[HRO] AfD gelingt Aufmarsch unter starken Gegenprotesten

Blockade

Am Montagabend marschierte die sogenannte „Alternative für Deutschland“ zum zweiten Mal durch das Rostocker Plattenbauviertel Evershagen. Mehrere hundert Menschen beteiligten sich an dem Aufmarsch. Dagegen protestierten rund 1000 Antifaschist_innen. Es kam zu Blockaden und Zwischenfällen mit der Polizei.

Ein Zuwachs an Teilnehmer_innen und ein absolvierter Marsch, dass sind die Resultate der AfD am 9. April in Rostock-Evershagen. Mit beidem ist zu rechnen gewesen, denn die Voraussetzungen waren für die Rassist_innen deutlich besser als bei ihrem ersten Versuch am 12. März. Während es damals aus Eimern goss, lockte das gute Wetter zum Wochenbeginn wohl noch einmal 100 bis 200 Teilnehmer_innen mehr auf die Straße. Im März beteiligten sich vor allem rechte Demotourist_innen, Saufnazis und Parteikader, am Montag schlossen sich dann auch die rechten Schönwetterdemonstrant_innen aus dem äußerlich bürgerlichen Milieu an. Dementsprechend mutete auch der Aufmarsch etwas gesitteter, gleichzeitig aber auch gelangweilter an. Auch die Polizeipräsenz war höher, sodass effektive antifaschistische Aktionen etwas erschwert wurden.

Die AfD konnte ihren Aufmarsch gegen 18.30 Uhr unter lauten Gegenprotesten beginnen und dann zunächst relativ ungestört laufen. Nach der Hälfte musste sie ihre Route wegen einer Blockade abändern, das fiel jedoch angesichts der attraktiven Ausweichstrecke nicht ins Gewicht. Auf dem letzten Drittel des Weges brandete dann immer wieder lautstarker Gegenprotest auf. Die Abschlusskundgebung war dank mehrerer hundert Antifaschist_innen kaum noch zu verstehen. Der Moderator der AfD phantasierte gegen Ende die Teilnehmer_innenzahlen erneut auf über 1000 Menschen. Tatsächlich sind es aber etwa 600 Rassist_innen gewesen. Unter ihnen IB-Kader wie Daniel Fiß, altbekannte Neonazis wie Marcel Prätorius und widerliche Typen wie Holger Arppe von der AfD. Näheres zum Personal des Aufmarsches erfahrt ihr hier.

Geschützt wurden die Rassist_innen von der Bereitschaftspolizei aus Mecklenburg-Vorpommern, die auf Verstärkung aus Berlin, Niedersachsen und Bremen zurückgreifen konnte. Insgesamt sollen es 600 Polizist_innen gewesen sein. Unter ihnen auch unzählige Zivilkräfte in Fahrzeugen, auf Fahrrädern und zu Fuß. Sie spähten immer wieder unbehelligt antifaschistische Aktionen und Aktivist_innen aus und meldeten ihre Bewegungen. Weiterhin ging die Polizei gegen Pressevertreter_innen vor und behinderte sie somit in ihrer geschützten Arbeit. Darüber hinaus verwehrten die Bullen erneut hunderten Teilnehmer_innen einer interreligiösen Andacht die Teilnahme an einer angemeldeten antifaschistischen Kundgebung. Mehrfach ging die Polizei auf Antifaschist_innen los und nahm mehrere Genoss_innen fest. Eine Person musste mit dem Rettungswagen abtransportiert werden, nachdem uniformierte Gewalttäter_innen auf sie einschlugen.

Gewaltexzesse und polizeiliche Willkür gegen antifaschistische Aktivist_innen sind an der Tagesordnung. Diese Übergriffe sind nicht die Folge mangelnder Ortskenntnis oder Überforderung seitens der Staatsmacht, sie sind bewusste Maßnahmen gegen Antifaschist_innen. Selbst wesentlich kleinere antifaschistische Gegenproteste werden mit einem massiven Aufgebot an Technik und Personal überwacht, ausspioniert und attackiert. Wir dürfen bei polizeilicher Gewalt und Willkür nicht von „Überforderung“ oder ähnlichem sprechen, denn es entschuldigt implizit das strukturelle und vorsätzliche Verhalten der Polizei.

Auf antifaschistischer Seite konnte ebenfalls ein leichtes Mobilisierungsplus konstatiert werden. Hier wird neben dem Wetter auch die mediale Präsenz im Vorfeld der Demo ausschlaggebend gewesen sein. Bereits am Samstag hatten rund 1000 Antifaschist_innen verschiedener Spektren gegen die Bundeszentrale der IB in Rostock demonstriert. Äußerst positiv ist anzumerken, dass wieder einmal unzählige Migrant_innen und nicht-weiße Menschen – und damit Betroffene der rassistischen Hetze – gegen die AfD am Start waren. Zudem schlossen sich zahlreiche Schüler_innen den Gegenprotesten an. Das Spektrum der teilnehmenden Antifaschist_innen wird immer breiter und mutiger. Insbesondere an der Abschlusskundgebung der AfD war der antifaschistische Protest so massiv, dass den Rassist_innen nur ein Weg blieb, um sicheren Fußes von der Demo zu kommen. Zu einer schönen Tradition ist es geworden, den Aufmarschabend mit einer spontanen antifaschistischen Demonstration ausklingen zu lassen.

Der Montag war jedoch kein absoluter Erfolg für die antifaschistische Bewegung in Rostock, auch wenn das Gros der linken Internetkommentator_innen etwa anderes glauben machen mag. Die zurecht viel gelobte Blockade, die zunächst durch entschlossenes und vorbildliches Handeln zahlreicher Antifaschist_innen zustande kam, verfehlte ihre Wirkung leider. Zwar mussten die Faschist_innen ihre Route ändern, allein diese Abänderung ist jedoch kein profundes Merkmal für eine erfolgreiche antifaschistische Aktion. Denn die Wegstrecke wurde durch die Blockade weder wesentlich verkürzt, noch hat sie eine qualitativ minderwertigere Route beschert als die angemeldete. Dabei hätte die Blockade durchaus Teil einer wirksamen Strategie sein können, wäre sie beispielsweise durch weitere ähnliche Aktionen auf der Wegstrecke ergänzt worden. Dafür fehlte jedoch die kritische Masse im Viertel.

Etwa 400 Antifaschist_innen wurden durch eine Demonstration von Rostock Nazifrei gebunden, die der AfD auf der Demonstrationsroute mit einigem Abstand folgte. Diese Aktion zeigte insbesondere den Anwohner_innen unmittelbar einen Gegenstandpunkt zur rechten Propaganda. Die Kehrseite ist jedoch, dass sich unzählige Aktivist_innen nicht an direkten Aktionen mit dem Ziel der möglichst starken Beeinträchtigung des Marsches beteiligten oder zumindest unkontrolliert unterwegs waren. So wurde es für die Polizei auf den Straßen übersichtlicher, da ein großer Teil potentieller „Störer_innen“ bei der aus Sicht der Exekutive relativ unproblematischen Veranstaltung gebunden waren. Sicher ist so eine Demonstration eine Option im Umgang mit einem Aufmarsch, für uns allerdings nicht die beste, geht es doch vor allem darum den Rassist_innen derart die Show zu vermiesen, dass ihnen möglichst bald die Wanderlust vergeht.

Nichts desto trotz zeigen Zahlenverhältnisse und Wahrnehmbarkeit der Gegenproteste deutlich an, dass die AfD an diesem Abend nicht die Hoheit über die Straßen in Evershagen hatte. Massiver Protest, der einen rassistischen Umzug streckenweise in ein gellendes Pfeiffkonzert einhüllt, ist für die Teilnehmer_innen wenig erbaulich und trägt dazu bei die Dynamik der Aufmärsche zu stören. Und dieser Marsch war nicht der letzte, im Gegenteil, offensichtlich hat die AfD gefallen daran gefunden Montagabend um die Häuser zu ziehen. Am 14. Mai wollen sie durch Lütten-Klein, dem Rostocker Zentrum im Nord-Westen ziehen. Bis dahin gibt es einiges zu tun für die antifaschistische Bewegung in Rostock. Zum einen ist es nötig sich eine umfangreiche Strategie mit allen lokalen antifaschistischen Playern zu machen, um den Aufmarsch deutlich einzuschränken. Zum anderen sind vor allem auch Antifastrukturen gefragt auf ihre Art rund um den Marsch tätig zu werden. Das Potential und der Wille für direkte antifaschistische Aktionen ist in den verschiedenen Spektren groß, wie der 9. April gezeigt hat.

Grundsätzlich scheint die antifaschistische Bewegung in Mecklenburg-Vorpommern stellenweise im Aufwind zu sein. Neben traditionellen Antifa-Aktionen wie beispielsweise zum 8. Mai in Demmin, sind auch wieder eigene politische Akzente unabhängig von Naziaufmärschen zu konstatieren, etwa am 14. April in Stralsund oder am 1. Mai in Greifswald. Die Teilerfolge, die bei den Gegenprotesten in Evershagen bisher erzielt wurden, tragen dazu bei diesen Aufwind noch zu verstärken. Nun heißt es die guten Entwicklungen nutzen und die Mobilisierung für den 14. Mai. intensivieren, um zahlreich, mutig und entschlossen gegen den Aufmarsch der AfD zu agieren!

 

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