Solidaritätsplakate: Freiheit für Daniela Klette

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Solidarität mit Daniela Klette! Weg mit den Besuchsverboten und Vorladungen!

Vor uns eine Reihe Plakate an der Hauswand, das Straßenbild verschönernd. Eines mit hervorstechender Knarre hat uns mit einem Staunen an sich gezogen. So stehen wir, unsere Gedanken angeregt, auf dem Gehweg. Über das ein oder andere unserer Gesichter huscht ein Lächeln. Gemeinsam betrachten wir das Gesamtwerk genauer, die Elemente und Farben, die sich auf den nebeneinander hängenden Postern wiederholen, darunter das Symbol einer Befreiung, aus dem Baskenland stammend, das vor 25 Jahren auch in der BRD Verwendung fand.

Der elegante Stil der Plakate ruft unsere Erinnerungen an verschiedene Antirepressions- und Solidaritätsplakate der vergangenen Jahrzehnte wach, die uns einst wegen ihrer kompromisslosen Inhalte oder der anmutigen Gestaltung angesprochen haben. Die hier zu betrachtenden holzschnittartigen Grafiken wirken schroff und werden dennoch zu den Motiven gehören, denen wir in der kommenden Zeit in unseren Straßen und Wohngemeinschaften begegnen werden. Zwar werden Plakate in der Regel nicht zur Selbstbestätigung und nicht für private Zimmerwände gedruckt, dennoch ist ihre Funktion selbst dort nicht zu unterschätzen. Sind sie doch Anlass für Gespräche an WG-Tischen über politische Aktivitäten, die uns auf den Straßen zusammengebracht haben und dazu anregen, sich auch zukünftig dort zu versammeln. Denn auch Solidarität ist nicht affirmativ, sie entsteht erst durch eigenverantwortliches Handeln.

Hier nun endlich ein Porträt der Genossin, die dem Staat jahrzehntelang ein Schnippchen geschlagen hat und quasi in unserer Nachbarschaft frei und glücklich gelebt hat. Das Internet ist voll von anderen, unbrauchbaren Bildern, die entweder auf Fahndungsfotos basieren oder sie als Verhaftete in einer nicht selbstbestimmten Situation zeigen, in der sie von Bullen abgeführt wird. Ende der 1980er muss es gewesen sein, als ein blassgelbes Plakat den damals etwa 25 politischen Gefangenen aus RAF und Widerstand ein Gesicht gab: Ihre Schwarzweißporträts waren darauf alle in Passbildgröße kreisrund angeordnet.

Ist das, fragt eine Genossin auf ein anderes, textlastiges Plakat zeigend, ein gestalterisches Zitat des alten Posters mit den Zeilen von Ralph Möbius’ kämpferischem Songtext »Mein Name ist Mensch«? Dann wandert unser Blick nach unten rechts. Nahe am dort befindlichen Namen flattert ein blau-grüner Vogel, der nicht von Freiheit singt, sondern fliegt – in Richtung Plakatrand und von dort hinaus, fort zum Zitierten, um diesen auf seinen Reisen in der Illegalität zu begleiten.

In Querformat ein weiteres Motiv, das vor allem für die Generation gedacht scheint, die schon 1993 offen Sympathie gehegt und der sich deshalb dieses Foto ins Gedächtnis eingebrannt hat. Es steht für die letzte großartige Aktion der deutschen Stadtguerilla. Die Älteren unter uns erzählen von Weiterstadt, der Knastneubausprengung nahe Darmstadt, und einem zu Ende gehenden Abschnitt revolutionärer Geschichte. Der dazugehörige Spruch erinnere ihn, sagt ein anderer, an ein militant-feministisches Plakat, auf dem zu einem Foto der Suffragetten, die 1912 während einer Massenaktion über 200 Schaufenster im Londoner Einkaufsviertel eingeschlagen haben, zu lesen war: »Diesen Stein hätten wir auch gerne geworfen«.

Dann wenden wir uns wieder der plakativen Abbildung des Sturmgewehrs zu, mit dem einst für Befreiung gekämpft wurde. Von einer schmalen Hand mit ebensolchem Unterarm wird es in die Höhe gehalten. Dieser leibhaftige Körperteil fehlte seinerzeit beim schlichten RAF-Stern, mit dem die Texte des Kollektivs unterzeichnet wurden. Könnte der Zeigefinger der linken Hand Projektile auslösen, würden sie ungezielt Richtung Himmel gehen und keinen verletzten, aber – so wendet eine Genossin ein – schon lange hat keine Kugel mehr diesen Mündungskanal verlassen, denn der wilde Vogel nähert sich ihm furchtlos. Er weiß von dieser Waffe: Sie schweigt und macht keinen Lärm, der Lebewesen erschreckt. Im Bild des Sperlingsvogels, der sich sanft auf einem Maschinengewehr niederlässt, erkennt ein Genosse eine stilisierte Schwarzweißzeichnung wieder, die 1998 in Verbindung mit Diskussionen zur Auflösungserklärung der RAF publiziert wurde.

Waren die besten Plakate, die uns im Gedächtnis geblieben sind, nicht immer die, über die wir uns lange – auch kontrovers – austauschen konnten, wie einst die kommunistischen Arbeiter*innen in Peter Weiss »Ästhetik des Widerstands«, als sie sich vor den Kunstwerken versammelt und diese diskutiert haben und sich dann aus ihren Fragen unterschiedliche und sich ergänzende Interpretationen ergeben haben?

Auch jetzt schießen uns weitere Gedanken durch den Kopf: keine Befreiung ohne Bewaffnung, Solidarität ist eine Waffe, der Vogel mit hoffnungsgebend grün gefiedertem Kopf und Schwanz hackt auf das Gewehr ein und macht es unbrauchbar, Zeit für einen Abschluss, für Frieden, für Freiheit der politischen Gefangenen. Auf den zweiten Blick wirkt das Poster gar nicht mehr so militant. Die RAF ist Geschichte.

 

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