Protokoll linksunten-Verfahren 29.01.2020
Dieser Prozessbericht ist aus unseren Mitschriften aus dem Prozess entstanden.
Wir haben versucht diese so schnell es geht für euch aufzubereiten.
Erwartet bitte keinen abgerundeten Text. Auch im Gericht wird nicht konsequent an einem Themenstrang diskutiert, so passen manche Absätze nicht perfekt ins Textschema. Es konnten nicht alle Redebeiträge mitgeschrieben werden und es wurden auch sich wiederholende teils ausgelassen
-- Das Gericht ist vielmehr ein sich selbst sehr ernst nehmender chaotischer Haufen (in zugegebenerweise recht witzigen Kostümen), wo die Beteiligten andauernd wiederholend, durcheinanderreden. --
Ziel ist es Menschen, welche nicht im Gerichtssaal saßen die Möglichkeit zu geben eine Idee davon zu bekommen, was da drinnen bequatscht wurde.
Die Notizen und das Ausarbeiten ist nach bestem Gewissen erfolgt, jedoch kann es aufgrund von juristischer Laienhaftigkeit, falschverstandenem oder durcheinandergebrachten Erinnerungen auch fehlerhaft sein. Nach herschendem Rechtsverständnis wird im Gerichtssaal sowieso nur das gesagt, was nachher im offiziellen Protokoll steht, also nicht der folgende Text.
Auf eine Wertung wurde größtenteils verzichtet, viel Spaß im Durcheinander der Prozesses.
Prozessbericht
29.ter Januar 2020
Im Bundesverwaltungsgericht (BVG) wird die Klage gegen das Verbot des vom BMI (Bundesministerium des Inneren) konstruierten Vereins Linksunten.indymedia.org verhandelt.
Um das Gericht sind eine Vielzahl an Wannen aufgefahren und eine weiträumige Absperrung mit Hamburger Gittern aufgestellt.
Ab 8:30 werden an einem Zugang durch die Gitter Gruppen von bis zu 5 Personen durchgelassen. Im Gericht muss alles weggeschlossen werden und Mensch muss durch einen Metalldetektor gehen und sich abpiepsen lassen.
An dieser Kontrolle wurden neben Schlüsselringen (Begründung könnte als Schlagring dienen), Pullis mit der Aufschrift 'Linkes Pack' (Radio Dreyeckland) (politische Neutralität des Gerichtes) und eine Mütze (Kleidungsstück fehlenden Respektes vor dem Gericht) beanstandet.
Ausweise wurden aber nicht kontrolliert.
Dann warten vor dem Gerichtssaal. Erst um 9:30 gibt es dort Einlass. Es wimmelt vor Journalist*ìnnen und ihren Kameras.
Der Saal mit bloß 71 Plätzen ist komplett gefüllt, mehr als 50 Menschen müssen draußen warten und kommen letzendlich nicht rein. Auf die Frage warum nicht im großen - geschichtsträchtigen - Saal verhandelt wird, gibt es es widersprüchliche Aussagen: einmal heißt es "dort werde gebaut", während ein Mitarbeiter am Außengitter über ein "höheres Sicherheitsrisiko" spekuliert.
Dann wieder warten.
Vom Gang her eine Durchsage, der Prozess "gegen die Bundesrepublik Deutschland“ würde beginnen.
Die Bundesrepublik bzw. das Bundesministerium des Inneren (BMI) als Beklagte wird durch Wolfgang Roth vertreten, die Klagen gegen das Verbot durch die Rechtsanwält*innen (RA) Angela Furmaniak, Sven Adam und Lukas Theune. Richter ist Ingo Kraft. Die meisten aber längst nicht alle stehen auf als dieser den Saal betritt.
Es wird die Sachlage verlesen und gesagt, dass die Kläger*innen nicht gegen das Vereinsverbot klagen könnten, dies könne nur der Verein.
RA Theune stellt für seinen Mandanten einen Hilfsantrag, dass Geld das für seinen Führerschein angespart war, aus dem ´Vereinsvermögen´ auszusondern und an ihn auszuhändigen sei.
(BMI) RA Roth weist diesen Antrag allerdings ab, da dass BVG seiner Meinung nach nicht zuständig sei.
Dies ist insofern schwierig, da das lokale Verwaltungsgericht den Antrag zuvor auch schon abgewiesen hat, mit selbiger Begründung nicht zuständig zu sein und mit dem Verweis auf das BverwG.
Dies führt dazu das sein Mandant keine Möglichkeit eine Klage habe, erklärt RA Theune.
Das Gericht stellt zunächst eine Gliederung vor.
Demnach soll zuerst über die Klageberechtigung der Kläger*innen gesprochen werden.
Als nächstes, ob das Vereinsrecht oder das Telemediengesetz zur Anwendung kommen müsse.
Und erst danach ob linksunten.Indymedia.org eine Verein sei.
Zuletzt solle dann über die Verbotsgründe des Vereins gestritten werden.
Klageberechtigung
Die Rechtsanwält*innen der Kläger*innen betonen, dass diese persönlich klagen und nicht der Verein.
Es wird von der Richterbank doziert, dass es nach dem´subjektiven Recht´ die Ausnahme geben könnte, dass die Kläger*innen klagen können, wenn der Verein dies nicht könne.
Der Senat müsse dies prüfen, Grundlage für die Ausnahme sei, dass die Kläger*innen die Personen sind, denen der Bescheid zugestellt wurde und diese dem Verein zugeordnet werden. Dies sei gegeben. Somit sei einerseits die Klagebefugnis evtl. erfüllt. Andererseits hieße das für das Gericht aber auch, dass klandestine Zusammenschlüsse gegenüber Vereinen nicht (juristisch) privilegiert seien.
Die Anwält*innen der Klägerseitemachen deutlich, dass das Vereinsverbot nur vor dem BVerwG klärbar sei.
Weiter das die Stigmatisierungen, die die Kläger*innen erlebt haben, die Klagebefugnis weiter stützen würden.
BMI-Anwalt Roth meint dazu das Kläger*innen können bloß eine FeststellungsKlage einreichen können, dass sie nicht dem Verein angehören, nicht aber dass das Vereinsverbot aufgehoben wird.
Daraufhin stellt Kläger-Anwalt Adam die Frage wer klagen können soll, wenn es die Beklagten nicht können.
Richter Ingo Kraft äußert, es überzeuge ihn „nicht wirklich, zu sagen, wir klagen, sind aber kein Verein“.
Das Verbot des ´Vereins´ sei ein Verbot der Organisation. Es ginge beim Verbot an sich nicht um Inhalte, sondern um die Organisation hiervon. Daher würde das Vereinsrecht greifen.
Darauf Adam:
Zweck der Maßnahme (der Verbotsverfügung) sei die Abschaltung der Internetseite. In der Verbotsverfügung geht es um den Inhalt, daher greife das Telemediengesetz. Auch Furmaniak betont, dass das Verbot Mittel zum Zweck der Abschaltung der Internetseite war.
BMI-Anwalt Roth bezieht sich auf das Vereinsrecht. Die Existenz des Vereins könne nur über das Vereinsrecht geregelt werden. Zudem sei linksunten ein Verein und falle nicht unter das Telemediengesetz. Er begründet dies damit, dass linksunten die Internetseite betreibe, selbst Texte veröffentlicht habe, es Liveticker gegeben habe und Linksunten Mediencenter betrieben habe. Mit der Aufzählung zeige sich, dass es sich um einen Verein handle, da dieser mehr als ein Pressemedium gewesen sei.
Das Ziel sei es gewesen die Existenz des Vereins zu beenden, damit ginge dann natürlich auch die Beendigung der Internetseite einher.
Rechtsanwalt Adam entgegnet daraufhin, dass mit dieser Argumentation jegliches Zeitungsmedium verboten werden könne und jede Redaktion ein potentiell verbotener Verein sei.
Um die Konstruktion deutlich zu machen merkte Adam an, würde er mit Roth eine Klageschrift verfassen, so wäre damit ja eine Personenmehrzahl und eine gemeinsame Willensbildung gegeben. Folglich würde er mit Roth dann einen Verein bilden. Dies würde aber, so könne er versprechen nie passieren.
Selbst der Richter stellte hierauf fest, dass das BMI auch die Süddeutsche als Verein verbieten könne. In diesem Fall zweifle er aber an der Verhältnismäßigkeit der Anwendung des Vereinsrechts.
RA Theune weist darauf hin, dass die Pressefreiheit ein hohes Gut ist und das Telemediengesetz mit seinen Abstufungen eine der Pressefreieheit entsprechende Handhabe habe. Das Vereinsrecht dürfe nicht dazu genutzt werden das Telemediengesetz zu umgehen.
RA Furmaniak betont, dass mit der Begründung des BMI, das Vereinsrecht zu nutzen, das Telemediengesetz nur noch bei Internetseiten, welche von nur einer Person betrieben würden gültig sei.
(BMI) RA Roth bringt als nächstes an, dass es kein Verbot gegeben habe, wenn es nur einzelne Verstöße gewesen wären. Da aber die Prägung des Vereins rechtswidrig bzw. Verfassungsfeindlich sei, habe es ein generelles Verbot gegeben und keine Einzelmaßnahmen.
Der Richter (Kraft) bestärkt den RA Roth und äußert, dass Vereinsverbote nach Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes Mittel präventiven Verfassungsschutzes seien.
RA Adam führt dagegen an, dass es inhaltlich in der Verbotsverfügung des BMI um die Gefährlichkeit einzelner Inhalte der Internetseite ginge und nicht darum, dass mehrere Personen Technik zur Verfügung gestellt haben. Wenn eine einzelnen Person, die Technik zur Verfügung gestellt habe greife zudem das Vereinsrecht nicht.
Der Richter würdigt die Gegliederte Anklageschrift und sagt er sehe, dass sich Mühe gegeben worden war.
RA Furmaniak stellt fest, dass die Frage ob die Verfassungsfeindlichkeit prägend oder nicht prägend sei bei der späteren Verhandlung eine Rolle spielen würde, wenn zuvor festgestellt würde, ob es überhaupt ein Verein sei.
(BMI) RA Roth: Besondere Gefährlichkeit des Vereins durch die Arbeitsteilung der beteiligten/Betreiber*innen. Eine Einzelperson könne die Plattform nicht betreiben.
Als nächstes wird wird über den Vereinsbegriff verhandelt.
Hierbei wird vom Richtertisch her gesagt, dass es, damit es sich um einen Verein handle, eine Mehrzahl an Personen benötige, diese arbeitsteilig arbeiten und dies über eine längere Zeit tun müssten.
Auf die Kritik von der Seite der Kläger*innen, dass in der Verbotsverfügung viele alte Texte genannt werden, die einige Jahre zurückliegen erwidert BMI-Anwalt Roth ausweichend und nicht wirklich auf die Kritik eingehend. Alte Belege bei einem Vereinsverbot seien natürlich, da die Gründung belegt werden müsse. Diese müsse ja in der Vergangenheit stattgefunden haben.
Auch sei das ´Autorenkollektiv´ bis zum Verbot moderativ tätig gewesen und so könne eine Vereinstätigkeit von der Gründung bis zum Verbot aufgezeigt werden. Als weiteren Grund für die Annahme das es sich um eine Personenmehrzahl gehandelt habe führt er an, dass es schreiben gab, in denen um Verstärkung des Moderationskollektivs gefragt wird.
Hierauf erwidert RA Adam, das bezüglich der Gründung, wenn diese angenommen werden würde, diese regional bezogen gewesen sein würde (linksunten) und das Innenministerium von Baden-Württemberg dann dafür zuständig sei und nicht das BMI.
Zudem seien die letzten angeführten ´Beweise´ für das Verbot von 2014 und damit selbst zum Zeitpunkt des Verbots schon 3 Jahre alt.
RA Theune erwidert auf Roth, dass die Aussage, eine Einzelperson könne die Plattform nicht betrieben haben, eine reine Behauptung sei. Das letzte vom BMI dokumentierte Treffen sei von 2014, der letzte Text von 2016. Das reine schreiben eines Textes im Plural wiederlege nicht, dass es nicht eine Einzelperson geschrieben haben könne. So könne ja auch er einen einen Text im Plural verfassen. Auch das fragen nach Verstärkung des Moderationskollektives belege nicht Personenmehrzahl, sondern weise dagegen evtl. darauf hin, dass es sich nur um wenige oder eine Person gehandelt haben könnte.
(BMI) RA Roth: Das letzte öffentliche Treffen sei 2014 gewesen, aber das BMI vermute mehr Treffen. (die somit das weiterleben des Vereins konstituieren würden)
Verbotsgründe:
Der Richter (Kraft) sagt, dass wenn der Verein klagen würde es laut Karlsruhe (BverfG) ein vollumfängliches Klagerecht des Vereins gäbe….
RA Furmaniak verweist auf das (BverfG) in Karlsruhe und zwar, dass ein Vereinsverbot nicht wegen Aussagen, welche unter Art. 5 G.G. (Presse und Meinungsfreiheit) fallen, angewendet werden dürfe.
RA Adam bringt an, dass jeder Verein gegen ein Vereins-Verbot klagen könne, aber da das BMI in der Verbotsverfügung behauptet, dass es mehr Mitglieder als die 5 die den Bescheid zugestellt bekommen haben, gegeben habe. Das BMI lasse es aber unklar wer das sein soll. Das ergäbe den Umstand der Unmöglichkeit der Klage. Bei einer Klage des Vereins müsste der gesamte Verein klagen. Das BMI aber könne einfach behaupten, dass nicht alle Mitglieder Klage zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verbots erheben würden. Dies da das BMI den Verein konstruiert hat und festlegt, wer in dieser Konstruktion Teil des Vereins ist. Gleichzeitg kann oder will das BMI nicht benennen, wer nun noch Teil des Vereins sei. Dies sei eine Verkürzung des Rechtsweges
RA Theune bezieht sich auf eine vorherige Bemerkung von Roth, welcher das Vereinsverbot mit dem Verbot des HNG (Hilfsorganisation für Nationale Gefangen ) und dem eines Hells-Angels-Chapters untermauern will.
Im Fall der HNG hatte dieses nur nebenbei auch eine Zeitung rausgegeben, während beim Verbot von Linksunten nur auf (Presse/Medien) Inhalte Bezug genommen wird. Auch der Vergleich mit dem verbotenen Hells-Angels Chapter sei nicht treffend.
Desweiteren zieht RA Theune ein Gerichtsurteil im Prozess zwischen Springer und Wallraff dazu.
Dort hieß es, dass der Schutz der Vertraulichkeit der gesamten Redaktionsarbeit ein Abwehrrecht gegen den Staat sei und zwingend in den Schutzbereich der Pressefreiheit fallen würde.
Als weiteren Fall nennt RA Theune den Prozess Redecker und Partner(?). Dort hieß es das auch die anonyme Veröffentlichung dritter unter die Pressfreiheit falle.
Desweiteren merkt er an, es sei keine Überprüfung der Verbotsverfügung durch das Verwaltungsgericht Freiburg möglich, dieses habe auf das BverwG verwiesen.
RA Furmaniak:
Die Kläger sind vom BMI in die Situation gezogen worden. Sie sind kein Verein, sondern wurden zu einem gemacht. So wurde die Klage nicht als Verein, sondern in gemeinsamer Klageerhebung erhoben.
(BMI) RA Roth:
Die Vertraulichkeit der Redaktion beziehe sich nur auf interne Geschehnisse, für ein Pressemedium würden ein verantwortlicher Redakteur und das Impressum fehlen.
RA Adam:
Das BMI nannte Personen die noch im Verein seien. Es sei aber unklar wer das sein solle. Das BMI könne daher behaupten, das der konstruierte Verein nicht klageberechtigt sei (s.o.)
RA Furmaniak:
Es sei ein Dilemma. Das BMI sagt ´ihr (5) seid der Verein´ und dazu Vornamen, Personenbeschreibungen, Pseudonyme, welche nicht durch das BMI identifizierbar seien.
[Bemerkung: Mit der Forderung der ganze Verein solle klagen, ergibt sich die Zwangsläufigkeit, dass sich alle Mitglieder des Vereins erkennen zu geben hätten. Damit sich also auch der Strafverfolgung aussetzen. (Das muss Mensch nicht tun, klänge auch nur bedingt klug das zu tun.) Dazu kommt aber, dass das BMI da es den Verein erst konstruiert hat immer behaupten kann, dass noch mehr Menschen dazugehören würden und so eine Klage verunmöglichen würde. Dies dadurch, da es nie einen Verein gab und nur das BMI (und das BverfG) dies behauptet.]
RA Adam:
Wenn ein Verein angenommen wird, dann muss eine Willensbildung da sein (um rechtlich ein Verein sein zu können).
Er fügt hinzu: „Wir sagen nicht, dass die Betroffenen Sachwalter des Vereins sind“.
(BMI) RA Roth:
Keinem Vereinsmitglied könne das Verbot entgangen sein. Der Verein habe nicht deswegen nicht geklagt, weil er es nicht könne, sondern weil er es nicht wolle. Dies, da der Verein unbekannte Mitglieder vor der Strafverfolgung schützen wolle.
Klandestine Zusammenhänge dürften nicht privelegiert werden und seinen nicht schützenswürdig.
Richter Tegendoff: (auffällig ist bei ihm, dass er durchgehend vom Verein redet, als sei dies eine Tatsache)
Adressat des Vereinsverbotes sei der Verein. Der Verein müsse Willen bilden (willensbildung) und klagen.
RA Adam:
Es gibt Willenserklärung des ´Vereins´ und sie kann es auch nicht geben. [Da es den Verein ja nicht gibt]
Die Klage der Betroffenen mache diese nicht zu Sachwalter*innen, sie sind selbst betroffen und seien daher Klageberechtigt.
RA Furmaniak:
Die vom BMI gemachten Hierachisierung und angebliche Aufgabenverteilung unter den Betroffenen werden nicht begründet. Auch werde nicht klar, worauf sich diese Behauptungen stützen würden. (Die Anfrage nach Belegen wurde vom BMI nicht beantwortet.)
Furmaniak greift eine von der Richterbank aufgeworfene Frage auf, ob es in der Hand der Verbotsbehörde läge wer klagen kann und wer nicht.
Ihrer Meinung nach wäre fatal, wenn die Verbotsbehörde bestimmen könne wer klageberechtigt ist. Die Betroffenen klagen gemeinsam und nähern sich so der Konstruktion des Vereins an.
Pause bis 13:30
Das Gericht tritt wieder zusammen und der Richter fragt nach Vorträgen zu den Verbotsgründen.
RA Adam:
Selbst wenn linksunten als Verein behandelt werden würde, läge keine Grundlage für ein Verbot nach dem Vereinsrecht vor. Die Begründung des BMI sei dafür keine Grundlage, das BMI behauptet, dass Bekenner*innenschreiben dadurch das sie nicht gelöscht wurden dazu aufriefen die Taten zu wiederholen. Gleichzeitig werden aber auch nicht gelöschte Beiträge, die sich gegen (bestimmte) Straftaten richten nicht auch so interpretiert, dass die Seite sich diese zu eigen mache.
Von den ~200.000 Beiträgen seien die vom BMI beantstandeten im promillebereich und würde daher keine Prägung darstellen. Die einzelnen Beiträge müssten über das Telemediengesetz beanstandet werden.
RA Theune:
Er bedaure, dass der Senat signalisiere schon beschlossen zu haben. (Richter Kraft wiederspricht).
Die Kompetenz über Medien sei Ländersache, basierend auf Beschlüsse der Aliierten die Föderation gegen einen Zentralstaat zu schützen. Das (BverwG) sei somit nicht zuständig.
RA Furmaniak:
Die Frage warum Betroffene ausgewählt wurden, basiere auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen. Diese können nicht überprüft werden. Dazu komme, dass es eine Selbstbelastungsfreiheit [wohl in etwa: du musst dich nicht selbst belasten irgendwas gesetzwidriges gemacht zu haben/gewesen zu sein] gibt. Furmaniak weißt auf die Strafverfahren im Hintergrund gegen die Betroffenen hin. Diese wurden in Hinblick auf das Verfahren am (BverwG ) eingestellt. Würde wer behaupten Teil des ´Vereins´ zu sein oder für ihn verantwortlich, gäbe es eine Vielzahl an Klagen unter anderem einen 129er. [Auch gibt es Klagen von Konservativ/faschistischer Seite um gegen z.B. Leaks oder als diffamierend wahrgenommene Beiträge zu klagen. Kurz: Wenn Betroffene sich als Verein nennen, setzen sie sich Strafverfahren aus.]
RA Adam:
Das BMI zitiert das mission statement von Indymedia in der Verbotsverfügung. Dieses sei Ausdruck der Meinungspluralität.
(BMI) RA Roth:
Das BMI zitiere dies nur [und mache sich das so nicht zu eigen?]
Vereinsverbote gründeten sich faktisch nie auf das jeweilige Selbstverständnis)
Weiter sei das Vereinsrecht Bundesrecht und dieses und nicht das Telemediengesetz anzuwenden.
Es gäbe zwar viele Beiträge, die nicht Verfassungsfeindlich seien, die Frage nach der Prägung ob der ´Verein´ Verfassungsfeindlich sei, richte sich aber nicht nach quantitativen (zahlenmäßigen) Kriterien. Dies sei bei Vereinsverboten eigentlich nie gegeben.
Wenn es sich um Einzelfälle handeln würde, wäre es was anderes. Dies würde es sich seiner Meinung nach nicht. So sagt er: „Die Verfassungsfeindlichkeit [von linksunten.Indymedia] sei in der Genetik, der DNA enthalten“
Er beziehe sich hierbei auf Aussagen aus Communiques in denen Sätze vorkommen wie „Bekennerschreiben sind Willkommen“ oder man sei ein "sicherer Datenhafen"
Die Zielsetzung der Plattform sei es „militanten Gruppen“ einen Rahmen zu bieten.
Für ein Vereinsverbot reiche es, wenn es Erleichterung zur Begehung von Straftaten gäbe. Die auf der Seite veröffentlichten Straftaten hätten ohne die Möglichkeit der anonymen Publikation nicht stattfinden können, da sie auf Öffentlichkeit abzielten und die Sicherheit der verschlüsselten und für die Verfolgungsbehörden nicht nachvollziehbar Veröffentlichung bedurften. (Weil es vor dem Internet so brennende Autos oder eingeschmissene Scheiben nicht gab…)
Durch kritische Kommentare würde die Wirkung der Bekener*innenschreiben/Aufrufe/Anleitungen nicht aufgehoben. Im Gegenteil würden Kommentare bzw. eine Debatte über Strafrechtsverstöße und Verfassungsfeindliche Taten und Aussagen, diese legitimieren.
So würde ein Aufruf zu einer Straftat bei einer Rede auf einer Versammlung, wo ein Versammlungsteilnehmer dem widerspreche, nicht den Aufruf zur Straftat ungeschehen machen.
RA Furmaniak erwidert darauf, dass Roth nur strafbare Inhalte der Moderation zuordne und nicht die Mehrzahl der anderen.
RA Theune greift das Versammlungsbeispiel auf und sagt, dass dies an sich ein gutes Beispiel sei, denn der Redner sei im Falle einer Strafverfolgung belangbar, aber nicht der Versammlungsteilnehmer oder der Anmelder.
RA Adam:
Bekener*innenschreiben bzw. Selbstbezichtigungen sind keine Straftat!
Auch die Kommentierung oder das moderiert stehen lassen sei keine Straftat.
Zudem gäbe es keine Verfahren gegen Unbekannt, welche gegen die Autor*innen der Selbstbezichtigungen in der Verbotsverfügung genannt seien.
Auch stelle er zudem die Frage nach der Zurechnung der Inhalte zu dem Moderationskollektiv. Es seien nämlich auch kritische Inhalte stehen gelassen worden.
(BMI) RA Roth:
Es sei keine Frage nach der strafrechtlichen Zurechnung gestellt worden, sondern die der ´Ermöglichung´ und ´Erleichterung´ von Straftaten.
Er liest aus einem Communique von linksunten, diese seien ein „sicherer Datenhafen für Bekenner*innenschreiben“ Dies sei mit Stolz verkündet.
Die Website sei dafür konzipiert gewesen nicht nachvollziehbar zu sein. Daher habe es keine Strafverfahren gegeben. Er wiederholt, dass sich der Verein mit den Bekenner*innenschreiben rühme.
RA Adam stellt erneut fest, dass keine Verfahren gegen Unbekannt (UJS) in den Akten enthalten wären. Es gibt immer Strafverfahren, alleine schon von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft. Davon sei aber nix aufgeführt.
RA Roth darauf „Ja, aber...“ und ist sichtlich aus dem Konzept gebracht. Es beklagt sich, dass es keine Verfahren gebe, da ja unklar ist wer der Autor der Schreiben wäre.
RA Theune stellt fest, dass es z.B. bei einem Wohnungseinbruch auch nicht keine Anzeige gäbe. Zudem sei das Zitat von Roth in dem es um das verschlüsseln ginge unvollständig.
Roth hatte zitiert, dass aufgerufen wurde bei Bekenner*innenschreiben zu verschlüsseln.
Das Zitat ginge aber folgend: ´egal ob ihr einen Adventskalender macht oder ein Bekener*innenschreiben schreibt, verschlüsselt´. Es sei ein allgemeiner Aufruf für verschlüsselte Kommunikation, welchen er für sinnvoll halte.
RA Furmaniak nennt einen Gerichtsbeschluss, welcher Verschlüsselung nicht als strafrechtsrelevant einstuft.
[Bemerkung: Es war durch die Aussagen von RA Roth klar geworden, dass dieser am liebsten verschlüsselte Kommunikation oder die Bereitstellung von der Möglichkeit anonym im Netz zu sein kriminalisieren, bestrafen und verbieten wollen würde.]
(BMI) RA Roth meint daraufhin, dass der Verbotsgrund unabhängig von Ermittlungsverfahren sei. Die Verbotsverfügung sei eigenständig.
Die Nutzung von Verschlüsselung sei zwar nicht strafbar, aber die Verknüpfung mit Bekenner*innenschreiben würde dies strafbar machen.
RA Adam:
Indymedia-Netzwerk gibt es auch in Ländern mit noch schlechterer Pressefreiheit, in Ländern wo kritische Aussagen mit dem Tode bestraft werden. Daher sei die Möglichkeit des anonymen postens wichtig.
RA Furmaniak:
Wie im Mission statement dargelegt soll die Vielfalt der Strömungen dargestellt werden.
RA Adam weißt nochmal darauf hin, dass es diverse Verfahren gibt, die an diesem Prozess anhängen.
(BMI) RA Roth sagt, dass die Meinungsfreiheit der Kläger*innen in keinem Fall durch das Verbot beschränkt werde, RA Adam ruft dagegen empört „auf jeden Fall“.
Richter Kraft beendet die Verhalndlung damit, dass die Verkündung des Urteils nicht vor 16:30 zu erwarten sei.
[Bemerkung: Es hat viel viel länger gedauert.]
URTEIL:
Im Namen des Volkes sei die Klage abgewiesen, die Kläger müssen die Kosten tragen.
Sie seien zwar Klageberechtigt, aber die Klage sei unbegründet. Nur der Verein könne gegen das Verbot klagen, nur der Verein könne das Verbot aufheben und sei vollumfänglich klageberechtigt.
Dazu müsse der Verein auch zur Klage fortbestehen.
Die Kollektive Willensbildung innerhalb des Vereins sei über die individuellen Interessen zu stellen.
Es wird das Vereinsrecht angewandt, der Medienschutz ist zu berücksichtigen So könne sich das Verbot nicht auf Äußerungen stützen, welche von Art. 5 GG geschützt sind.
Es sei ein Verein, da er gegründet worden sei, arbeitsteilig und bis zum Ende tätig war.
Für den Antrag der Aussonderung des Geldbetrages an den Mandanten von RA Theune sei das Gericht nicht sachkundig. Daher würde dieser nicht behandelt.
[Bemerkung: Es ist unruhig im Gerichtssaal und es kommt zu Unmutsäußerungen.]
Danach interviewen Journalist*innen am Verfahren Beteiligte Jurist*innen.
Von Anwält*innen der Klägerseite wird geäußert, dass vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gezogen werde.]
Ergänzungen
PM Bundesverwaltungsgericht
Pressemitteilung des Gerichts: https://www.bverwg.de/pm/2020/5
ein Kommentar
..genau genommen hat eine Verhandlung gar nicht stattgefunden - dieses Gericht hatte die politische Order eine Klage von vorne herein erst gar nicht anzunehmen - jedenfalls nicht im Sinne von allgemein gültigem Recht.
Allenfalls wurde der Schein einer Klageberechtigung gewahrt - letztlich aber systemautoritär abgeschmettert.
" der Schnee ist schwarz ! " - behauptet ein Innenminister und sein RA und ein Gericht wiederholt das unablässig stur, in der Gewissheit dass man die BRD vertritt und damit eine Rechts- und Definitionshoheit hätte.
Da können noch so viele Anwälte der Klägerseite darlegen dass der Schnee weiß ist - für das Gericht bleibt er schwarz - aus basta !
Deutlicher kann man eine Gerichts- und Rechtsfarce nicht mehr veranstalten - zeigt aber auch deutlich die staatliche Willkür in der Auslegung von 'Recht'. Es wird das Interesse des Systems geschützt und nicht der Grundsatz:
" vor dem Gesetz sind alle gleich ! ". ( was ja sowieso eine lächerliche Verfassungs-Behauptung ist ).
Mit solcher Rechtswillkür und damit auch Rechtsbeugung soll vermittelt werden dass gegen Entscheidungen der Politik letztlich nicht anzugehen ist - dazu dehnt man 'geltendes Recht' nach Belieben.
Einen Rechtsstaat im eigentlichen Sinne dieses Begriffes haben wir nicht mehr. Wäre das so, hätten wir derzeitige furchtbaren Unrechtszustände nicht - 'Recht' ist ein künstlicher Begriff, was 'recht' oder 'unrecht' wäre
bestimmen diejenigen, die die Macht haben darüber zu bestimmen.
Dieses System hat den Boden von Verfassung und Grundrechten längst verlassen und regiert autoritär nach Belieben, hat sich den Interessen und Gesetzen der Wirtschaftsfeudalherrschaft unterworfen.
Meine Hochachtung den Anwälten, der Anwältin ! Ein Kampf gegen Windmühlen wäre ein leichterer als einer gegen dieses Unrechtssystem.
Und freilich wird 'Im Namen des Volkes' Unrecht diktiert.
"Prozess Redecker und Partner(?)"
Es ging um dieses Zitat:
http://tap2folge.blogsport.eu/2019/08/11/tap-schrieb-ans-monster-und-die...
aus dieser:
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv095028.html#035 ("Zur Form gehört es auch, ob die Veröffentlichung eines Beitrags mit oder ohne Autorenangabe erfolgt. Soweit die Anonymität den Zweck hat, Autoren vor Nachteilen zu bewahren und der Zeitung den Informationsfluß zu erhalten, fällt ins Gewicht, daß sich die Pressefreiheit auch auf das Redaktionsgeheimnis sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informant erstreckt".)
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - und es wurde gesagt, daß diese Entscheidung von der Rechtsanwaltskanzelei Redecker und Partner erstritten wurde. - Der Witz daran: Zu dieser Groß-Kanzlei gehört auch Prof. Roth, der im jetzigen Verfahren die Bundesrepublik Deutschland (zu verklagen sind nicht Behörden, sondern jeweils die sog. "Gebietskörperschaft" [BRD, Bundesland, etc.], zu der die jeweilige Behörde [hier: BMI] gehört) vertritt. -
Ansonsten: Vielen Dank für die Veröffentlichung dieser Mitschrift, die mir bis hierhin - abgesehen von der am Anfang selbst eingeräumten Unkenntnis der juristische Fachtermonologie (was zu kleineren Schnitzern führte) - ziemlich akurat zu sein. - Vllt. schaffe ich es bei Gelegenheit, die Mitschrift um meine eigenen Notizen zu ergänzen sowie die korrekte Fachterminologie wiederzustellen und zu 'übersetzen'/erläutern.
"sich alle Mitglieder des Vereins erkennen zu geben hätten"
Das stimmt nun allerdings nicht – auch wenn es schon die AnwältInnen der KlägerInnen so ähnlich ausgedrückt hatten.
Das trifft aus 2 Gründen nicht zu:
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat eh schon entschieden: „Sie [die Klägerin des dortigen Verfahrens – die islamistische vermeintliche Vereinigung „Dawa FFM“] wird im Verfahren durch die in der Verbotsverfügung als Repräsentanten genannten Personen vertreten. Dies folgt aus dem in § 54 S. 1 i.V.m. §§ 709, 710, 714 BGB enthaltenen Grundsatz, dass den Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins die Geschäftsführung und Vertretung gemeinschaftlich zusteht, sofern – wie hier – nichts anderes vereinbart wurde“ (https://bverwg.de/140514U6A3.13.0, Textziffer 12)
Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__709.html (hier wichtig ist der zweite Absatz)
b) Das Gericht hatte auch am Mittwoch sehr deutlich zu erkennen gegeben, daß es die fünf in der Verbots-Verfügung genannten Personen, die zugleich die KlägerInnen von Mittwoch waren, als Vereins-VertreterInnen akzeptieren würde. Dies war aber von den KlägerInnen-RechtsanwältInnen – aus vielleicht guten Gründen –nicht gewollt.
Auch wenn ich – was das Ziel anbelangt, das Verbot wegzubekommen – ganz auf Seiten der KlägerInnen und deren AnwältInnen bin, muß ich leider sagen daß das Problem insoweit nicht beim bösen Willen der RichterInnen, sondern bei der – aus guten oder schlechten Gründen – verfolgten Prozeßstrategie der KlägerInnen liegt.
Und ich muß leider auch sagen, daß mir solche Schummeleien/Ungenauigkeiten auch nicht besonders erfolgsträchtig zu sein scheinen. Damit dürfte die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe genauso in den Sand gesetzt werden, wie die Klage in Leipzig in den Sand gesetzt wurde.
Sorry, aber die revolutionärste Tat ist immer, laut zu sagen, wie's ist (Rosa Luxemburg).
Das (BverwG) sei somit nicht zuständig.
Nee, nicht "BVerwG", sondern das BMI sei nicht zuständig, war gemeint (statt dessen die Landesmedienanstalt Baden-Württemberg). - Für die Klage gegen ein vom BMI ausgesprochenes 'Vereinsverbot' ist in der Tat das BVerwG zuständig - deshalb haben die KlägerInnen ja dort ihre Klage eingereicht haben.
"Meinungsfreiheit ... in keinem Fall ... beschränkt"
Die - interessante, von mir wörtlich mitgeschriebene - Äußerung von RA Prof. Roth lautete: „Niemand – weder Ihre [der KlägerInnen-AnwältInnen] Mandanten noch andere – ist gehindert wieder so eine Seite einzurichten, wenn es nicht gerade eine Fortsetzung der verbotenen Vereinsaktivitäten ist.“
Das hatte er mir ja auch schon so ähnlich in einem juristischen Schriftsatz als Antwort auf meine eigenen juristischen Bemühungen gegen das Verbot geschrieben; siehe:
http://links-wieder-oben-auf.net/2020/01/20/editorial-zur-spiegelung-der... („Die wiederholt vorgetragene Erwägung ...“)
Presseerklärung des Gerichts
Hier noch der Link zur Presseerklärung des Gerichts, die ungefähr der mündlichen Urteils-Begründung entspricht:
https://www.bverwg.de/pm/2020/5.
Siehe außerdem:
trend. onlinezeitung 2/2020
http://www.trend.infopartisan.net/trd0220/t180220.html
„Da es den Verein ja nicht gibt“
Zu folgender Stelle noch:
1. Zum Anfang: Es fehlt – sicherlich versehentlich – ein „kein“; gemeint und sicherlich auch gesagt war (sinngemäß): „Es gibt keine Willenserklärung des ‚Vereins‘ und sie kann es auch nicht geben.“
2. Vielleicht ist nützlich, damit alle die hier mitlesen und die es interessiert, das BVerwG-Urteil verstehen, was Voraussetzung dafür ist, es treffend zu kritisieren, der erläuternden Klammer-Nachbemerkung zu widersprechen bzw. es etwas genauer und komplexer auszudrücken:
a) Ob ein Verein existiert, ist juristisch keine Frage der reinen Faktizität (‚Machen Sie die Augen auf – und Sie sehen schon, daß Sie keinen Verein sehen.‘), und es ist schon gar nicht eine Frage des reinen Selbstbewußtseins der Beteiligten.
b) Im juristischen Bereich ist es vielmehr folgendermaßen (und in anderen theoretischen Disziplinen ist es ja ähnlich): Begriffe haben eine ganz bestimmte Bedeutung, die nicht notwendiger mit der alltagssprachliche Bedeutung der entsprechenden Wörter übereinstimmt. Manchmal haben sie sogar – je nach Kontext – zwei (oder noch mehr) unterschiedliche genau bestimmte Bedeutungen.
Manchmal definieren die Gesetzgebungsorgane selbst, was sie mit den von ihnen verwendeten Begriff meinen [so ist es hier; dazu sogleich bei g)], oft werden die Definitionen aber auch – anhand bestimmter Interpretationsmethoden (die hier nicht genauer erläutert werden müssen) – von der rechtswissenschaftlichen Lehre und der Rechtsprechung der Gerichte entwickelt.
c) Liegt eine solche Definition vor, dann kommt es nicht darauf an, was sich irgendeiner oder irgendeine z.B. unter „Verein“ persönlich vorstellt. Vielmehr kommt es dann darauf an, ob die Definitionsmerkmale (juristisch gesprochen: Tatbestandsmerkmale) vorliegen oder nicht vorliegen.
d) Schon diese juristische Logik / Arbeitsweise kann (vielleicht oder sicher) kritisiert werden und statt dessen, wie wir KommunistInnen und AnarchistInnen es machen, für eine Gesellschaft ohne Staat und ohne Recht, sondern mit nicht-herrschaftlichen, konsensuellen Regeln plädiert werden.
Allerdings wissen wir alle sicherlich auch: Auch bei solchen konsensuellen Regeln gibt es das Problem dessen, was JuristInnen „Subsumtion“ nennen: Die Subsumtion des Einzelfalls unter die Regel.
Stellen wir uns z.B. eine internet-Zeitung oder einen Blog vor mit bestimmten Regeln, nach denen Artikel und Kommentare veröffentlicht oder gelöscht werden, oder Regeln für eine Kneipe oder eine Party, nach denen Leute wegen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Klassismus, Trans- und Homophobie etc. pp. rausfliegen.
Schnell gibt es Streit über die Auslegungen der Regeln (und die Frage, welche Personen die Auslegungsmacht haben), z.B.:
Person A sagt irgendetwas zu Person B; danach geht Person B zum Kneipenkollektiv; sagt, sie sei transphob beleidigt worden; das – nur aus Cis-Personen bestehende – Kneipenkollektiv stellt Person A zur Rede; Person A sagt: „Ich bin doch selbst transgender*. Wie könnte ich da etwas Transphobes sagen?!“
Was ist nun die ‚wahre‘ (oder in den Kneipenregeln gemeinte) Bedeutung von „transphob“ und welche Person/en entscheidet/en, ob Person A rausfliegt?
e) Ähnliche, aber etwas einfachere Probleme stellen sich mit dem Vereins-Begriff:
Im bestehenden Staat ist klar, wer die verbindliche Entscheidung trifft: nämlich die Gerichte und nicht die Prozeßparteien und schon gar nicht die ZuschauerInnen.
Und die Gesetzgebungsorgane haben in § 2 Vereinsgesetz definiert, was sie mit „Verein“ meinen.
f) Juristisch geht es also nicht um das Bauchgefühl, ob die HerausgeberInnen von linksunten ein „Verein“ waren, sondern ob die in § 2 Vereinsgesetz genannten Definitionsmerkmale vorlagen oder nicht. (Es gibt noch einen anderen – deutlich engeren Vereins-Begriff im Bürgerlichen Gesetzbuch; aber jedes Rechtsgebiet [hier: Bürgerliches Recht und Öffentliches Recht] hat im vorliegenden Fall seinen eigenen, speziellen Begriff – in dem Fall von „Verein“.)
Klar, es kann gefordert werden, daß die Gesetzgebungsorgane die Definitionsmerkmale ändern.
Es kann – wie schon gesagt – auch die gesamte juristische Arbeitsweise abgelehnt werden.
Aber klar ist: Das ist der gegebene Rahmen, den zu ändern uns auf absehbare Zeit die Macht fehlt. Diejenigen, die eine Klage erheben (vorliegend die fünf Personen, denen die linksunten-Verbotsverfügung übergeben wurde), müssen, wenn sie überhaupt die Chance auf einen Erfolg mit ihrer Klage haben wollen, in diesem Rahmen agieren. Wollen sie nicht in diesem Rahmen agieren, können sie es sich gleich sparen, Klage zu erheben. Das erspart dann auch viel Geld und Nerven.
g) Kommen wir nun zu der schon erwähnten Vereins-Definition des § 2 Vereinsgesetz. Dies lautet: „Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“
Mir selbst scheint sehr unwahrscheinlich, daß in Bezug auf eine autonome, anarchistische, linksradikale what ever-Struktur von ‚Unterwerfung unter eine organisierte Willensbildung‘ gesprochen werden kann. Deshalb würde auch ich sagen: „Objektiv existierte aller Wahrscheinlichkeit nach kein Verein – auch wenn das BVerwG am Mittwoch anders entschieden hat.“
Aber ich weiß zweierlei: (1.) Mir fehlt auf absehbare Zeit die Macht, mein Verständnis von „einer organisierten Willensbildung unterworfen hat“ eigenmächtig durchzusetzen (auch eine militante Demo oder ein Anschlag auf das BVerwG hätte diesbzgl. – jedenfalls unmittelbar – keinen positiven Effekt). (2.) Also, bleibt mir nichts anderes übrig, als auf der Ebene des § 2 Vereinsgesetz zu argumentieren, wenn ich BVerwG oder BVerfG von einer anderen Entscheidung überzeugen will – das heißt: ich muß Argumente vorbringen.
h) Das Mißliche: Das geht ja auch aus dem Protokoll hervor – die AnwältInnen der KlägerInnen haben am Mittwoch kaum (außer ganz knapp unmittelbar vor der Mittagspause) auf der Ebene des § 2 Vereinsgesetz argumentiert.
Vielmehr war das mehrfach vorgebrachte Argument, „die letzten angeführten ‚Beweise‘ für das Verbot [vielmehr: für die Vereinsförmigkeit] [seien] von 2014 und damit selbst zum Zeitpunkt des Verbots schon 3 Jahre alt“ (obiges Protokoll).
Damit ist ja schon (fast) zugestanden, daß es ursprünglichen einen Verein gab – und es wird nur herumspekuliert, daß eines oder mehrere der Definitionsmerkmale von Verein nach 2014 vielleicht entfallen seien.
Insbesondere wurde mehrfach spekuliert, linksunten sei von 2014 bis 2017 nur von einer Einzelperson betrieben worden:
RA Adam (KlägerInnen-Seite): „Wenn eine einzelnen Person, die Technik zur Verfügung gestellt habe greife zudem das Vereinsrecht nicht.“ (obiges Protokoll)
RA Prof. Roth (Beklagten-Seite): „Eine Einzelperson könne die Plattform nicht betreiben.“
RA Theune (KlägerInnen-Seite): „RA Theune erwidert auf Roth, dass die Aussage, eine Einzelperson könne die Plattform nicht betrieben haben, eine reine Behauptung sei.“
Ich würde sagen: Angesichts der Menge an zu moderierenden Artikeln und Kommentaren, handelt es sich bei der These von RA Theune, all das könne eine Einzelperson geleistet haben, um eine „reine Behauptung“.
Vorderhand plausibel ist vielmehr die These von Roth: „Eine Einzelperson könne die Plattform nicht betreiben.“
RA Theune weiter: „Das reine schreiben eines Textes [im Namen des IMC linksunten] im Plural wiederlege nicht, dass es nicht eine Einzelperson geschrieben haben könne. So könne ja auch er einen einen Text im Plural verfassen. Auch das fragen nach Verstärkung des Moderationskollektives belege nicht Personenmehrzahl, sondern weise dagegen evtl. darauf hin, dass es sich nur um wenige oder eine Person gehandelt haben könnte.“ (alle Zitate aus obigem Protokoll)
Solche Spekulationen sind nicht nur nicht sonderlich glaubwürdig, sondern sie diskreditieren ein wichtiges Projekt der Bewegungslinken in der BRD – ein Projekt, von dem das IMC linksunten beanspruchte,
wird als ein Projekt von „wenige[n] oder eine[r einzelnen] Person“ dargestellt.
So wird politisches Porzellan zerschlagen, ohne juristisch auch nur ein bißchen zu erreichen! –
Besondere Absurdität des anwaltlichen Vorgehens: Auch mit „wenigen“ Leuten wäre – nach ganz herrschender Meinung – der öffentlich-rechtliche Vereins-Begriff erfüllt:
Die allermeisten sagen: Für Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes genügen – wie für sog. „Kriminelle“ und „Terroristische Vereinigungen“ im Strafrecht – drei Mitglieder.
Manche sagen sogar, es genügten bloß zwei Mitglieder.
Nur wenige RechtswissenschaftlerInnen erwägen, ob es nicht vielleicht doch ein paar mehr Leute sein müssen, damit eine solche Gefährlichkeit vorliegt, die ein Vereinsverbot aus Staatssicht ‚rechtfertigt‘.
Das heißt: Selbst wenn der HerausgeberInnen-Kreis von linksunten tatsächlich nur aus „wenigen“ Leuten bestanden hätte, wäre es notwendig gewesen, juristisch zur Auslegung von § 2 Vereinsgesetz sowie des Begriffs der „Vereinigung“ in Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz („Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“) zu argumentieren – ist aber (wie sich ja auch aus dem Protokoll ergibt) am Mittwoch nur mit einem Satz passiert:
Zum Schluß noch zu der Klammer-Anmerkung im Zitat:
Nun ja, die Hierarchisierungs-These (‚Unterwerfung‘) ist in der Verbotsverfügung tatsächlich nicht begründet worden und wurde auch am Mittwoch nicht begründet. Das ist ja auch mein Haupteinwand gegen die These von der Vereinsförmigkeit [s. oben in Abschnitt b)].
Was die „Aufgabenverteilung“ (in Sprache des BMI und des Gerichts: „Arbeitsteilung“ [*]) anbelangt, so bezieht sich das BMI auf einen veröffentlichten Text des IMC linksunten vom 02.02.2009:
Das deutet in der Tat auf eine gewisse Organisiertheit / Strukturiertheit / Arbeitsteilung hin – und ist ja auch überhaupt nicht ehrenrührig, sondern sehr vernünftig; und es ist als solches auch kein juristischer Vorwurf.
Der eigentliche juristische Vorwurf ist, „den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung […] richten“ (Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz) – die Vereinsförmigkeit ist nur die Voraussetzung dafür, daß es auf die beiden Verbotsgründe überhaupt ankommt.
Das heißt: Während es juristische und politische Gründe gibt (oder zumindest gegen kann), zu bestreiten, das linksunten.indymedia und das IMC linksunten den Strafgesetz zuwiderlief und/oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet war [**], ist es faktisch und auch politisch eher etwas zweifelhaft infragezustellen, daß es im IMC linksunten eine gewisse „Aufgabenverteilung“ gab – es greift den eigentlich juristischen Vorwurf nicht an, aber sät Zweifel an der Ernsthaftigkeit des politischen Projektes, das zu verteidigen doch die eigentliche Absicht ist…
Es wird sich halt schnell in den Fallstricken des Verhältnisses von Politischem und Juridischem verheddert – und der vorliegende Fall ist bei weitem nicht das einzige Beispiel.
-------------
Für diejenigen, denen diese eh schon reichlich lang geratene „Ergänzung“ immer noch nicht lang genug ist, füge ich noch meine eigene Kritik an der These von der Vereinsförmigkeit (aus meinem Antrag ans BMI, das linksunten-Verbot zurückzunehmen) als .pdf-Datei bei;
und für diejenigen, die noch etwas über meine grundsätzliche Auffassung über das Verhältnis von Politik (Revolution) und Recht erfahren wollen, sei noch auf diesen Text:
http://www.trend.infopartisan.net/trd1108/t411108.html
verwiesen.
---
[*] „Die Vereinigung hat ihre Tätigkeit arbeitsteilig organisiert und die Mitglieder haben die Ergebnisse der autonom organisierten Willensbildung als für sich verbindlich akzeptiert.“ (https://www.bverwg.de/pm/2020/5)
[**] Auch diese These kann allerdings kritisch diskutiert werden. Zumindest einige Linksradikale werden sicherlich sagen: RevolutionärInnen, die bestreiten, gegen die bestehende verfassungsmäßige Ordnung gerichtet zu sein und den Strafgesetzen zuwiderzulaufen, leugnen schon ihr Revolutionärsein (also ihre politische Identität / ihr politisches ‚Programm‘). Mit dieser Position wäre es dann allerdings auch ziemlich fragwürdig, überhaupt aktiv die Gerichte des bestehenden Staates anzurufen.