Die ZAD in Notre-Dames-Des-Landes – Teile und Herrsche

Regionen: 
Event: 

 

 

 

Interne Konflikte, Appelist*innen, Verhandlungen, Räumung – Was ist eigentlich los in der ZAD?

 

 

 

Ein kleiner, subjektiver Beitrag und eine Kritik an den Legalisierungen.

 

Der Artikel ist aus einer Außenperspektive geschrieben und für Individuen oder Gruppen gedacht, die sich mit einem, der Staatsmacht entzogenen, Gebiet solidarisch zeigen woll(t)en, jedoch nicht da waren, keine Kontakte dahin haben oder einfach kein Französisch sprechen.

 

(Leider ist hier mangels Alternativen google translator ein wichtiges Werkzeug. Aber Vorsicht, google merkt sich nur all zu gern den zu übersetzenden Text, samt IP Adresse und eures restlichen Surfverhaltens https://tails.boum.org/install/)

 

 

 

Wir wollen hier nicht auf die rechtlichen Feinheiten des Legalisierungsprozesses eingehen, da wir den Staat als Feind betrachten und uns nicht am Rechtsgeplänkel der Legalist*innen beteiligen wollen.

 

 

 

 

 

 

Der offene Konflikt … mit uns selbst.

 

Der Widerstand gegen das Flughafenprojekt in Notre Dame des Landes (NDDL) hat eine lange Tradition. In den Letzten 40 Jahren fanden unzählige Aktionen statt, die das Flughafenprojekt für den Staat nicht realisierbar gemacht haben, sodass der Französische Staat unter Macron im Januar die Aufgabe des Projekts verkündet hat. Das bedeutet, dass widerständige, selbstorganisierte Kämpfe gegen die herrschenden Pläne intervenieren können. Jedoch lassen sich jetzt Fehler beobachten, die der Staat erfolgreich zu nutzen weiß, um den Widerstand gegen das Flughafenprojekt und auch die Welt, die dieses mit all ihren Herrschaftsverhältnissen hervorbringt, zu neutralisieren.

 

Der Widerstand gegen eben jene Welt hat in der ZAD für viele eine zentrale Bedeutung eingenommen und ging über die Flughafenpläne hinaus. Der französische Staat wiederum wollte und konnte ein, seiner Gewalt entrissenes, Gebiet im Inland nicht zulassen, erst recht nicht die subversiven Kräfte, die seine Macht angreifen.

Die ZAD war weit über Frankreich hinaus ein Symbol für die Möglichkeit eines Lebens außerhalb der bestehenden Verhältnisse und damit ein reales Experiment gegen kapitalistische, patriarchale und rassistische Unterdrückung – Selbstverständlich mit all den internen Konflikten und der internen Gewalt. Dieses Symbol war es, was all die Räumpanzer, Granaten und Festnahmen nicht zerstören konnten, welches Macron (als Maske des Staates) erfolgreich angegriffen hat, indem er Leuten eine Tür zurück in die bürgerliche Existenz öffnete und die Menschen dadurch gegen sich selbst kämpfen ließ.

Die strategische Schwäche besteht darin diese Tür nicht verbarrikadiert zu haben. Eine metaphorische Barrikade, die praktisch bedeutet hätte den Konflikt zu eskalieren, konsequent jegliche Staatsmacht anzugreifen, das Gesindel zu sein, als das der Staat die Bewohner*innen der ZAD sowieso betrachtet hat und weiter betrachten wird. Wir meinen einen Kampf, der eine Integration unmöglich macht bzw. eine Integration die weitere Zersetzung des Staates zur Folge hätte. Dies hätte auch bedeutet das Haus, das Feld, das Gebiet oder die Gesundheit verlieren zu können. Wir denken jedoch, dass dies zum einen Grundlage eines Kampfes gegen die herrschenden Verhältnisse ist und zum anderen betrachten wir einige Projekte, trotz dass weiterhin Personen darin leben, als verloren an eben jene (Verhältnisse). Ein gemeinsamer Kampf zeichnet sich für uns gerade dadurch aus Dinge verlieren zu können, gleichzeitig aber Solidarität zu gewinnen.

 

Als 1981 die Häuserkampfbewegung in Berlin ihren Höhepunkt erreicht, entwickelt der Senat eine Gegenstrategie und bietet Häusern, die zu Verhandlungen mit dem Staat bereit sind, eine Option zur Integration in die Gesellschaft an.

Erst Anfang der 90er entwickelt sich wieder eine Besetzer*innenbewegung, die sich jedoch mit den gleichen Legalisierungsdebatten rumschlagen muss. Die legalisierten Häuser bekommen Verträge, zahlen geringere Miete und bieten den Grundstein für eine neue bürgerliche Existenz im beliebten Kiez, samt alternativ-schickem Flair in dem sich moralisch einwandfrei im Bioladen einkaufen lässt. Von einem offenen Konflikt gegen die herrschenden Umstrukturierungspläne bleibt zunehmend eine befriedete Stadt übrig. Ausgangspunkt für eine widerständige Kultur können diese Orte nur schwerlich sein. Spätestens nach dem Erhalt der beschriebenen Privilegien gilt es diese auch zu verteidigen (sonst hätte sich der ganze Stress ja gar nicht gelohnt…), auch gegen jene, die eine vermeintliche Gefährdung der „Legalisierung“ sind. Somit sind unverträgliche Positionen gegenüber dem Staat von vornherein ausgeschlossen.

Neben Legalist*innen gibt es in Frankreich zudem das Phänomen der Appelist*innen, die in der ZAD verstärkt aktiv sind. Mit Appelist*innen, eine Fremdbezeichnung hervorgehend aus dem franz. Wort L‘Appel (der Aufruf), wird ähnlich den szeneintern verwendeten Begriffen „die Antifas“ oder „die Anarchos“ eine Gruppe assoziiert, die dem theoretischen Konzept des unsichtbaren Komitees (Autor*innen bspw. von: Der kommende Aufstand), Texten von Tiqqun oder der Kommune in Tarnac nahesteht Diese theoretischen Tendenzen gibt es weit über Frankreich hinaus und sie sind weder homogen noch strikt organisiert.

Anders jedoch die sich zum Teil selbst als Appelist*innen bezeichnenden Leute in der ZAD. die mit einem Bündnis (bekannt unter der Abkürzung CMDO) aus verschiedenen in der ZAD befindlichen Projekten eine Plattform geschaffen haben, welche autoritär organisiert sind und mittels Mehrheitskonzept die Legalisierungsprozesse erst ermöglichten.

 

Aus einer herrschaftsfeindlichen, anarchistischen Haltung heraus lehnen wir die Zusammenarbeit mit dieser Gruppe ab. Das Jahr 2018 hat gerade in der ZAD gezeigt wessen Geistes Kind diese Strömung im Mantel einer insurrektionalistischen Bewegung ist (Link „The momvement is dead...“ ausführlicher Text über Appelist*innen in der ZAD). Wir möchten hier nicht auf alle Details der letzten Monate eingehen, sondern anhand einiger Beispiele unsere Positionierung darlegen.

Beim erneuten Lesen des Unsichtbaren Komitees fällt uns die konsequente Umsetzung der darin beschriebenen Theorien auf, die wir in der ZAD gepaart mit einem Machtanspruch erleben mussten. Die Kommune, welche vom Unsichtbaren Komitee propagiert wird, scheißt nämlich auf alles, was nicht Teil von ihr ist. Die „Route des Chicanes“ wird im März abgebaut, um die eigene Verhandlungsposition gegenüber dem Staat zu verbessern, wohl wissend, dass dadurch die Projekte, zumeist Nichtverhandler*innen, den Bullen überlassen werden. Diese kommen ein paar Tage darauf und besetzen diese Straße und schneiden somit die Projekte vom Rest der ZAD ab. Das Projekt Saint Jean de Tertre verwehrt den eben geräumten und von Bullen aufs Feld Getriebenen sich im eigenen Haus auszuruhen, mit dem Kommentar sich möglichst weit zu verpissen. Diese Haltung entsolidarisiert sich aktiv von der Bewegung und kann nicht mehr als Teil dieser betrachtet werden. In den darauf folgenden Tagen sind vermehrt Graffitis zu sehen, die diese Ablehnung äußern („Saint Jean De Traitre“ - Saint Jean Verräter, „Fuck Appelists“). Wir gewinnen den Eindruck, dass ein Konflikt mit der Herrschaft erst dann für notwendig erachtet wird, wenn eine genügend große Masse dahinter steht, die für Vereinnahmungsversuche anfällig ist, sowie die eigene Machtposition ausgebaut werden kann.

Für alle Antagonist*innen, die das Projekt noch nicht aufgegeben haben und weiter in der ZAD an der Eskalationsschraube drehen wollen, hier ein paar praktische Tipps und Erfahrungen von den letzten Monaten.

 

 

Zad ganz praktisch

 

Dieser Teil gibt einen kleinen Einblick in die Praxis der Kämpfe. Der militarisierte Grundton hier stößt uns ab, aber wir fanden diese Gliederung in einen rein taktischen Teil am verständlichsten.

 

Die ZAD ist groß. Man läuft ca. 2 Stunden von West nach Ost. Es gibt die Hauptverbindung West-Ost Chemin de Suez und zwei Nord-Süd Straßen die durch das Gebiet verlaufen. D281 etwas Östlich, auch als Route des Chicanes bezeichnet und die D81. Die Bullen benutzen die D81 und seit der Räumung der Barrikaden auf der Route des Chicanes durch Appelist*innen auch die D281 für größere Operationen oder kleinere Patrouillen. Zum Ende der zweiten Räumungswelle konnten sich die Bullen jedoch fast frei auf dem ganzen Gelände bewegen, da es keine Barrikaden mehr gab, die dies hätten verhindern können. Neben den größeren Operationen oder Patrouillen gibt es um die ZAD herum Checkpoints der Bullen an den Hauptzufahrtswegen in les Ardillieres, Notre-Dame-des-Landes, Vigneux-de-Bretagne und la Paquelais. Bei größeren Operationen der Bullen werden zudem zusätzliche Checkpoints aufgebaut, die es erschweren mit dem Auto in die Zone zu kommen.

Die Straßen, Wege und Pfade sind häufig von Buschreihen umgeben. Diese ermöglichen es zwar vor den anrückenden Bullen aufs Feld zu fliehen, jedoch ist meistens in den Buschreihen Stacheldraht gespannt, welcher das Verletzungsrisiko erhöht. Die Bullen verfolgen fliehende Leute meist nicht sehr weit, da sie nicht für längere Sprints ausgerüstet sind. Jedoch nutzen sie auch gerne Felder, die freilich nicht verbarrikadiert werden können, um sich vorwärts zu bewegen und daneben liegende Barrikaden auf der Straße zu sichern. Die Bullen haben in den letzten Monaten regelmäßig PSIG Einheiten in der ZAD eingesetzt. Das ist eine Spezialeinheit der Gendarmerie und entfernt mit der BAC vergleichbar. Diese Einheit ist ab und zu in zivil unterwegs, jedoch häufig in leichter Ausrüstung. Sie sind darauf trainiert längere Strecken zu sprinten, um Leute zu fangen. Außerdem werden diese an geeigneten Stellen eingesetzt, um Leute aus dem Hinterhalt festzunehmen. Es empfiehlt sich deshalb bei Auseinandersetzung in Gruppen unterwegs zu sein. Die PSIG entfernen sich, wie auch normale Gendarmerie-Bullen, nicht weit von ihren Trucks, um nicht abgeschnitten zu werden. Es gab auch schon Fälle von schwarz vermummten Zivibullen, die Leute an den Barrikaden festgenommen haben.

Bei Kämpfen auf offenem Feld empfiehlt es sich Schilder zu benutzen, um sich vor Flashballs (mit Gummi ummantelte Metallprojektile, die Brüche verursachen können) zu schützen. Außerdem sind Zwillen und Steinschleudern sehr nützlich, wenn Mensch den Umgang mit der Schleuder beherrscht (Verletzungsrisiko von anderen).

In der ZAD sind Funk- und tragbare Radiogeräte (Radio Klaxon 107.7) sehr nützlich, da es nicht viel gibt, was den Funk-/Radioverkehr stören kann. Leider wird nur sehr wenig übersetzt. Französisch (Grund-)Kenntnisse sind deshalb hilfreich. Vorsicht, die Bullen können den Funk mithören. Macht euch am besten vorher mit euren Funkgeräten und der Kommunikation über Funk vertraut.

Wir empfehlen dringend Gasmasken mitzubringen. Am besten Vollmasken, jedoch reichen auch Halbmasken mit Schutzbrille. Die Bullen verschießen gerne sehr viel Gas. Außerdem schmeißen und schießen sie mit GLI-F4 Granaten, vor denen man aufpassen muss. Diese zünden eine 25g TNT Ladung, die einer Person die Hand weggesprengt hat. Ähnliche Granaten haben Remi Fraisse getötet.

Es gibt zudem Berichte, dass die Bullen neuerdings auch mit Quads und Motorrädern bestückt werden. Diese ermöglichen es ihnen sich auf Feldern und unzugänglichen Wegen schnell fortzubewegen.

Zuletzt nochmal die Empfehlung Gummistiefel mitzubringen. Im Sommer ist es gut möglich, dass diese gar nicht zum Einsatz kommen, da der Schlamm trocknet. Das kann sich aber schnell ändern.

 

 

Wie weiter?

 

Uns sind diverse Einschätzungen in Bezug auf die Zukunft der ZAD begegnet. Es gab die Rede vom Tod der ZAD, von der Veränderung des Widerstands in einen reformistischen, als auch vom großen Knall, sollten sich die Verhandler*innen behaupten. Sogar wirre Beiträge man solle doch die ZAD in den Süden verlegen, da dort das Wetter besser sei, sind aufgetaucht. Uns fällt es schwer Prognosen abzugeben, jedoch denken wir, dass die Verhältnisse, wie wir sie dort wiederfinden, keine anderen sind als an nahezu allen Orten auf der Welt und wir vor keiner anderen Wahl stehen, als uns zu positionieren und gegen die ganze Scheisse anzukämpfen.

 

Vom 7. bis zum 14. Juli findet ein Aktionsfestival statt. Es bleibt die Hoffnung, dass sich vermehrt antagonistische Kräfte einfinden, um den scheinbaren Frieden zu stören. (https://zad.nadir.org/spip.php?article5955)

 

 

Zusätlich gibt es vom 27. August bis 2. September ein Aktionswoche: https://zad.nadir.org/spip.php?article5976

 

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen