Let's go with the flow - G7 GEMEINSAM entern!

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Auf an den Atlantik

Ein Aufruf zu einer gefühlvollen Beteiligung am Aufstand gegen die G7 in Biarritz

Ende August ist der G7-Gipfel in Biarritz geplant, bei dem es zu massiven Protesten gegen die globale Elite der imperialistischen Staaten kommen wird. Die Strategie einer Austragung an der touristisch überladenen Atlantikküste in der Hochsaison leuchtet nicht direkt ein, knüpft aber dennoch an die Idee gut isolierbarer Kur- und Wohlstands Orte vergangener Gipfel in Frankreich an, wie Evian 2003 oder Deauville und Cannes 2011. Angesichts der aktuellen politischen Spannungen in Frankreich, dem "Kontext Baskenland" und der allgemeinen Autoritarisierung von Protestmanagement sollten wir mit Scharfsinn Anschluss an die lokalen Debatten und Widerstände suchen, um handlungsfähig zu sein und den Gipfel zum Desaster zu machen.

"We're going to Biarritz-A!"

Die bisher im deutschsprachigen Raum kaum sichtbare Mobilisierung täuscht darüber hinweg, dass sich seit vielen Monaten ein besonders breites Bündnis verschiedener linker, feministischer,jugendlicher, ökologischer, kommunistischer und anarchistischer Gruppen, sowie Parteien und verschiedenste Zusammenhänge aus der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als G7-EZ-Bündnis zusammengeschlossen haben, um den Gipfel zu stören. Auch wenn die Camp- und Platzssuchen sich bisher schwierig gestalten, sind bereits ab Juni Demonstrationen und Proteste u.a. in Donostia, Bilbo, Irún, Hendaye und Bayonne geplant. Am Sonntag des Gipfels soll an verschiedenen Punkten in Bayonne/Biarritz/Anglet in den Farben des Regenbogens vielfätige blockiert werden – Samstag ist Großdemo in Hendaye/Irún. Vielleicht gibt es ja sogar weitere Farben für den Blockadetag. Derzeit laufen Verhandlungen einen großen "Gipfel der Alternativen" mit Camp auf dem ehemaligen Nestlé-Ferienressort bei Urrugne zu veranstalten, der von der regionalen "Metropole" Hendaye/Irún an der Grenze 10 Kilometer, besonders jedoch vom Gipfelort Biarritz weit entfernt ist. Ob Urrugne Ausgangspunkt vieler Aktionen oder vor allem ein "Gegengipfel" darstellen wird bleibt unklar.
Allgemein gilt, dass sich die Gewaltbereitschaft des spanischen und des französischen Staates wie auch die rechtlichen Grundlagen hierfür in einem Jahrzehntehoch befinden. Das heisst, dass Vorbereitung alles ist und unüberlegtes Handeln schwerstwiegende Folgen haben könnte.

"White Rag to Hell"

Zweifelsohne, sollten wir den Gipfel tatsächlich gestört bekommen wollen und nicht nur dem Repressionsapparat ins Messer laufen, gilt es sich den sehr breit gefächerten Strukturen vorort anzuschließen und das mit viel Gefühl. Es ist zwar nicht möglich uneingeschränkt solidarisch mit der "Gilets Jaunes"-Bewegung zu sein, dennoch haben linksradikale in Frankreich in den letzten Monaten vor allem für Zugang zu diesem Aufstand gekämpft und sich oftmals auch gegen Rechtsradikale behaupten können. Auch die zahlreichen baskischen Organisationen der G7-EZ-Plattform sind teilweise nicht so radikal wie es sich manch "determinierte Aktivist*innen" hierzulande vielleicht wünschten. Es scheint jedoch angebracht, diese zwei Strömungen nicht gleich aufgrund unserer Superpolitischkorrekten-Haltung abzuschreiben, sondern Schattensprünge zu wagen und unsere Gemeinsamkeiten zu suchen. Der Gipfel könnte ein Erfolg für die "Bewegung der Bewegungen" werden, wenn wir die systemkritische, militante Entschlossenheit der "Gilets Jaunes" und die gesellschaftlich verankerte Kritikvielfalt und Kreativität der baskischen "Independentist@s" pragmatisch als Alliierte im Gipfelsturm verstehen.

"Constuire L'Acte XLI"

Das wesentliche Risiko liegt wie so oft in einer Spaltung, die sich in Frankreich trotz monatelaner sozialer Proteste nicht vollends an der Gewaltfrage vollziehen konnte. Die tausenden Übergriffe, gnadenlose Justiz und harte Propaganda haben nicht zum Einbruch und Entsolidarisierung geführt. Das lag daran, dass die Bullengewalt mit einer ungesehenen "Militanz aus der Mitte" konfrontiert wurde, mit einer Tendenz zu punktuellen und gut angebrachten Schlägen von "links Unten". Schon lange waren Riot, Sabotage und punktuelle Blockadeaktionen und auch kleinere Streiks nicht mehr so stark gesellschaftlich akzeptiert. Die aktuelle Debatte in Frankreich ist sehr regierungskritisch und innerhalb der Bewegung der "Gilets Jaunes" könnte der G7 als Akt41 zu einem spannenden Kristallisationspunkt werden. In den letzten Monaten wurde der "Black-Bloc" punktuell zur Ausgangsform des Protestes aus allen möglichen Szenen. Damit hat eine autonome militante Praxis endlich an Selbstbezogenheit verloren und ist – zumindest in Frankreich – zu einem allgemein in Betracht zu ziehendem Mittel sozialer Kämpfe geworden.

"EH-tik beste mundu bat eraikitzen"
 
Zugleich ist die Geschichte des Baskenlandes ein von Ideologien überfrachtetes und von Militanz stark gesättigtes Feld, das in alle Richtungen ausschlagen kann und ebenfalls nicht auf die Schnelle zu verstehen ist. Militanz kann hier legitim sein, wenn sie in der Breite fruchtet und sich nachvollziehbar oder reaktiv entwickelt. Es werden nicht viele Blumentöpfe mit einer "Rostocker/Strasbourger-Hafen-Strategie" zu gewinnen sein, bei der, nach gloreichem Vorstoss der Ninjas, die mühsam mobilisierten Bürger*innen als Schutzschild herhalten dürfen (wenn die 2007er und 2009er Riots überhaupt als strategisch bewertet werden können).
Jedenfalls befindet sich die baskische Zivilgesellschaft nach der Auflösung letzter bewaffneter Gruppen in einer Umbruchsphase, in der der Gipfel im August ebenfalls entscheidend sein könnte, zur Reorientierung und Aktivierung neuer, oft linksradikaler, Jugendorganisationen, die die Zeit der ETA und anderer Organisationen kaum miterlebt haben. Die Proteste könnten durch den hohen Grad an Politisierung in der Region eine starke Resonanz auslösen, was jedoch nicht heißt, dass die hohen Rauchsäulen und das erwartbare Tränengas hierfür das beste Indiz sind.

Die Kriminalisierung Unbeteiligter, besonders im spanischen Staat, Knast, Folter, Verschleppung und der Terror der verschiedenen Bullenapparate gegen baskische Linke hinterlässt noch immer schmerzliche Spuren, die es in der Wahl unserer Aktionen zu berücksichtigen gilt. Antiautoritäre, gegen das Knastsystem gerichtete Aktivitäten könnten etwa sehr positive Resonanz erzeugen, während die Implikation Unbeteiligter in unüberschaubare und Angst-einflössende Situationen eher geeignet scheinen Traumata zu wecken, die dem Gipfelsturm schaden.

Eine richtig große Anzahl an Wütenden zu erreichen, die für Vielfalt und gegen Ungerechtigkeit auf die Straße gehen und sich dann den Robocops Macrons entgegenstellen – solch ein Scenario geschieht nur, wenn diese lokalen Verhältnisse berücksichtigt werden.

"Strategy is Heaven"

Sicherlich haben viele Zusammenhänge Hamburg kritisch ausgewertet und sind bereit aus den Erfahrungen zu lernen. Anwendbar wird im Baskenland nur ein Bruchteil der Erkenntnisse – völlig andere Voraussetzungen erwarten uns.
Die weiter Oben angemahnte Vorsicht im Bezug auf die Form und den Moment der Interventionen soll nicht davon Abraten wohl überlegte direkte Aktionen im Umfeld des Gipfels zu starten. Es sollte nur allen klar sein, dass nicht wie bei G20 eine bundesweite militante Kampagne mit Millionen Euro an Sachschaden das Vorfeld prägte während die "Bürgerlichen und (deutschen)Gewerkschaften" eh ihre Ehrenrunde schon eine Woche vorher vollbracht hatten und garnicht beim Gipfel präsent waren. Hier hat es kaum Militanz doch um so mehr Basisarbeit gegeben. Kommunalisitsche und plattformistische Gedanken, gemässigte Massenmobilisierung, sowie der Gedanke politischer Einheit haben die letzten Monate der Mobilisierung geprägt.

Bisher, so scheint es, wollen "alle hin", auch wenn Demoverbote und Ausnahmepolitiken viel dagegen unternehmen werden und auch jetzt schon versuchen eine Spaltung herbeizuführen. Die Bereitschaft radikaler Kritik, zu zivilem Ungehorsam und auch zu militantem Widerstand wird in und um Biarritz vorhanden sein, jedoch nicht auf Abruf.

Verabredet euch JETZT und schaut, dass Beiträge des legitimen Widerstandes in all seinen Formen nicht nur ihren Propaganda- und Repressionsapparat überfordern werden, sondern dass Zeichen bleiben, die nicht von Isolierung, Besserwissertum, Entsolidarisierung und schnell verpufftem Rauch geprägt sind.

"Borroka ta Askatasuna"

Zeigen wir dass wir viele sein können und dass unserer legitimer Widerstand in all seinen Formen nicht eine militärische sondern eine politische Auseinandersetzung ist. Schwimmen wir mit den Kräften der Verschiedenen Protestbewegungen und setzen wir unsere Akzente mit Gefühl. Bauen wir im Baskenland weiterhin oder erneut die Bewegung der Bewegungen auf. Für Unabhängigkeit und Rebellion gegen die ökologische und ökonomische Krise. Gegen das Grenzregime und die Kriegstreiber*innen der G7. Gegen die Arroganz der Macht und den Sozialdarwinismus der Eliten. Den Repressionsapparat implodieren lassen und die Umverteilung dort beginnen wo das Geld sich befindet. Gemeinsam für ein ganz neues Gipfelgeschehen mit weniger Ritualen und mehr Spontaneität.

Auf nach Biarritz – Feuer und Flamme dem Patriarchat der G7!

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