„Polizeigewalt muss Konsequenzen haben“ – Demo am 4. Juli in Münster

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Gut eine Woche nach Be­kannt­wer­den der er­neu­ten Ein­stel­lung des Ver­fah­rens gegen einen Po­li­zis­ten, der am 3. März 2012 einen jun­gen De­mons­tran­ten schwer ver­letzt haben soll, ruft das „Kei­nen Meter“-​Bünd­nis zu einer De­mons­tra­ti­on am 4. Juli 2014 in Müns­ter auf. Start­punkt ist um 18 Uhr am Stadt­haus I an der Kle­mens­stra­ße, nach einer Auf­takt­kund­ge­bung zieht die Demo von dort in das Han­sa­vier­tel. Uns em­pört die Dreis­tig­keit, mit sich der die Staats­an­walt­schaft über die Fest­stel­lung des Ober­lan­des­ge­rich­tes und der Öf­fent­lich­keit, dass hier der be­grün­de­te Ver­dacht der „Kör­per­ver­let­zung im Amt“ be­steht, hin­weg­setzt und den prü­geln­den Po­li­zis­ten schützt. Wir wis­sen aber auch, dass dies kein lei­der Ein­zel­fall ist! Im Fol­gen­den der Auf­ruf zur De­mons­tra­ti­on:

 

Po­li­zei­ge­walt muss Kon­se­quen­zen haben! So­li­da­ri­tät mit den Be­trof­fe­nen!

Der 3. März 2012 in Müns­ter: Die Po­li­zei setzt einen Auf­marsch von 300 Nazis durch das Rum­phorst­vier­tel gegen den ent­schlos­se­nen Pro­test von 7000 Men­schen mit aller Härte durch. In den Mit­tags­stun­den ent­de­cken meh­re­ren Po­li­zis­t_in­nen der 17. Be­reit­schafts­po­li­zei­hun­dert­schaft (BPH) aus Müns­ter an der Stet­ti­ner Stra­ße einen jun­gen Mann, den sie ver­däch­ti­gen, ei­ni­ge Zeit zuvor eine Straf­tat be­gan­gen zu haben. Die Grup­pe ent­schließt sich, den Mann vor Ort in Ge­wahr­sam zu neh­men. In einem für sie güns­ti­gen Mo­ment stür­men sie los, ren­nen ihn mit vol­lem Kör­per­ein­satz um und brin­gen ihn bru­tal zu Boden. Ein Po­li­zist schlägt dabei mehr­fach auf den De­mons­tran­ten ein. Der De­mons­trant ver­liert für einen län­ge­ren Zeit­raum das Be­wusst­sein. Er wird vor Ort von einer Not­ärz­tin aus den Krei­sen der De­mons­tran­t_in­nen erst­ver­sorgt, von Ret­tungs­kräf­ten in­tu­biert und schließ­lich in die In­ten­siv­sta­ti­on ein­ge­lie­fert. Erst am Abend bes­sert sich sein Zu­stand, er er­lei­det durch den Über­griff der Po­li­zei ein Schä­del-​Hirn-​Trau­ma.

Der Über­griff auf den jun­gen Pro­tes­tie­ren­den war der bru­tals­te Fall von Po­li­zei­ge­walt an die­sem Tag. Er war je­doch kein Ein­zel­fall: Die Po­li­zei setz­te immer wie­der Pfef­fer­spray, Schlag­stö­cke und Dro­hun­gen ein, um den Nazis den Weg durch den Stadt­teil gegen den ent­schlos­se­nen Wi­der­stand der Ge­gen­de­mons­tran­t_in­nen frei­zu­ma­chen. Der 3. März 2012 war auch nicht der erste Tag, an dem wir dies er­leb­ten: Po­li­zei­ge­walt ist uns und all denen, die immer wie­der auf die Stra­ße gehen, um gegen Neo­na­zis und so­zia­le Un­ge­rech­tig­kei­ten zu pro­tes­tie­ren, lei­der nur allzu gut be­kannt. Wir er­le­ben re­gel­mä­ßig, mit wel­cher Härte die Po­li­zei be­reit ist, gegen De­mons­tra­tio­nen und Blo­cka­den vor­zu­ge­hen. Wir wis­sen, dass es die Funk­ti­on der Po­li­zei ist, die herr­schen­de Ord­nung mit allen not­wen­di­gen Mit­teln, auch mit Ge­walt, auf­recht zu er­hal­ten. Dass Po­li­zei­über­grif­fe sol­che schwe­ren Ver­let­zun­gen ver­ur­sa­chen wie am 3. März 2012 ge­sche­hen, ist al­ler­dings auch für uns nicht all­täg­lich. Und es ist vor allem nichts, was wir ein­fach so hin­neh­men wer­den!

Das „Kei­nen Meter“-​Bünd­nis hat den Be­trof­fe­nen im Nach­gang dabei un­ter­stützt, Straf­an­zei­ge wegen „Kör­per­ver­let­zung im Amt“ gegen die Po­li­zei zu stel­len. Ob­wohl sich viele Au­gen­zeu­g_in­nen ge­mel­det hat­ten, stell­te die Staats­an­walt­schaft das Ver­fah­ren im No­vem­ber 2012 ein. Die Be­grün­dung: Der Po­li­zist, der die Schlä­ge zu­ge­ge­ben hat, habe aus „Not­wehr“ ge­han­delt. Dass die Po­li­zis­t_in­nen sich Art und Zeit­punkt der Fest­nah­me selbst aus­ge­sucht hat­ten und den Be­trof­fe­nen über­rum­pel­ten, fiel für die Staats­an­walt­schaft au­gen­schein­lich nicht ins Ge­wicht. Die An­wäl­tin des Be­trof­fe­nen lei­te­te dar­auf­hin ein Kla­ge­er­zwin­gungs­ver­fah­ren beim Ober­lan­des­ge­richt Hamm ein. Mit Er­folg: Das Ober­lan­des­ge­richt hob die Ent­schei­dun­gen der Staats­an­walt­schaft auf und ord­ne­te an, An­kla­ge wegen Kör­per­ver­let­zung im Amt gegen den ver­däch­ti­gen Po­li­zis­ten zu er­he­ben. Nach die­ser ge­richt­li­chen Zu­recht­wei­sung hätte jetzt ei­gent­lich die Staats­an­walt­schaft An­kla­ge gegen den prü­geln­den Po­li­zis­ten er­he­ben müs­sen. Das tat sie aber nicht, son­dern such­te in der Straf­pro­zess­ord­nung nach einem für den Po­li­zis­ten mög­lichst mil­den Weg, das Ver­fah­ren trotz­dem ein­zu­stel­len. Die Staats­an­walt­schaft war nun der An­sicht, der Fall weise nur eine „ge­rin­ge Schwe­re der Schuld“ auf und stell­te im Juni 2014 das Ver­fah­ren gemäß §153a der Straf­pro­zess­ord­nung aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den gegen Zah­lung einer Geld­bu­ße ein. Ernst­haf­te Kon­se­quen­ten hat der Po­li­zist somit nicht zu fürch­ten, er muss le­dig­lich 750 Euro an den Be­trof­fe­nen sowie 750 Euro an einen ge­mein­nüt­zi­gen Ver­ein zah­len. Rechts­mit­tel, um gegen diese Ent­schei­dung vor­zu­ge­hen, exis­tie­ren nicht.

Uns em­pört die Dreis­tig­keit, mit sich der die Staats­an­walt­schaft hier über die Fest­stel­lung des Ge­rich­tes und der Öf­fent­lich­keit, dass hier der be­grün­de­te Ver­dacht der „Kör­per­ver­let­zung im Amt“ be­steht, hin­weg­setzt. Die­ses Vor­ge­hen ist ein Si­gnal an alle prü­geln­den Po­li­zis­t_in­nen, dass über sie die Hand ge­hal­ten wird und dass ein Fehl­ver­hal­ten kei­ner­lei ernst­haf­te Kon­se­quen­zen zur Folge hat. Diese prak­ti­zier­te Straf­frei­heit ist der Nähr­bo­den, auf dem wei­te­re Po­li­zei­ge­walt ge­deiht.

Po­li­zei­ge­walt in Deutsch­land – Kein Ein­zel­fall, son­dern ein struk­tu­rel­les Pro­blem

Be­reits seit Jah­ren ist wis­sen­schaft­lich be­legt, dass Straf­ver­fah­ren gegen Po­li­zis­t_in­nen wegen Kör­per­ver­let­zung im Amt eine über­durch­schnitt­lich hohe Ein­stel­lungs­quo­te, teil­wei­se bis zu 95%, auf­wei­sen. In den Ver­fah­ren, in denen die Staats­an­walt­schaft von einer Straf­bar­keit der Be­schul­dig­ten aus­geht, ist wie­der­um die Ein­stel­lungs­quo­te auf­grund von „Ge­ring­fü­gig­keit“ oder aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den au­ßer­ge­wöhn­lich hoch. Diese mas­si­ve Dis­kre­panz im Ge­gen­satz zu Straf­ver­fah­ren mit An­ge­klag­ten, die keine Po­li­zis­t_in­nen sind, lässt sich nicht mehr mit Schwan­kun­gen oder der be­son­ders ex­po­nier­ten Rolle der Po­li­zei in der Ge­sell­schaft er­läu­tern. Sie be­dingt sich aus struk­tu­rel­len Pro­ble­men wie der weit­ge­hen­den An­ony­mi­tät von Po­li­zis­t_in­nen in ihren Hun­dert­schaf­ten, einem star­ken Korps­geist bei der Po­li­zei und der aus der Pra­xis be­ding­ten Nähe zwi­schen Er­mitt­ler_in­nen, Staats­an­walt­schaft und den Ver­däch­ti­gen. Ju­ris­t_in­nen, po­li­ti­sche Grup­pen und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen wie Am­nes­ty In­ter­na­tio­nal for­dern des­halb seit Lan­gem struk­tu­rel­le Re­for­men zur Be­kämp­fung der Ur­sa­chen von Po­li­zei­ge­walt wie die Ein­rich­tung un­ab­hän­gi­ger Er­mitt­lungs­be­hör­den oder einer Kenn­zeich­nungs­pflicht für Po­li­zis­t_in­nen.

Diese For­de­run­gen ver­hal­len je­doch wei­test­ge­hend un­ge­hört, statt­des­sen sehen wir, wie die Po­li­zei durch neue Aus­rüs­tung wie leis­tungs­star­ke Was­ser­wer­fer, Über­wa­chungs­droh­nen oder Pep­per­ball­ge­weh­re wei­ter mi­li­ta­ri­siert wird. An­ders als es die Lob­by­is­ten aus den Rei­hen der Po­li­zei­ge­werk­schaf­ten immer wie­der be­haup­ten, liegt das Pro­blem nicht in einer an­geb­lich stei­gen­den Ag­gres­si­vi­tät und man­geln­dem Re­spekt ge­gen­über Po­li­zis­t_in­nen, son­dern in der Nor­ma­li­tät einer po­li­zei­li­chen Pra­xis, die schwe­re Ver­let­zun­gen bil­li­gend in Kauf nimmt. Die nied­ri­ge Ver­ur­tei­lungs­quo­te bei Ver­fah­ren gegen Po­li­zis­t_i­nen wegen Kör­per­ver­let­zung im Amt ist kein Beleg dafür, dass sich die Po­li­zei grund­sätz­lich rechts­kon­form ver­hält. Sie zeigt viel­mehr, wie gut prü­geln­de Po­li­zis­t_in­nen in die­sem von be­fan­ge­nen Po­li­zei­er­mitt­lun­gen und wil­li­gen Staats­an­walt­schaf­ten ge­tra­ge­nen Sys­tem ge­schützt wer­den.

Die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens um den bru­ta­len Po­li­zei­über­griff am 3. März passt nur zu gut in die­ses Mus­ter. Wir sind wü­tend, dass Po­li­zei­ge­walt in die­sem und vie­len an­de­ren Fäl­len ohne Kon­se­quen­zen bleibt! Wir las­sen nicht wei­ter zu, dass eine wil­li­ge Staats­an­walt­schaft prü­geln­de Po­li­zis­t_in­nen schützt!

Wir rufen des­halb zu einer De­mons­tra­ti­on unter dem Motto „Po­li­zei­ge­walt muss Kon­se­quen­zen haben! So­li­da­ri­tät mit den Be­trof­fe­nen!“ am 4. Juli 2014 um 18 Uhr in Müns­ter (Treff­punkt am Stadt­haus 1, Kle­mens­stra­ße 1) auf. Wir wer­den un­se­re Wut auf die Stra­ße tra­gen!

 

http://antifalinkemuenster.blogsport.de/2014/06/21/polizeigewalt-muss-ko...

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Ergänzungen

Polizeigewalt WIRD Konsequenzen haben.