Zurück nach Moskau
Das hier sollte eigentlich eine Ergänzung zu meinem Moskauer Reisetagebuch sein, das hier vor zehn Jahren in vier Teilen erschienen ist. Da die damaligen de.indy-Seiten archiviert sind, kann ich's leider nicht mehr dort direkt anhängen, wäre nett, wenn die Mods dort einen Link zu diesem Artikel installieren könnten. Ist doch nicht ganz uninteressant, wie sich die Geschichte weiterentwickelt hat, und ein paar Infos von damals sind auch überholt.
Das mit dem Visum geht nicht mehr ganz so locker wie damals, man muss sich hier zumindest ordentlich registrieren lassen. Was mich bei meinem letzten Besuch am meisten genervt hat, ist, dass sich jemand als GastgeberIn outen musste, aber wenigstens war das kostenlos. Es hätte noch eine datenneutrale Alternative gegeben, aber für die hätte so ne Agentur trotz vorheriger gegenteiliger Zusage 30 Euro wollen. Offensichtlich hat der Apparat doch mal gecheckt, dass ein Meldewesen nix bringt, bei dem wegen bürokratischer Hürden niemand an seinem wirklichen Wohnort registriert ist, deswegen wurde die Registrierungsprozedur deutlich vereinfacht und vor allem gebührenfrei gemacht. Ob das Register wirklich besser geworden ist, kann ich nicht beurteilen.
Die anarchistische WG von damals gibt's nicht mehr, die Hauptmieterin hat einen der Mitbewohner geheiratet und zusammen haben sie sich eine kleinere Wohnung gesucht. Ratte, die Ratte, soll sich während des Auszugs in eine Nachbarwohnung abgesetzt haben und dort adoptiert worden sein. Übrigens wurde auch der Diebstahl aufgeklärt, von dem ich geschrieben habe -- Iwan war's, der Wolgograder Skin, wobei ich mir nicht sicher bin, ob einer der anderen beiden (es waren ja drei Wolgograder Obdachlose in der WG) dabei nicht doch Schmiere gestanden hatte. Leider war's wohl auch so, dass der Vorfall das Klima in der WG vergiftet und so zu deren Auflösung beigetragen hatte. Iwan hat offenbar auch (aber wahrscheinlich erst später) Infos an die Bullen verkauft. Es kommt leider immer wieder vor, dass sich hier junge Leute auftragsweise von den Cops, Staatsschutz (E-Zentr) und Geheimdiensten anwerben lassen.
Was hat sich sonst noch geändert? Die Miliz heißt seit Medwedjews Amtszeit nun auch hier Polizei, und die Partei der Nationalbolschewisten ist auch längst verboten, auch wenn die Bewegung mit ihren absonderlichen Blüten in verschiedenster Form, teilweise sogar als Anhängsel von "Einiges Russland", weiterexistiert. Die Repression insbesondere im Zusammenhang mit Präsidentschaftswahlen ist ein bisschen gefährlicher geworden, auch wenn es immer noch ne Kluft zwischen den "normalen" Bullen und den Spezialeinheiten, die ein bisschen besser auf Zack sind, gibt. Ich würd mich auch nicht drauf verlassen, dass die Datenbanken so löchrig sind wie damals. Also kann durchaus sein, dass ne Aktion wie im dritten Teil der Serie geschildert heutzutage nicht ganz so glimpflich ausgeht, z. B. dass es dann bei der Ausreise Ärger gäbe. Und die russischen Indymedias sowie das Abolishing the Borders from Below (ABB) gibt's leider auch nicht mehr, aber auf avtonom.org findet Ihr viele Infos, teilweise sogar auf Englisch.
So, und hier noch die Links zu meinen Originalartikeln:
http://de.indymedia.org/2008/02/209012.shtml
http://de.indymedia.org/2008/02/209140.shtml
http://de.indymedia.org/2008/03/209281.shtml
http://de.indymedia.org/2008/03/209716.shtml