[HRO] Desaströse AfD-Demonstration abgebrochen

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Antifa Evershagen

Mehrere hundert Anhänger*innen der AfD versammelten sich am Montagabend in Rostock, um gegen die angebliche „Islamisierung“ der Stadt auf die Straße zu gehen. Ihnen standen mehre hundert Antifaschist*innen verschiedener Spektren gegenüber. Nach der Hälfte der Marschstrecke brachen die Veranstalter*innen ihren Umzug aufgrund von Blockaden ab.

 

Blaue Partei, grauer Himmel

 

Nicht einmal der Wettergott war am gestrigen Abend gnädig zur AfD. Bereits ab dem frühen Nachmittag bis in die Nacht hinein goss es aus Eimern. Die rechte Partei, die im Rostocker Plattenbauviertel Evershagen um die Häuser ziehen wollte, stand also zunächst sprichwörtlich im Regen. Dabei boten die „Retter Rostocks“ ein erbärmliches Bild. Nicht wenige Teilnehmer*innen waren stark alkoholisiert, einige wurden gar nach Hause geschickt. Nachdem der deutsche Pulk das Leergut auf Anweisung der Polizei abgegeben hatte, setzte sich der Zug gegen 18.45 Uhr in Bewegung. Vom Lautsprecherwagen erschallte abwechselnd Kirmistechno, Marschmusik oder Volksliedgut. Währenddessen pöbelte sich der Haufen durch die Gegendemonstrant*innen und skandierte abwechselnd „Widerstand“, „Deutschland“ oder „Antifa Hurensöhne“. Als Ordner fungierte unter anderem der Rostocker Identitäre Daniel Sebbin.

 

Während einer Zwischenkundgebung an der St.-Thomas-Morus Gemeinde akademisierte der AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber, auch Rechtsprofessor an der Universität Greifswald, derart stark, dass der AfD-Mob nur schwer folgen konnte. Im Anschluss zog die Demonstration über die Thomas-Morus-Straße in die Berthold-Brecht-Straße. Auf einer dort abgehaltenen zweiten Kundgebung brachte Reisekader Leyla Bilge ihre ganze Verwirrung zum Ausdruck, indem sie die Anwesenden lauthals mit den Worten „Hallo Cottbus!“ begrüßte. Das kam bei den empörten Mecklenburger*innen nicht gut an.

 

Kurz darauf war auch schon Schluss mit dem blau-braunen Spuk, eine Blockade verhinderte den Weitermarsch. Außerdem herrschten Sicherheitsbedenken bei den Veranstalter*innen und den Behörden. Wahrscheinlich erschien den AfDler*innen der Weg vom eigentlichen Endpunkt durch die Gegendemonstrant*innen bis hin zu den Anschlussstellen des öffentlichen Nahverkehrs zu lang und zu dunkel.

 

Widerstand und Polizei

 

Der Gegenprotest war trotz des schlechten Wetters ansehnlich. Bereits im Vorfeld hatten diverse Initiativen, Vereine, Gemeinden und Antifagruppen mobil gemacht, um den AfD-Aufmarsch möglichst stark zu beeinträchtigen. Auf einer Kundgebung nahe des Startpunktes, sowie auf einer interreligiösen Andacht sammelten sich zunächst hunderte Antifaschist*innen, weitere bewegten sich im Viertel und sorgten für eine unübersichtliche Situation im Dunkeln. Nach Beginn des Marsches versuchten Antifaschist*innen immer wieder an den Aufzug heranzukommen und begleiteten ihn teilweise direkt. An der Gemeinde St.-Thomas-Morus kam es zu Scharmützeln zwischen Antifas und der orientierungslosen Polizei, die mit Schlagstockeinsatz antwortete. Schließlich nutzte ein erheblicher Teil der Antifaschist*innen die Gelegenheit und blockierte die Ehm-Welk-Straße, sodass die AfD nicht weiter ziehen konnte. Letztlich kam diese Blockade wohl auch der Polizei und den AfD-Veranstalter*innen nicht ungelegen. Denn obwohl es Ausweichmöglichkeiten gegeben hätte und die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern auch dafür bekannt ist, rechte Demos durch Blockaden zu prügeln, lösten Veranstalter und Polizei an dieser Stelle einvernehmlich auf. Wetter, geografische Lage und Unwillen der Einsatzleitung dürften hier eine erhebliche Rolle gespielt haben.

 

Die Polizei glänzte an diesem Abend neben kurzen Schlagstockeinsätzen und Orientierungsverlust vor allem erneut damit, dass ihre Beamt*innen die mittlerweile gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht massiv unterliefen. Seit kurzem müssen Angehörige geschlossener Einheiten in Mecklenburg-Vorpommern eine Nummer tragen, die sie im Zweifelsfalle identifizieren könnte. Etliche Bullen fielen erneut dadurch auf, dass sie die Nummern mit Schlagstöcken oder Kleidungsteilen verdeckten oder gar nicht trugen. Von Seiten der Polizeiführung und des Innenministeriums wird diese Praxis nach wie vor gedeckt.

 

Fazit

 

Trotzdem die AfD auf einen Montagabend etwa 300 bis 400 Anhänger*innen mobilisieren konnte, war ihr Marsch keinesfalls eindrucksvoll oder gar erfolgreich. Im Gegenteil, die Außenwirkung war Dank Disziplinlosigkeit und lautstarken Gegenprotesten katastrophal. Teil nahm die bereits erwartete Mischung aus rassistischen Bürger*innen und Saufnazis, die schon 2015 für einen Eklat sorgte. Sämtliche Unvereinbarkeitsbeschlüsse hat die Partei am gestrigen Abend erneut ad absurdum geführt. Nachdem sich AfD und Pegida in MV bereits zu einem Bündnis für den Kampf um die Straße zusammengeschlossen haben, konnte gestern auch die praktische Zusammenarbeit zwischen Identitärer Bewegung und AfD anhand des Ordners Daniel Sebbin erneut beobachtet werden.

 

Die Zahl der Gegendemonstrant*innen war trotz des Wetters mit geschätzten 900 Menschen erfreulich hoch. Nichts desto trotz müssen insbesondere im Viertel selbst mehr Menschen gegen den Aufmarsch mobilisiert werden, um den Neofaschist*innen zu zeigen, dass sie vor Ort nicht willkommen sind. Insbesondere durch das große Durcheinander und die geringe subkulturelle Verhaftung der Anhänger*innen der AfD fiel es den Bullen gestern bei An- und Abreise immer wieder schwer die Gruppen auseinander zu halten. Zudem begegneten sich Antifaschist*innen und AfDler*innen teilweise bereits auf der Anreise mit den Öffentlichen.

 

Die Vorarbeit linksradikaler Antifagruppen zum Aufmarsch zeigte gute Ansätze. Schon am Sonntag wurden auf einem Stadtteilspaziergang inhaltliche Flyer verteilt, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Rassismus und Kapitalismus und der Arbeiter*innenfeindlichkeit der AfD auseinandersetzten. Diese Form der Argumentation gegen die faschistische Partei ist sehr zu begrüßen, zeigt sie doch, dass die außerparlamentarische Linke mehr zu bieten hat als nur gegen die AfD zu sein.

 

Die AfD hat bereits angekündigt am 09.04. wieder in Evershagen auf die Straße gehen zu wollen und es sieht so aus, als hätte die Partei vor, regelmäßige Umzüge nach Dresdener Art in Rostock zu etablieren. Die gestrigen Proteste waren ein guter Auftakt, um dieser Idee so schnell wie möglich die Dynamik zu nehmen. Jetzt heißt es Kräfte sammeln, taktisch überlegen und den Widerstand gegen den geplanten Montagsmarsch auf allen Ebenen vergrößern. Nur so kann zügig verhindert werden, dass sich die AfD Montags auf den Rostocker Straßen festsetzt. Ein weiterer Schritt dazu wird am 07.04. mit der Demonstration gegen die Bundeszentrale der Identitären Bewegung in der Rostocker Graf-Schack-Straße gemacht!

 

Weitere Bilder:

Bildwerk Rostock

Nils Borgwardt

 

 

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