Leonard Peltier: 47. Jahre in Haft - Kundgebung vor US Botschaft in Berlin

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Leonard Peltier

Das tägliche Morden von US Polizist*innen erregt in zeitlichen Abständen immer wieder weltweite Aufmerksamkeit. Was die meisten dabei trotz verständlicher Empörung und Wut  übersehen ist, dass diese Morde keine Unfälle sondern gewollte Gewaltausübung gegen das untere Drittel der US Gesellschaft sind. Es gibt wohl keinen Bereich, an dem dies deutlicher wird als an den Gefängnissen der USA.

Mit derzeit über 2,14 Millionnen Gefangenen und ca. 4,5 Millionen ehemaligen Gefangenen ohne Bürger*innenrechte ist das sich selbst oft so nennende "Land of the Free" Kerkermeisterin der Welt. Nicht einmal das autoritäre Russland und China kommen zusammen auf annähernd gleiche Inhaftierungszahlen, immer vorausgesetzt, dass die verfügbaren Angaben in der Tendenz stimmen. Bei genauerem Blick auf die Masseninhaftierung in den USA fällt auf, dass weder die offiziell abgeschaftte Sklaverei noch der Entrechtung der First Nations, also den Indigenen Nordamerikas beendet ist. Denn aus beiden Bevölkerungsgruppen werden übermässig viele in die Gefängnisfabriken eingesperrt und ausgebeutet. Ungebremster Zugriff auf (möglichst) unbezahlte Arbeit und auf natürliche Ressourcen sind der treibende Faktor von Konzernen nicht nur in der US Außenpolitk, sondern auch innerhalb der USA, denen sich jede US Regierung verpflichtet fühlt.

Egal, ob es um Ex-Präsident Obamas "Wechsel" noch um Präsident Bidens "demokratischen Anstand" geht, haben Indigene in den USA nach mehreren Jahrhunderten Massenmord, Landraub und Vertreibung auch 2023 nur sehr wenige Rechte und vor allem Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Besonders hart fällt die politische Repression gegen diejenigen aus, die diesen Zustand mit mehr als Apellen und Protesten bekämpft haben. Einer dieser Gefangenen ist Leonard Peltier, der sich als Mitglied des American Indian Movement (AIM) seit Anfang der 1970er an Besetzungen, Anti-Polizeigewaltaktionen und Schutz traditionell lebender Indigener beteiligte. Als er und andere AIM Aktivist*innen 1975 von FBI Beamten in Zivil, die sich nicht als Polizisten zu erkennen gaben, beschossen wurden, verteidigten sie sich. In der darauf folgenden Auseinandersetzung starben zwei FBI Beamte und ein indigener Aktivist. Mehrere später Festgenommene wurden frei gesprochen, weil ihnen das Gericht nachvollziehbar das Recht auf Selbstverteidigung zur Rettung des eigenen Lebens zusprach. Schliesslich hatten die FBI Schützen ohne Vorwarnung und erkennbaren Grund auf sie geschossen.

Anders lief es allerdings bei Leonard Peltier. Weil er den Gerichten in den USA nicht traute, ging er nach Kanada, von wo er 1976 aufgrund einer belastenden Aussage einer anderen Indigenen ausgeliefert wurde. Zwar stellte sich sehr schnell heraus, dass diese Aussage vom FBI unter Gewalt erpresst und völlig haltlos war, trotzdem war Peltier nun in Haft. Mit größtenteil gefälschten Beweisen, Einschüchterung von Unterstützer*innen und Unterschlagung von entlastendem Material wurde Leonard Peltier wg. vermeintlicher Unterstützung an dem Mord zweier FBI Beamter zu 2x Lebenslänglich verurteilt. Wem das aus anderen Verfahren gegen politische Aktivist*innen wie z.B. Mumia Abu-Jamal oder viele andere Black Panthers vertraut vorkommt, erinnert sich vermutlich auch an das damals geheime "COINTELPRO" Programm des FBI, das bis heute in nachträglich legalisierter und aktualisierter Form Grundbestandteil politischer Repression in den USA ist.

Da Peltier durch das FBI kriminalisiert wurde, ist er föderaler, also Regierungsgefangener. Seit Jahrzehnten lässt sich kein US Präsident dazu bewegen, ihn endlich freizulassen, obwohl bekannt ist, dass er keinen Mord an FBI Beamten begangen oder unterstützt hat. Im Januar 2023 sagte sogar eine an den "Ermittlungen", im englischen eher "frame-up", beteiligte Beamtin aus, dass es keine Beweise gegen Peltier gab oder gibt. Knapp 47 Jahre nach seiner Inhaftierung forderte sie US Präsident Biden dazu auf, ihn endlich freizulassen (1).

Peltier hat einen Großteil seines Lebens in den Hochsicherheitstrakten der US Regierung verbracht. Seit vielen Jahren lebt er im Lockdown, auch schon vor Corona, an dem er 2021 trotz Isolation im Knast erkrankte. Peltier hat in Haft zwei Mordanschläge überlebt, die das FBI angestiftet hatte. Er leidet an einer Blutgefäßkrankheit und hat eine Aorta-Aussackung, die, falls sie platzt, innerhalb weniger Minuten tödlich ist. Medizinische Betreuung erhält der 78-jährige genau wie alle anderen Gefangenen kaum.

Am 6. Februar 2023 ist Leonard Peltiers 47. (!) Haftjahrestag. Seit einigen Tagen finden in mehreren Ländern Solidaritätsproteste für seine Freilassung statt. Am Sonntag, den 5. Februar kamen knapp 50 Menschen vor die US Botschaft in Berlin, um die Freiheit des indigenen Aktivisten zu fordern. Ich danke allen, die trotz eisiger Kälte dazu erschienen sind.

Free Leonard Peltier - Free Them All!

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(1) (mintpressnews) Ex-FBI Agent Coleen Rowley Breaks Silence on Leonard Peltier and COINTELPRO (January 19, 2023)

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