mehreren Millionen Menschen in den USA (u.a. auf den 62 Radiosendern und 13 Fernsehstationen im Pacifica Network) und weltweit gehört oder gelesen werden.

Inzwischen ist Mumia den Umständen entsprechend gekräftigt, auch wenn klar ist, dass ein Gefängnis mit privatisierter Gesundheitsstation kein Ort für einen 68-Jährigen mit Diabetes-II, Herzbypässen und einer Leberzirrhose (verursacht durch die damals lange Zeit unbehandelte Hep-C) ist. Freiheit ist die einzige Medizin.

Genau das war der Grund für ca. 100 Berliner*innen trotz der eisigen Temperaturen ihre Komfortzone zu verlassen und sich an einer länderübergreifenden Aktionswoche zu beteiligen, die bereits am Mittwoch in Paris begann, Freitag in Berlin, Mexico City, London und Philadelphia fortgesetzt wurde und Samstag in Detroit sowie Oakland in der kalifornischen Bay Area fortgesetzt wird. Bereits im Oktober hatte die Maler*innengewerkschaft von Portland im US Bundestaat Oregon eine Solidaritätserklärung für Mumia veröffentlicht.

Neben Beiträgen über Mumia selbst in deutsch und englisch gab es auch Beiträge über Alter und Langzeitstrafen in den USA, über die staatsterroristische Todesstrafe, die nicht nur im Iran, Saudi-Arabien oder China sondern beinahe wöchentlich auch in den USA angewandt wird, sowie über die moderne Variante der Sklaverei (Gefängnisindustrie) sowie den Widerstand von Gefangenen und Abolitionist*innen dagegen. Zusätzlich gab es Beiträge über den seit dem 20. Oktober 2022 in Italien gegen Isolationshaft (41bis)  hungerstreikenden Alfredo Cospito (Aufruf für einen Aktionstag am 20.12.2022), die nach §129b angeklagten Antifaschist*innen Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik und die kurdischen Gefangenen in der BRD, mit deren Inhaftierung die Bundesregierung das türkische Regime und Natomitglied Türkei in seinem offenen Krieg gegen kurdische Selbstverwaltung unterstützt. Vor der US Botschaft sprach auch ein Unterstützer über den seit 1976 (!) inhaftierten indigenen Aktivisten Leonard Peltier, der gerade vom Long Walk for Justice aus den USA zurück gekehrt war. Zum Schluß gab es noch einen Ausblick über den am kommenden Freitag, den 16. Dezember in Philadelphia anstehenden Gerichtstag, wo es erneut um eine Verfahrenseröffnung für Mumia Abu-Jamal gehen wird. Der Redner zeichnete ein ausführliches Bild der juristischen Ausgangslage, war allerdings aufgrund der repressiven Klassenjustiz nicht sonderlich optimistisch über den Ausgang (Audio). Love Not Phear aus Philadelphia haben angekündigt, am 16. Dezember erneut vor dem Gericht in Philaldephia für Mumias Freiheit zu demonstrieren. Außerdem wurde auf das Berliner Silvester vorm Knast hingewiesen.

Die Demo war sehr lautstark und es wurden viele Transparente getragen. Hunderte von Flyern wurden am Rand verteilt und es schlossen sich sogar einige Passant*innen an.

Der Kampf um Freiheit geht weiter:

Free Mumia - Free Them All!

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Ergänzungen

Post an Gefangene hat zwei Funktionen:

 

a) zeigt es den Gefangenen, dass sie draußen nicht vergessen sind und gibt ihnen Kraft, den alltäglichen sozialen Krieg im Knast durchzustehen

b) zeigt es den Behörden, dass viele Leute auf den Gefangenen und die Vorgänge im Knast schauen und das bedeutet Schutz

 

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