[Berlin] 250 Menschen auf der Demonstration „Stop all deportations“

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Am Sonntag, den 11.02. versammelten sich 250 Menschen um im Berliner Bezirk Wedding gegen die deutsche Abschiebepolitik zu demonstrieren. Es kamen selbstorganisierte und solidarische Gruppen, Einzelpersonen und Nachbar*innen, die der gemeinsamen Forderung nach einem sofortigen Abschiebestopp bei nasskaltem Wetter Ausdruck verliehen.

 

In Redebeiträgen, Sprechchören und auf Transparenten wurde zudem auf die Zusammenhänge zwischen der deutschen Asyl- und Migrationspolitik, Kapitalinteressen und gesellschaftlichem- sowie strukturellem Rassismus hingewiesen. Auf verschiedenen Ebenen sollen unterschiedliche ausgebeutete und unterdrückte gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Diese Spaltung machen wir nicht mit und versuchen dem, in unserer alltäglichen politischen Praxis, eine soziale und solidarische Alternative entgegenzuhalten.

 

Rassismus tötet Kapitalismus tötet! - Lasst uns Verbündete sein!

 

bastaberlin.de

 

 


 

Nachfolgend dokumentieren wir unseren Redebeitrag:

 

Wir sind von der Erwerbsloseninitative BASTA!. Wir sind eine selbstorganisierte Gruppe Arbeitsloser und prekär Beschäftigter. Täglich sind wir im Jobcenter, beraten und begleiten uns, verbünden uns. Wir begegnen regelmäßig den perfiden Praxen und der staatlich-rassistischen Gewalt der Berliner Behörden. Sei es, dass das Jobcenter vor dem nächsten Termin zur Aufenthaltsverlängerung bei der Ausländerbehörde (schonmal) „vorsorglich“ die Geldzahlung einstellt. Oder, dass Kindern die „nachgeholt“ wurden, die Kostenpauschale für Wintersachen verweigert wird. Deutschland ist ein kaltes Land – das lässt uns das Jobcenter offen und schamlos fühlen.

 

Für mehr Wärme in Kaltland – Ausreisebescheide verfeuern und Abschiebeflugzeuge einschmelzen!

 

Rund 30.000 Geflüchtete müssen in Berlin in Lagern leben, nahezu ohne Privatsphäre, oft ohne hygienische sanitäre Anlagen, ohne Küchen oder nur wenigen Kochgelegenheiten, ohne ausreichend Platz für die Bedürfnisse von Kindern oder gar der Möglichkeit zur Ruhe zu kommen. Die geplanten Asylrechtsverschärfungen stellen eine weitere Verschlechterung in Aussicht. Sie sehen die Unterbringung nach bayrischem Vorbild in sogenannten „AnkER-Zentren“ vor. (das heißt: Ankunft, Entscheidung und Rückführung). Diese kasernenähnliche Verwahrung verunmöglicht angemessene solidarische Begleitung zu Behördengängen, erschwert anwaltliche Unterstützung, verhindert Begegnungen und Teilhabe an Gesellschaft und stellt so de-facto eine totale Isolation dar. Grundlegendste Rechte bleiben den dort Untergebrachten verwehrt.

 

Bei BASTA* sagen wir: Keine*r geht allein zum Amt! Keine*r bleibt im Lager! Alle Bleiben!

 

Eine Wohnung zu finden und dann auch zu bekommen ist beinahe unmöglich. Umzugsgenehmigungen werden vom Jobcenter zu spät oder gar nicht ausgestellt. Hier besetzt die Behörde eine Schnittstelle zum rassistisch strukturierten Wohnungsmarkt. Das Ergebnis ist, dass über die Hälfte der geschätzten Wohnungslosen in Berlin geflüchtete Menschen sind. Wenn es allerdings darum geht Geld zu sparen, funktionieren kurze Behördenwege reibungslos.

 

Wenn z.B. eine Küche nicht nutzbar ist, dann informiert die Heimleitung sofort das Jobcenter, das seinerseits nun ebenso unmittelbar den Anteil für Ernährung aus dem Regelsatz der betroffenen Personen streicht. Das sind bei alleinstehenden Erwachsenen momentan ca. 160 Euro. Es wird am sogenannten „Existenzminimum“ gesägt wo es nur irgendwie geht. Keine Küche bedeutet kein Geld für Essen. Jetzt gibt es Sodexo. Sodexo liefert Essen und gibt Gutscheine für Lagerinsass*innen, Altenheime und Büros. Die Logik, die sich durch die gesamte Praxis zieht: Friss oder Stirb. Ist das Geld gekürzt, finden sich viele auf dem irregulären Arbeitsmarkt wieder, um über die Runden zu kommen: unbegrenzte Arbeitszeiten, fehlende Lohnzahlungen und Übergriffe am Arbeitsplatz sind nur einige Facetten der Entrechtung. Menschen sind dann vor allem (eins:) Kostenfaktor oder ausbeutbare Arbeitskraft.

 

Die nationalstaatlich-ökonomisch organisierte Gewalt die uns dahingehend unterwirft, dass wir unterbezahlter Arbeit nachgehen, dass das Einkommen zum Leben nicht reicht, dass Geflüchtete und Wohnungslose in Heimen einkaserniert sind, dass Wohnungen geräumt und Menschen deportiert werden, diese Gewalt sollen wir als alltägliche Normalität dulden. Diese Gewalt trifft uns in Form von staatlich organisierter Gewalt, doch wir wissen die Probleme dahinter heißen Rassismus, Armut und Kapitalismus!

 

Durch Medien und sämtliche politische Parteien wird ein Gefühl von Bedrohung und Konkurrenz verbreitet. Es wird eine Stimmung befeuert, die uns - geflüchtete und nichtgeflüchtete Ausgebeutete - gegeneinander ausspielen und das mehrheitsgesellschaftliche Nach-unten-Treten verstärken soll. Umso wichtiger ist uns, die Spaltungen und Konkurrenz nach Pass oder Alter oder Geschlecht oder Ausbeutungsgrad aufzuzeigen, nicht mitzumachen und ihnen mit Solidarität zu begegnen. Deshalb sind wir heute hier auf der Demonstration gegen alle Abschiebungen. Abschiebungen töten und sind die gewalttätigste Form der Verdrängung!

 

Abschiebungen sind das letzte Glied einer Verkettung von Rassismen, die geflüchtete Menschen und Nicht-EU-Migrant*innen in Deutschland vor allem erfahren, wenn sie arm, mittellos und auf Hilfe angewiesen sind. Rassismus beginnt mit dem Grenzübertritt, beginnt mit dem Ertrinken lassen im Mittelmeer, beginnt mit der neokolonialen Außenpolitik und Lagern auf dem afrikanischen Kontinent und endet oft mit der Abschiebung aus Europa. Wessen Kapital oder Arbeitskraft für den Wirtschaftsstandort Deutschland von Nutzen ist, darf häufig - zumindest vorübergehend - bleiben. Wem hingegen die Abschiebung droht und ihr entgehen will, dem bleibt meist nur der Rückzug in die Illegalität. Als linke, solidarische Menschen ist es wichtig zu versuchen, anstehende Abschiebungen zu verhindern, doch Erfolg bedeutet in der Regel, wenn sie verschoben werden können. Gerade aber für die Zeit nach der Einreise bieten sich Potentiale, für eine solidarische und soziale Praxis, die als Alternative zu staatlichen Strukturen fungieren kann. Jene Potentiale sollten wir nutzen.

 

Du bist nicht allein, es gibt Ladenlokale, Anlaufstellen, selbstorganisierte und solidarische Gruppen und Einzelpersonen im Kiez. Kommt, wenn Ihr Ärger mit dem Jobcenter habt zu BASTA! Berlin. Solidarität muss erfahrbar sein: Im Alltag auf Arbeit, in der Behörde, im Wohnhaus oder im Heim und auf der Straße. Wir haben gemeinsame Interessen, lasst uns Verbündete sein.

 

Rassismus tötet! Kapitalismus tötet! – Wir wollen Leben! BASTA!

 

 

 

 

 

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Ergänzungen

Beitrag hier hören

 

Am gestrigen Sonntag versammelten sich im Berliner Wedding ca. 300 Menschen trotz widriger Witterungsverhältnisse, um gegen das Abschieberegime der deutschen Behörden zu demonstrieren. Viele Geflüchtete schilderten eigene Eindrücke von der permanenten Bedrohung. Solidarische Initiaven berichteten über Ämterschikane und Möglichkeiten zur gemeinsamen Organisierung.

Radio Aktiv Berlin war mit dem Mikrofon vor Ort und berichtet in O-Tönen.