1. Mai: linksunten-Solidarität mit Rückendeckung des Berliner Innensenators

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Als wir heute Vormittag bei der DGB-Demo in Berlin eine überarbeitete Version unserer jüngsten Presseerklärung zu dem Strafverfahren, das gegen uns wegen unserer Protesterklärung gegen das Verbot von linksunten.indymedia geführt wird, verteilten, hatten wir Rückendeckung – im wörtlichen Sinne – vom Berliner Innensenator Andreas Geisel. Geisel stand – ironischerweise – längere Zeit wenige Meter hinter der Person von uns, die an der Kreuzung, wo die Demo von der Spandauer Straße in Richtung Mühlendamm abbog, die Demo an sich vorbeiziehen ließ und Flugis verteilte –

hier der Text, von dem wir nicht wissen, ob ihn auch der Senator zu sehen bekam, und er ihm gefiel:

Im August 2017 hatte das Bundesinnenministerium die linke internet-Seite linksunten.indy­media.org als „Verein“ verboten. Über die dagegen erhobene Klage wurde vom zuständigen Gericht – dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig – immer noch nicht entschieden.
Dennoch nahm das Landeskriminalamt Baden-Württemberg im Mai 2018 – nach einer e-mail des dortigen Innenministeriums – Ermittlungen gegen drei Berliner AutorInnen auf. Die Ermitt­lungen wurden dann – aus Gründen der örtlichen Zuständigkeit – nach Berlin abgegeben; in­zwischen hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Es droht eine Haftstrafe von einem Jahr oder Geldstrafe.


Spendenkonto bei der GLS-Bank:
Rote Hilfe e.V.
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17, BIC: GENODEM1GLS, Stichwort: Indymediasolidarität Berlin


Anlass des Verfahrens: Am 31. August 2017 hatten sich die drei Angeschuldigten mit einer Erklärung gegen das Verbot des internet-Mediums linksunten.indymedia gewandt. Diese hatten sie mit einem Ausriss aus der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums be­bildert. Dies legt ihnen nun die Berliner Staatsanwaltschaft als Unterstützung sowie Ver­wendung des Kennzeichens eines verbotenen Vereins aus (von einem Verein war in der Erklärung der drei AutorInnen aber gar nicht die Rede).

Zu diesem Vorgang nehmen wir, die Angeschuldigten, wie folgt Stellung:

  • Das, was wir tatsächlich getan haben, war: Das Verbot des internet-Mediums linksunten.indymedia zu kritisieren und einen Ausschnitt aus der Verbots-Verfügung zu dokumentieren. Zur Frage eines Vereins hatten wir uns in unserem anklage-gegenständlichen Text überhaupt nicht geäußert.
  • Das – auch bildliche – Zitieren der Verbotsverfügung (sei es ausschnittsweise oder in Gänze [s. oben]) war legal, ist legal und werden wir auch weiterhin praktizieren.
  • Nicht nur Ausschnitte der Verbotsverfügung, sondern sogar Original-screen shots des Logos des verbote­nen elektronischen Presseerzeugnisses links­unten.indymedia wurde von zahlreichen AutorInnen und Medien – auch und gerade nach dem Verbot – verwendet (s. neben­stehend zwei Beispiele); uns ist bisher (außer unserem eigenen Fall) nur ein einziger Fall bekannt, der zu strafrechtlichen Reaktionen führte.
  • Die polizeilichen Ermittlungen in dieser Sache erfolgten ausschließlich wegen Verwendung des vermeintlichen Kennzeichens des vermeintlichen Vereins; nun wurden wir von einer Anklage auch wegen „Unterstützung der weiteren Betätigung“ des vermeintlichen Vereins überrascht.
  • Das, was wir tatsächlich getan haben, war aber allenfalls – falls es denn überhaupt einen Verein gab – (im juristischen Sprachgebrauch) für diesen Verein zu werben. Die Werbung für Vereine, die keine kriminellen oder terroristischen Vereinigungen (im strafrechtlichen Sinne) sind, sondern nur vereinsrechtlich verboten wurden, ist aber nicht strafbar – und so­gar im Falle von sog. kriminellen und terroristischen Vereinigungen ist seit 2002 nur noch die Werbung um Mitglieder und UnterstützerInnen für solche Vereinigungen strafbar.
  • Die Berliner Staatsanwaltschaft tritt also nicht nur unser Grundrecht auf freie Meinungsäußerung mit Füßen, sondern versucht auch noch auf den Kopf des parlamentarischem Gesetzgebers, der 2002 zumindest zwei Exzesse des deutschen politischen Strafrechts korrigierte, zu spucken.
  • Der Umstand, daß wir nun nicht nur wegen vermeintlicher Vereins-Kennzeichen-Verwen­dung, sondern auch wegen vermeintlicher Vereins-Unterstützung angeklagt wurden, führt dazu, daß nicht das regulär für die Sache zuständige Amtsgericht Tiergarten damit befaßt wurde/ist, sondern – als Sondergericht – die Staatsschutzkammer beim Landgericht Berlin.
  • In der Anklageschrift wird – zutreffend – zitiert, daß wir uns zu dem (der Anklage vor­ausgehenden) Ermittlungsverfahren wie gefolgt äußert hatten: „Wir halten den Text nach wir vor für politisch richtig und außerdem für juristisch legal.“
    Die Staatsanwaltschaft bringt es allerdings fertig, uns anzuklagen, ohne auch nur auf ein einziges der Argumente1, die wir schon während des Ermittlungsverfahrens öffentlich und zugleich mit Schreiben an die Staatsanwaltschaft
    ++ sowohl gegen die strafrechtliche Verfolgung unserer Meinungsäußerung
    ++ als auch gegen das Verbot des elektronischen Presseerzeugnisses linksunten.indy­media vorbrachten,
    zu antworten.

Wir fordern Einsicht in die e-mail des baden-württembergischen Innenministeriums vom 25. Mai 2018, die zwar in den Ermittlungsakten und der Anklageschrift erwähnt ist, uns aber bisher nicht vorgelegt wurde.


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1 Siehe http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/09/linksuntenverstoss2.pdf (vom 28.09.2018), http://trend.infopartisan.net/trd1018/t271018.html (vom 10.10.2018) und http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/12/linksuntenverstoss3.pdf (vom 11.12.2018).

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