Das Ende einer Besetzung

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Am 15. Januar 2019 wurde das “Black Triangle” im Leipziger Süden geräumt. Seit Juni 2016 war es besetzt.Zu den dortigen Konflikten wurde in diesem Demonstrationsaufruf einiges geschrieben, dies soll hier nicht vertieft werden. Auch eine Reaktion auf den Aufruf, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Vielmehr möchte dieser Text in Erinnerung rufen, in welcher Zeit das “Black Triangle” entstanden ist.

Ende 2015 versuchte eine Initiative ein neues “soziales Zentrum” in Leipzig zu erstreiten – und scheiterte. Die Diskussion darüber wurde durchaus heftig geführt. Ein oft zu hörendes Argument war, dass Besetzungen heute nicht mehr möglich seien bzw. eine linke Szene für eine solche Auseinandersetzung nicht mehr stark genug sei. Auch auf das Bestehen der “Leipziger Linie” wurde verwiesen.

Während also ein Teil der Leipziger Szene sicher war, dass Besetzungen nicht mehr möglich seien, taten andere es einfach – und hielten damit mehr als zwei Jahre durch. Vielleicht wird – neben persönlichen Veranstaltungs- und Partyerinnerungen – langfristig einzig dies vom “Black Triangle” im Gedächtnis bleiben: Besetzungen sind möglich, auch in unserer Zeit. Besetzungen als politische Praxis sind somit kein Relikt der Vergangenheit.

Dieser Punkt allein wäre für eine entsprechende Reaktion auf die Räumung schon ausreichend gewesen. Sorgenfalten bereiten würde eine Wiederkehr der “Hausbesetzerinnenszene” in Leipzig sicherlich einem Repressionapparat, der lokalen Politik, der Stadtverwaltung und der Immobilienbranche. So verwundert es nicht, dass die Polizei sich nach der Räumung auf “Chaos” einstellte und in Bezug auf die Demonstration am Tag danach wie üblich von einer “Deeskalationsstrategie” ihrerseits log.

Tag X + 1

Recht früh wurde zu einer Demonstration in Connewitz für den Tag nach der Räumung aufgerufen. Einen ähnlichen Aufruf gab es in Leipzig schon einmal, zur Räumung des besetzten Hauses in Erfurt. Die Anzahl der damals eingekesselten Personen kommt denen von Januar 2019 auch recht nahe. Wurden bei der Tag-X+1-Demo im Jahr 2009 noch Fehler bei der Wahl des Startpunktes (Stockartstraße) gemacht, so fehlte es in diesem Jahr an fast allem, was sicherlich auch mit den Konflikten um das Squat zu tun hatte. Von einer “Endsolidarisierung der ‘Szene’ in Leipzig”, wie es einige Menschen in Rostock formulieren, kann aber bei mehr als 800 Menschen, die sich am 16. Januar 2019 zur Demo einfanden, keine Rede sein.

Seid ihr noch zu retten…

Früh wurde die Eskalationsstrategie der Polizei für diese Demonstration erkennbar. Wie schon seit Wochen kreisten auch an jenem Abend Polizeihubschrauber mehrere Stunden lang über den Leipziger Süden. Diese angebliche “Deeskalationsstrategie” der Polizei ist auch jährlich zu Silvester zu erleben. Zum vergangenen Jahreswechsel wurde sie gar überboten – mit zwei Hubschraubern, die zur Mittagszeit im Tiefflug über Connewitz kreisten, und einem Stadtteil, der mit mehreren Hundertschaften besetzt wurde.

Für die Demonstration für das geräumte “Black Triangle” wurde sogar ein Lichtmast aufgebaut, um den Park am Wiedebachplatz auszuleuchten. Ebenfalls ließ die Polizei immer wieder eine Kolonne Polizeifahrzeuge um den Platz kreisen – offenbar in der Hoffnung auf Vorfälle, die eine Auflösung der Versammlung begründen könnten. Mehrmals forderte die Polizei, dass sich eine verantwortliche Person bei ihr melden solle, welches eine Weile ignoriert wurde, bis sich nach einer knappen Stunde und ohne jede Absprache ein üblicher Selbstdarsteller bei der Polizei einfand. Offensichtlich gab es kein Interesse an einer Anmeldung der Demonstration, sonst wären die permanenten Anfragen der Polizei via Lautsprecherwagen auch nicht so lange ignoriert worden – dies interessierte den örtlichen Trinker von “Die Partei” aber nicht.

Auffällig war die absolute Planlosigkeit der Masse. Viele waren da, mehr aber auch nicht. So konnte die Polizei die Demonstration von Anfang an nach ihren Vorstellungen gestalten. Die Nebenstraßen wurden so gesichert, dass mögliche Bewegungen schnell unterbunden werden konnten. Gab es zu Beginn noch Spielraum für einen möglichen schnellen Ausbruch vom Platz, so war dies nach einer Stunde nicht mehr denkbar. Dies zeigte sich, als kurz vor 19 Uhr eine Personengruppe über die Bernhard-Göring-Straße in Richtung Innenstadt zu laufen versuchte. Polizisten riegelten die Straße mit einer Reihe aus Fahrzeugen ab – ein seit Jahren beliebtes Mittel in Leipzig.

Spätestens jetzt hätte klar sein können, dass abseits der Polizeistrategie nichts mehr möglich ist. Beim Losgehen verkündete der selbstberufene Anmelder, er habe sich mit der Polizei über die Route geeinigt. Weshalb so viele hundert Menschen einem vorbereiten Plan der Polizei folgten, blieb einigen unerklärlich. So wurde die Demonstration nach dem Connewitzer Kreuz immer kleiner. Es gab nur zwei Transparente und keine Ketten. Einen Schutz vor BFE-Greiftrupps, die oft wegen möglicher Pyrotechnik oder Vermummung in Demonstrationen eindringen, bestand nicht. Dabei hätte wenigstens dies als Form des Selbstschutzes vor Übergriffen durch die Polizei berücksichtigt werden müssen.

An der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straße/Kurt-Eisner-Straße durchquerte ein BFE-Zug dann einfach die Demonstration – und bekam die gewünschte Reaktion: Gegenstände flogen. Hiermit schloss die Polizei ihre letzten Vorbereitungen ab, hatte sie doch nun genügend “Straftatbestände” für ihren bereits geplanten Kessel gesammelt. Der Rest war nur noch Formsache. Der “Anmelder” führte die Demonstration geradewegs in den aufgebauten Kessel vor dem zentralen Polizeirevier der Stadt. Jegliche Form der Solidaritätsbekundung für die gekesselten Menschen wurde durch Platzverweise unterbunden. 182 Menschen wurden erkennungsdienstlich behandelt und dürfen mit Anzeigen rechnen. So hilf- und planlos hat sich die Szene in Leipzig schon lange nicht mehr gezeigt. Dies ist nicht ausschließlich mit internen Konflikten um das Black Triangle zu erklären. Vielmehr mangelte es an Organisierung und an Ideen, was eigentlich passieren soll und wie auf den Repressionsapparat reagiert werden will.

Was nun?

Leipzig hat einen Freiraum verloren, einen noch immer nicht aufgearbeiteten Konflikt behalten, und viele Menschen kaum eine Vorstellung davon, was sie auf einer Solidaritätsdemonstration eigentlich machen möchten außer einfach nur anwesend zu sein. Von einer Auseinandersetzung mit der Strategie der Leipziger Polizei, eine Szene mit Anzeigen aufzureiben und um jeden Preis die Kontrolle zu behalten, ganz zu schweigen. Es gäbe viel zu besprechen, wenn nicht alles so weiter laufen soll.

Eine Sammlung von Artikeln in diesem Jahr zum “Black Triangle”:

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