Spargel für alle? Gesundheitsvorsorge für alle! Solidaritätsaktion in Erfurt

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Am 1. Mai hat eine kleine Aktionsgruppe in Erfurt an 3 Stellen in der Stadt Figuren aufgestellt um auf die Situation der Saisonarbeiter*innen auf deutschen Höfen aufmerksam zu machen.

Während es in der Stadt voller Cops und Faschos wimmelt, hat eine Kleingruppe sich auf den Weg gemacht und 3 Figuren aufgestellt. Am Wenigemarkt, am Fischmarkt und an der Kreuzung Marktstraße/ Barfüßerstraße (vor dem C&A) stehen die Figuren repräsentativ für Saisonarbeiter*innen auf deutschen Höfen. Vor ihnen stehen Schilder mit der Aufschrift "Solidarität mit Saisonarbeiter*innen!" und in ihren Taschen stecken Flyer. Leider ist es uns heute nicht möglich gemeinsam auf die Straße zu gehen - wir bringen unseren Protest aber trotzdem zum Ausdruck! Denn noch sind wir weit entfernt von einer befreiten Gesellschaft! Auf einen kämpferischen 1. Mai!

Der Flyertext ist der Folgende und kann selbstverständlich auch noch auf anderen Wegen verbreitet werden:

 

Spargel für alle? Gesundheitsvorsorge für alle!

Landwirtschaftliche Arbeitskämpfe in Zeiten von Corona und darüber hinaus

 Am heutigen Tag der Arbeit stehen wir im Besonderen solidarisch bei allen Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft!

Vor einigen Wochen beschloss die Bundesregierung auf Drängen der Agrar-Verbände, dass trotz der Grenzschließungen aufgrund von Covid-19 im April und Mai ca. 80.000 Saisonarbeiter*innen (vorwiegend aus Polen und Rumänien) nach Deutschland einreisen sollen. Die jährliche Spargel- und Erdbeerernte auf deutschen Feldern wird zu einem großen Teil von Menschen aus (Süd-)Osteuropa unter miserablen Arbeitsbedingungen getragen. Meist wird nur der Branchenmindestlohn in Höhe von 9,35 Euro brutto gezahlt, welcher teilweise durch Akkordarbeit aufgelöst und durch unangemessen hohe Preise für vorgegebene Unterkünfte gedrückt wird. Auch in Thüringen ist das alltägliche Realität!

Am Donnerstag vor Ostern landeten die ersten Sondermaschinen mit Ernte­helfer*innen aus Rumänien. Während die Bundesregierung Kontaktbeschränkungen veranlasst, Mindestabstands- und Mundschutzpflicht einführt, ist all das für viele Saisonarbeiter*innen schon auf dem Weg hierher unmöglich gemacht worden. Im rumänischen Cluj waren fast 2 000 Menschen dicht an dicht im Wartebereich des Flughafens gedrängt.

Auf den Höfen in Deutschland angekommen, mussten die Saisonarbeiter*innen in Quarantäne bleiben, diese galt jedoch ausschließlich in Bezug auf Kontakte zur deutschen Bevölkerung. Die Erntehelfer*innen durften ihre Arbeitsstätten nicht verlassen, die Unterbringung erfolgte an vielen Orten aber ohne die sonst geforderte Distanz zueinander, meist in Mehrbettzimmern mit gemeinsamen Waschgelegenheiten. Zudem verschärft sich die Abhängigkeit der Erntehelfer*innen von den Arbeitgeber*innen auf den Höfen, da sie aufgrund der Quarantäne nicht eigenständig Lebensmittel besorgen dürfen und die Abreise nach Hause trotz der unzumutbaren Lebensumstände oft nicht möglich ist.

Auf Nachfrage wie für die Gesundheit der Arbeiter*Innen gesorgt wird, behauptete Bundesagrarministerin Aigner, dass die gleichen Regeln gelten würden, wie für die deutsche Bevölkerung. Es gibt aber so gut wie keine staatlichen Kontrollstrukturen, um Arbeitsschutz von Saisonarbeiter*innen zu sichern.

Diese Zustände führen dazu, dass sich das Coronavirus, sobald eine Person infiziert ist, sehr schnell ausbreitet. Im badenwürttembergischen Bad Krozingen starb am 11. April ein coronainfizierter Spargelerntehelfer. Nach dem Tod wurden auf diesem Hof weitere Tests durchgeführt, von denen 16 positiv ausfielen. In einem Schlachthof bei Pforzheim gibt es 270 bestätigte Corona-Fälle als Folge von unzureichenden Schutzmaßnahmen.

Gegen diese Zustände wehren sich Saisonarbeiter*innen an verschiedenen Stellen. So ist zum Beispiel ein Video von einer Auseinandersetzung auf einem deutschen Hof aufgetaucht: Aufgrund der schlimmen Arbeitsbedingungen wollen die rumänischen Saisonarbeiter*innen zurück in ihre Heimat fahren. Allerdings scheinen die Arbeitgeber*innen die Pässe eingezogen zu haben. Um diese wiederzubekommen sollen sie nun 300€ bezahlen. Dies kann durchaus als moderne Sklaverei bezeichnet werden.

Die Situation von Saisonarbeiter*innen war schon vor Covid-19 fatal. Die Maßnahmen um das Virus verschlimmern diese und zeigen auf, dass mit zweierlei Maß gemessen wird: Die Gesundheitsvorsorge gilt offensichtlich nicht für alle Menschen in gleichem Umfang.

Das können und wollen wir so nicht hinnehmen!

Wir fordern dringend: Eine Unterbringung für alle Saisonarbeiter*innen, die den Arbeits- und Sicherheitsstandards entspricht! Außerdem: Langfristig gerechte Löhne und die Möglichkeit für alle nach Hause zu fahren wann sie wollen!

Wir wissen auch: Vielen Landwirt*innen sind im Spagat zwischen dem Druck eines preisdrückenden Weltmarkts und einer nachhaltigen klimaschonenden Wirtschaftsweise die Hände gebunden.

Das ist ein Systemfehler! Corona macht wieder einmal deutlich: Gesunde und gerecht produzierte Lebensmittel, wie auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung, müssen für alle gleichermaßen zugänglich sein. Für grundlegende Arbeitsrechte sind Arbeiter*innen jahrzehntelang auf die Straße gegangen und haben zum Teil ihr Leben dafür gelassen. Diese Kämpfe müssen weitergeführt und für alle Menschen verteidigt werden.

Für eine Landwirtschaft ohne Ausbeutung von Boden, Tieren oder Menschen! Für eine solidarische Landwirtschaft!

 

 

 

 

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