Repression gegen Freiburger Schattenparker

Indy Freiburg 15.12.2005 03:09 Themen: Freiräume Repression

In Freiburg hat sich der Konflikt zwischen WagenbewohnerInnen und Stadt in den letzten Wochen dramatisch zugespitzt. Es gab Besetzungen und Beschlagnahmungen, Demonstrationen und Polizeigroßeinsätze, Pressehetze und Gegenöffentlichkeit. Besondere Brisanz erhält der Konflikt wegen der Mitgliedschaft des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomons in der Grünen Partei, er ist der letzte bekannte Grüne in der deutschen Exekutive. Im Moment sind die WäglerInnen obdachlos und kämpfen für die Herausgabe ihrer Wägen und einen neuen Wagenplatz. Auf Seiten der Stadt kämpft die Polizei, auf Seiten der Schattenparker das linksliberale Bürgertum und die autonome Szene.


Selbstdarstellung der Schattenparker
Sonderseiten zu den Schattenparkern bei Cine Rebelde
Indyberichte und linke News bei der Antifa Freiburg

This year's thing

Den Konflikt um einen Wagenplatz für die Schattenparker gibt es jetzt bereits seit 12 Jahren. Im letzten Dezember gab es mal wieder einen Polizeieinsatz gegen die WäglerInnen (1). Im Februar gab es verschiedene Prozesse gegen WagenbewohnerInnen, die mit hohen Strafen endeten (123).Im Mai gab es dann eine Love OR Hate-Parade, die ganz im Zeichen der Schattenparker stand(12345). Im Oktober wurde ein leerstehendes Haus für eine Party besetzt, bei der auch einige WäglerInnen gesehen worden sein sollen (1).

Besetzung und Räumung

In der letzten Zeit standen die Schattenparker in der Nähe des OBI im Freiburger Stadtteil St. Georgen. Diesen eigentlich ungeeigneten Platz mussten die Schattenparker am 25.11. verlassen, weil eine Niederlage vor dem Verwaltungsgericht im Prozess gegen die Räumungsverfügung der Stadt eine baldige Räumung bedeutet hätte. So gingen die WäglerInnen in die Offensive und besetzten ein Gelände der Chemiefirma Rhodia im Industriegebiet Nord. Noch am selben Tag drohte die Polizei mit einer Räumung und so verließen die Schattenparker den Platz. Aufgrund fadenscheiniger Begründungen wurden fünf Wägen beschlagnahmt und zwölf Menschen festgenommen. (1 2 3).

Asyl aufm Vauban

Die Festgenommen kamen am selben Abend wieder frei, doch die Wägen blieben bis zum 28.11. beschlagnahmt (1 2). Nach der Räumung standen die WäglerInnen im Stadtgebiet Vauban, einem alternativen Stadtteil im Süden Freiburgs (1), in dem bis Anfang der 90er Jahre ein Stützpunkt der französischen Armee befand. Dort befindet sich ein Studentenwohnheim, die linke Siedlungsinitiative SUSI und die Eigenheime vieler Altlinker. Die Grünen bekamen hier bei der Bundestagswahl 61% der Zweitstimmen.

Demo in der Innenstadt

Am 2.12. wurde zu einer Demonstration in der Innenstadt für die Schattenparker aufgerufen. In Freiburg werden linke Demos grundsätzlich nicht angemeldet und Auflagen nicht akzeptiert. Doch seit etwa einem Jahr gibt es einen Paradigmenwechsel in der Freiburger Polizeitaktik - weg von der Deeskalationsstrategie hin zum bundesdeutschen Normalzustand. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde ein neues Demokonzept erfolgreich erprobt. Die Demo löste sich bald nach dem Beginn auf und die TeilnehmerInnen wurden mit kleinen Flyern zu den nächsten Orten gelotst. So gelang es Aktionen auf dem belebten Weihnachtsmarkt und eine Demo auf der Haupteinkaufsstraße zu machen - gegen den erklärten Willen von Bullen und Stadt. Auf dem Weihnachtsmarkt warfen einige besoffene Flaschen und auf dem Rückweg wurde ein Auto, das in die Demo fuhr, angegriffen. Das nahm die Polizei zum Anlass 115 Personen in Gewahrsam zu nehmen (123456).

Besetzung und Räumung

Am nächsten Tag, am Samstag, den 3.12., waren alle Inhaftierten wieder frei und es wurde der ehemalige Fahnenmastplatz auf dem Vauban-Gelände mit 25 Wägen besetzt. Die Piratenflagge wurde gehisst, hier, wo 1994 die erste KTS Vauban stand. Es folgte eine umgehende Räumung durch ein großes Polizeiaufgebot. Alle 25 Wägen wurden beschlagnahmt und drei Menschen festgenommen. (123)

Pressehetze und Solidarität

Seitdem sind die Schattenparker obdachlos. Doch der Kampf ging weiter, auch wenn die Medien vom rechtem Umsonstblättchen über die Badische Zeitung bis hin zur BILD-Zeitung hetzten. Am 8.12. fand ein spontanes Solikonzert mit Guts Pie Earshot auf dem Augustinerplatz statt, zu dem 150 Menschen kamen (1 2 3). Es gab viel Unterstützung von unterschiedlichen Seiten. Die Asten der Hochschulen, linke BürgerInnen, viele Wagenburgen, politische Projekte, Teile des Gemeinderats und andere Gruppen solidarisierten sich mit den Schattenparkern (1 2).

Bullengroßeinsatz nach Fakemeldung

Am Samstag, den 10.12., wurde zu einer Demonstration für die Schattenparker aufgerufen. Die Bullen nahmen die Fakeankündigung ernst und lösten einen Großeinsatz aus, der laut Badischer Zeitung 60.000 Euro kostete. Insgesamt kosteten die Polizeieinsätze wegen der Schattenparker bis zu diesem Zeitpunkt bereits 500.000 Euro (1 2). Tatsächlich war über Mund-zu-Mund Propaganda in der Szene kommuniziert worden, dass der angekündigte Treffpunkt für die Anreise nach Karlsruhe gedacht ist, um gemeinsam für die bedrohte Ex-Steffi zu demonstrieren (1). Am Montag berichtete dann auch der SWR in der Landesschau über den Konflikt zwischen Stadt und Schattenparkern.

Grüne Jugend positioniert sich

Die Grüne Jugend hat am 13.12. einen offenen Brief verfasst, in dem der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon für seine Politik des harten Durchgreifens kritisiert wurde. Weiter solidarisieren sich die UnterzeichnerInnen mit der alternativen Szene Freiburgs. Der Brief wurde von weiten Teilen der Führungskader aus ganz Deutschland unterschrieben, doch nach einer Kritikmail eines Freibuger Junggrünen wurde dieser Brief von der Homepage der Grünen Jugend kommentarlos gelöscht (1).

Räumungen und Vermittlungsinitiative

Am 14.12. ging die Vertreibung vom Vauban-Gelände weiter. Wieder gab es einen Großeinsatz, wieder wurden Wägen beschlagnahmt. Außerdem gibt es eine Vermittlungsinitiative bekannter BürgerInnen für einen neuen Wagenplatz (1).

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Ergänzungen

Upcoming events

Autonom@ntifa 15.12.2005 - 03:32
Donnerstag - 15.12. - 18:30 Uhr - Radio Ballet der Schattenparker - Innenstadt

Samstag - 17.12. - 14 Uhr - Demonstration für die Schattenparker - Bertoldsbrunnen

Samstag - 24.12. - 19 Uhr - Abendspaziergang zum Münstergottesdienst - Bertoldsbrunnen

Mitte Januar - Soliaktion für die Schattenparker von der KTS


...und nie vergessen, worin unsere Stärke besteht!


Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 15.12.2005 - 16:18

Mit Kanonen auf Spatzen?

freieburg 15.12.2005 - 17:51

Die Fraktion der Grünen hat folgende Pressemitteilung heute veröffentlicht:

Junges Freiburg / DIE GRÜNEN

im Freiburger Gemeinderat
Haslacherstr. 61, 79115 Freiburg,
Tel. 0761-701323, Fax -75405
 fraktion@gruene-freiburg.de
www.jf-gruene.de


Freiburg, 15.12.2005


Pressemitteilung
an die regionalen Medien
per Fax 2 Seiten


Mit Kanonen auf Spatzen?

Junges Freiburg/Die GRÜNEN kritisieren die harten Polizeieinsätze bei den Protesten der Schattenparker in den letzten zwei Wochen. Die Fraktion fordert eine pragmatische Lösung des Konflikts.


Stadtrat Coinneach McCabe kritisiert die neue Strategie der Polizei bei den Protestaktionen der „Schattenparker“:

„Die neue harte Linie der Polizei spitzt den Konflikt zu und lässt ihn eskalieren. Dagegen sind wir in den letzten Jahren mit dem Deeskalations-Ansatz der Freiburger Polizei immer gut gefahren. Es gibt überhaupt keinen Grund, davon jetzt abzuweichen.“

Die Fraktionsgemeinschaft fordert die Verantwortlichen der Polizei auf, zu ihrer Deeskalations-Politik der vergangen Jahre zurückzukehren.


Gerhard Frey, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, stellt fest:

„110 Personen bei einer Demonstration festzunehmen und sie erkennungsdienstlich zu behandeln - so etwas hat es seit den Häuserkampfprotesten der 80er Jahre in Freiburg nicht mehr gegeben. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

Er ist überzeugt, dass es auch heute nicht funktionieren wird, gesellschaftliche Konflikte durch Polizeieinsätze zu lösen.


Junges Freiburg/Die Grünen befürchten, dass weitere harte Polizeieinsätze nur die „Sprachlosigkeit“ zwischen Unterstützern und Gegnern einer Wagenburg verstärken und die Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts torpedieren. Bei der geplanten Demonstration am Samstag erwartet die Fraktion von der Polizei deutlich mehr „Fingerspitzengefühl“ und Toleranz.

Aber auch die Demonstranten werden aufgefordert, für ihre Anliegen friedlich zu demonstrieren und die Polizei nicht zu provozieren. Grundlage hierfür ist, dass Polizei und Demonstrationsteilnehmer sich im Vorfeld - wie in den vergangenen Jahren - über den Ablauf der Protestveranstaltung verständigen.

Stadträtin Monika Stein ist sich sicher, dass nur ein friedlicher Verlauf der Demonstration am Samstag die Wiederaufnahme eines konstruktiven Dialogs ermöglicht.

Bereits in mehreren Gesprächen und bei „Runden Tischen“ mit den Schattenparkern haben Stadträte von Junges Freiburg und den Grünen Lösungsvarianten diskutiert.

Das überstürzte freiwillige Verlassen des Campus-Geländes durch die Schattenparker hat nach Meinung der Fraktion die Suche nach Alternativen deutlich erschwert.

„Es wird sehr schwierig werden, unter Zeitdruck und dann auch noch über die Weihnachtstage einen Stellplatz zu finden“, befürchtet Coinneach McCabe.

Voraussetzung für eine Lösung ist ein konstruktiver Dialog zwischen Schattenparkern, unterstützenden Bürgern und Kommunalpolitik - und die Bereitstellung von Gelände durch Private.

Die Fraktion favorisiert zunächst zeitlich befristete Zwischenlösungen, um den Schattenparker kurzfristig eine Bleibe zu verschaffen.

Stadträtin Monika Stein: „Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung die Suche nach einer solchen Fläche unterstützt und dass der Oberbürgermeister das Gespräch mit den Schattenparkern und den unterstützenden Bürgern wieder aufnimmt.“



Gerhard Frey Coinneach McCabe



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Valinka 23.06.2007 - 17:11