FSB betrachtet Murmansker Humanistische Jugend-Bewegung als „Ausländischen Agenten“
Am Montag fand in Murmansk der erste Prozesstag gegen die Menschenrechtsorganisation Humanistische Jugend-Bewegung (GDM) statt. Auf Drängen des russischen Geheimdienstes FSB hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zur Einstufung der Organisation als „Ausländischer Agent“ eingeleitet. Das zugrunde liegende Gesetz war Ende 2012 in Kraft getreten und behandelt Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich mit Unterstützung aus dem Ausland politisch betätigen. Die Einordnung als „Ausländischer Agent“ kommt einer Schließung der Organisation gleich, da eine Weiterarbeit mit diesem Status praktisch unmöglich ist.
Die Humanistische Jugend-Bewegung setzt sich für kritisches Denken und die Stärkung humanistischer Werte, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung ein. Zu diesem Zweck organisiert sie partizipative Festivals, Jugendbegegnungen und Konferenzen. „Wir unterstützen selbstorganisierte Initiativen in der Region und ermöglichen Begegnungen junger Leute verschiedenen Hintergrunds, um gemeinsame Perspektiven und Diskurse zu entwickeln“, beschreibt die Vorsitzende Zhanna Ponomarenko. „GDM engagiert sich nicht in der Politik. Wir organisieren keine politischen Aktionen oder Kampagnen, beteiligen uns weder an Wahlen noch in politischen Parteien.“
In einer schriftlichen Stellungnahme an das Gericht teilte das Justizministerium am Montag seine Auffassung mit, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft entbehrten der Grundlage, und äußerte Zweifel an der vorgelegten FSB-Expertise. Das Gutachten der Philologie-Doktorin Larissa Gorban ist das entscheidende Beweismittel der Anklage. Es attestiert der von GDM herausgegebenen „Jugend für Menschenrechte Zeitung“ „verborgene Aufrufe zur gewaltsamen Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung und Verletzung der Integrität der Russischen Föderation“, die „in den wiederholten Forderungen nach 'Freiheit' und 'Rechten'“ bestünden.
Ponomarenko und die stellvertretende GDM-Vorsitzende Tatiana Kulbakina haben Mandate im zivilgesellschaftlichen Kontrollkomitee Murmansks inne, das die Menschenrechtssituation im Strafvollzug untersucht. Das russische Gesetz erlaubt diesen regionalen Komitees weitgehenden Zugang zu Gefängnissen und Häftlingen. „Unsere Inspektionsberichte haben mehrfach deutliche Verbesserungen bewirkt. Aber die Arbeit der Komitees ist für die Gefängnisleitungen unbequem. Sollte GDM als 'Ausländischer Agent' gebrandmarkt werden, verlieren wir die Mandate. Ich glaube unsere Tätigkeit im Kontrollkomitee ist eine wichtige Motivation für die Aktivitäten gegen GDM.“
Das Justizministerium ist die zuständige Behörde für die Prüfung und Einordnung von NGOs als „Ausländischer Agent“. Im März hatte es in einem Prüfbericht festgestellt, dass keine Gründe vorliegen, um GDM als solchen zu klassifizieren. „Die Anklage der Staatsanwaltschaft ist illegal, weil sie nicht zuständig ist“, erklärt Kulbakina. Es sei der erste Fall, in dem das Justizministerium vor Gericht der Einordnung als „Ausländischer Agent“ widerspräche. Das Verfahren wurde auf den 8. Juli vertagt.
Ergänzungen
weitere Informationen
bereits vor einigen Wochen gepostete Infos zum Verfahren:
https://de.indymedia.org/node/693
Soli-Blog
Es gibt jetzt auch eine Soli-Seite mit Hintergrundinformationen, Fällen betroffener NGOs, Medienspiegel und Möglichkeiten zur Unterstützung:
http://russlandantirep.blogsport.de
Ecodefense zum "Foreign Agent" gemacht
weiterer Indymedia-Artikel:
Ecodefense für erfolgreiche Anti-AKW-Kampagne abgestraft
GDM: Nächster Prozesstag festgelegt
Heute wurde der Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung im "Foreign Agent"-Verfahren gegen die Humanistische Jugendbewegung (GDM) mitgeteilt. Sie wird am 10. September 2014 am Amtsgericht in Murmansk stattfinden. Bis dahin soll ein neues "psychologisch-linguistisches Gutachten" von Texten aus der von GDM herausgegebenen "Jugend für Menschenrechte Zeitung" erstellt und ins Verfahren eingeführt werden. Das erste, vom "Zentrum gegen Extremismus" beauftragte Gutachten der Anklage war so offensichtlich tendenziös gewesen, dass Richterin Zemtsova eine Verurteilung damit wohl nicht begründen will und es selbst als zweifelhaft bezeichnete. Dass weder die ablehnende Stellungnahme des für das "Foreign Agent"-Register zuständigen Justizministeriums, noch das von der Verteidigung beauftragte wissenschaftliche Gegengutachten von ihr als Grundlage für einen Freispruch genutzt wurden, deutet ein weiteres Verfolgungsinteresse zumindest an.