Zur Auslieferung von Loïc Citation an die deutschen Behörden

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Auslieferung

Wenn einer fehlt, so soll man ihn bestrafen.
Doch Richter sollens tun,
die ohne Groll die Böcke von den Schafen
zu sondern wissen.
Und die Leidenschaften ruhn. 
 
Wenn einer fehlt, so soll man ihn bestrafen.
Doch nicht vor einem fremden Kriegsgericht,
und nicht nach nationalen Paragraphen.
So geht das nicht.
 
Es rufen Hetzer, Schreier aus dem Kriege
mir viel zu laut.
Durch ihren Wahnsinn stürzt bis auf die Wiege,
was wir gebaut. 
 
Ihr habt den Sieg. Müßt ihr euch in ihm wälzen?
Könnt ihr nicht menschlich sein?
Wir aber rufen euch, kommt ihr zu uns auf Stelzen:
ein glattes Nein!
 
Theobald Tiger
 

 

Seit einigen Tagen schläft unser Freund und Genosse Loïc hinter deutschen Gittern. Frankreich hat, so wie wir es befürchtet haben, keine Zeit verloren, um dem Auslieferungsbegehren ihres Nachbarlandes nachzukommen. Am 26. September wies das Kassationsgericht seine Berufung zurück und bestätigte damit den Europäischen Haftbefehl, auf dessen Grundlage Loïc am 18. August in Nancy gewaltsam verhaftet wurde. Insbesondere ist das Gericht der Ansicht, dass er "nicht wegen seiner politischen Ansichten verfolgt wird". Einige Tage später wurde unser Freund aus dem Gefängnis von Maxéville geholt und als erster ausländischer Beschuldigter der Hamburger-G20-Proteste von den Behörden seines Landes an Deutschland ausgeliefert. 

 
Die Staatsgewalt brachte ihn an diesem Wochenende nach Hamburg. Loïc befindet sich nun auf unbestimmte Zeit 750 km von Zuhause und von seinen Angehörigen entfernt in Untersuchungshaft, in einem Land, dessen Sprache er nicht spricht. Die deutschen Ermittler könnten durchaus nach Frankreich kommen um ihn in Lothringen zu befragen. Zumal sie den Weg offensichtlich kennen, in Anbetracht dessen, dass wir sie in den letzten Monaten regelmäßig dort antreffen.
 
Auch wenn uns die deutsch-französische Polizeizusammenarbeit nicht mehr überrascht, sehen wir, dass sie jedes Mal etwas flüssiger zu werden scheint. Gemeinsame Interessen, gemeinsame Methoden? Frankreich, das seinen G7-Gipfel im nächsten Sommer (Ende August in Biarritz) vorbereitet, scheint sehr engagiert zu sein, um den deutschen Behörden zu helfen, diejenigen in ganz Europa aufzuspüren, die im Juli 2017 ihre Kapitalismus-Messe sabotiert haben sollen. 
 
Derweil werden alte Relikte wie das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren offenbar nicht mehr verwendet. Am 25. September wurde Loïc nicht zu seinem eigenen Prozess gebracht. Loïcs Verhandlung zu einem früheren Fall im Bereich des Cyberaktivismus fand in Paris statt. Die Gefängnisleitung in Nancy schlug zunächst vor, dass er per Webcam teilnehmen solle, was er ablehnte. Er verlangt die Teilnahme an seinem Prozess, für den er eine Erklärung vorbereitet hatte. Dann wurde ihm versprochen, alles Notwendige zu tun, um seine Reise zu organisieren, aber es wurde nichts getan. Eingeschlossen in Nancy verbrachte er den Tag des 25.September. Das Verfahren wurde daraufhin wegen der Abwesenheit des Angeklagten auf den 4. Dezember verschoben.
 
Im Angesicht der Verhinderung in Frankreich ein rechtsstaatliches Verfahren zu bekommen, wird Loïc nun statt dessen mit der deutschen Justiz konfrontiert. In Deutschland scheint sich die Zeit in Sachen Repression zu beschleunigen. Nach monatelanger Verfolgung, Tausenden von Untersuchungen, öffentlichen Aufrufen zu Denunziation, welche massiv in der Presse und im Internet veröffentlicht wurden, steht die "SoKo-Black-Block", die nach dem Hamburger Gipfel geschaffene Sonderzelle, unter Druck, Verfahren zu Ende zu bringen. Anfang Oktober wurde die Zahl der Mitarbeiter deutlich reduziert. Es geht jetzt darum, Ergebnisse zu liefern. 
 
Angesichts der eingesetzten Mittel und der staatlichen Propaganda um die Unruhen, die ganze Stadtteile verwüsteten, obwohl diese von Zehntausenden von Polizisten bewacht wurden, werfen die kommenden Prozesse bereits ihre Schatten voraus. Was wir in den kommenden Monaten in Hamburg sehen werden, werden nicht Prozesse gegen diesen oder jenen Akt, gegen diese oder jene Person sein. Angesichts der öffentlichen Demütigung der Verantwortlichen in Bund und Land, die beim Gipfel von Tausenden von Menschen die auf den Straße demonstrierten und systematisch die Symbole einer wahnsinnigen Welt zerstörten, überwältigt wurden, müssen wir die Prozesse als Akte der Rache begreifen.
 
In diesem Zusammenhang verurteilen wir den Einsatz des Prozesses gegen Loïc und die anderen Angeklagten der Elbchaussee als Instrument der politischen Manipulation. Nach den uns vorliegenden Informationen könnten die Verfahren Mitte Dezember beginnen. Das Hamburger Gericht zieht mehrere Monate an Anhörungen in Betracht.
 
Nur wenige sind eingesperrt, aber sie zielen auf uns alle!
 
Feuer den Knästen!
 
Freiheit für Loïc!
 
Schreibt Loïc:
    
Loïc Schneider
UHA Hamburg (Untersuchungshaftanstalt)
Holstenglacis 3 
20355 Hamburg

 

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