Berlin: Weltweit erste Adbusting-Demo gegen die alltägliche Krise

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Angesichts der notwendigen Maßnahmen gegen die schnellere Verbreitung des Virus’ entwickelt die Berliner Kommunikationsguerilla-Szene neue Aktionsformen. So findet aktuell vor dem Roten Rathaus auf dem Alex die weltweit erste Adbusting-Demonstration statt.

Eine U-Bahn als Demonstrations-Zug
„Da wir aufgrund des notwendigen Social Distidingsbums aktuell keine großen Demonstrationen für sinnvolle, politische Maßnahmen im Angesicht der kapitalistischen Dauerkrise veranstalten können, macht das jetzt die BVG-Werbung für uns“ sagte Bernadette Brettschneider aus dem Bündnis der “Adbusting Demo”. Der Bauzaun der U5 am Rathaus wird von der BVG für Imagewerbung benutzt. Auf ihm sind Transparente befestigt, die eine U-Bahn einschließlich Fahrgäst*innen im Stile eines Comics zeigen. „Aus den abgebildeten Personen haben wir einen Demonstrations-Zug geformt“.

1,5 Meter Abstand
Und tatsächlich: Einer sagt “Corona trifft die Masse: Weg mit ‘Privat oder Kasse’!”, während sein Zwilling fordert “Mieten statt Grundrechte beschneiden!”. Ein Zeitungsverkäufer stellt hingegen trocken fest: “Zuhause bleiben kann nur, wer ein Zuhause hat.” Das thematische Spektrum an gesellschaftlichen Zuständen ist breit, gegen die sich der Demozug formiert. Dabei halten sich die Demonstrierenden der U5 streng an den verordneten Mindestabstand von 1,5 Metern, um ihre Forderungen nicht auf Kosten des Gesundheitssystems und Menschenleben nach außen zu tragen. Doch das gilt nicht nur für die abgebildeten Personen: „Wir sind einzeln zur Aktion gekommen und haben beim Kleben auch versucht, die empfohlenen 1,5 Meter Abstand einzuhalten. Und natürlich haben wir uns vermummt äh Mundschutz und so“, erklärt Bernadette.

Kapitalismus heißt Dauer-Krise
Ein besonderes Anliegen des Bündnisses “Adbusting-Demo” sei laut Bernadette Brettschneider, die Auswirkungen der omnipräsenten Corona-Krise nicht nur dem ansteckenden und tödlichen Virus zuzuschreiben. Vielmehr müsse sie im Kontext eines kapitalistischen Herrschaftssystems verstanden werden und zeige dessen zynisches Gesicht. „Eine wirtschaftszentrierte Gesellschaft bricht nicht zusammen, weil Menschen erkranken, sondern weil Menschen nicht mehr ihrer Lohnarbeit nachgehen können.“

Kapitalismus macht verletzlich
Bernadette Brettschneider führt weiter aus: „Die Corona-Krise macht einmal mehr deutlich, dass sich unsere politischen und wirtschaftlichen Systeme schon lange in der Krise befinden. Sie steckten bereits in der Krise, als sich Onlinekonzerne mittels Verkauf von persönlichen Daten zu den größten Konzernen weltweit entwickelten. Sie steckten auch schon in der Krise, als sich nach Hunderten Jahren Kolonialzeit die westliche, imperiale Lebensweise an technologische Fortschritte angepasst und weiter ausgeweitet hat – um nur mal zwei zu nennen. Die Corona-Krise zeigt erneut, wie verletztlich diese Systeme sind und wie schnell sie Menschen ihre Lebensgrundlage entziehen.“

Mehr Utopien wagen
Daher bräuchten emanzipatorische Linke mehr Utopien, die sie der Gesellschaft anbieten müssten. “Solidarität statt eurer Volksgemeinschaft!”, kommentiert dazu der Bundesadler mit einer Sprechblase. Andere Demoteilies formulieren aus, worin diese Solidarität eigentlich bestehen könnte. Eine*r fordert “Autonomie und Kooperation statt Herrschaft!”, während daneben eine*r ruft “Für eine Gesellschaft, in der alle Platz haben!”

Neue Aktionsformate gegen den autoritären Staat
„Es ist eine außergewöhnliche Zeit, die herkömmliche Protestformen nicht mehr zu lässt. Deshalb braucht es jetzt auch außergewöhnliche Mittel des Protests!“ erklärt sie weiter. Allzumal auch der Staat wieder einmal zu außergewöhnlichen, autoritären Mitteln greife. Slogans wie „Krankenhäuser statt Bundeswehr!“ oder „Katastrophenschutz statt Militär im Inneren!“ zeigen beispielsweise die deutliche Ablehnung des nächsten Einsatzes der Armee im Inneneinsatz.

Männliche Herrschaft in der Quarantäne
Bernadette Brettschneider macht derweil auf ein weiteres Thema aufmerksam: “Die häusliche Gewalt nimmt in solchen Krisen massiv zu, im vermeintlich privaten Privaten. Das dürfen wir nicht einfach so verdrängen”. Zwei Personen rufen “Häusliche Gewalt heißt Patriarchat bekämpfen!” und “Gegen Macker und Sexisten: Fight the power, fight the cistem!”

Aufruf zur Selbstermächtigung
Daran knüpft Bernadette an. „Unser Demozug möchte auf keinen Fall als appellativer Haufen gelesen werden, der vor dem Rathaus steht und die achso-wichtigen Entscheidungsträger*innen da drinnen bittet, dass sie mal unsere Forderungen bite bitte bitte umzusetzen sollen. Es geht darum, selbst ermächtigt handeln zu können und Herrschaftsmechanismen in Frage zu stellen! Das schließt gleichzeitig aus, sich gehorsam den aufgezwungenen Maßnahmen zu beugen, ohne selbst entschieden zu haben, dass diese sinnvoll sind, weder in Zeiten einer Pandemie, noch in sonstigen Zeiten.“

An alle: Am Demonstrationszug teilnehmen!
Deshalb lädt das Bündnis “Adbusting-Demo” dazu ein, den Demozug vor dem Roten Rathaus in den nächsten Tagen bei einem Spaziergang zu besuchen und sich die vielseitigen Forderungen anzuschauen, selbst welche anzubringen oder solche, die gefallen, online zu teilen. Ob der erste Adbusting-Demozug aller Zeiten auch der Demozug sein wird, der am längsten in einer Stadt sichtbar ist, bleibt abzuwarten. Auf einem Plakat steht jedenfalls: „Adbustings entfernen ist kein systemrelevanter Job!"

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Ergänzungen

Schicke Bilder.

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"...während für die Betriebe, die nicht ohnehin geschlossen sind, so gut wie nichts vorgeschrieben ist. So dürfen etwa nach wie vor Großaumbüros betrieben werden, hier gilt kein Kontaktverbot und keine Begrenzung von Personen in einem Raum. " (taz, Deuschland, Politik, 23.03.20)

Die Kassiererin, die Verkäuferin und der Bankkaufmann – alle teils mit direkten Kundenkontakten. Wenn es – in Pandemie-Zeiten - um die Arbeit geht ist man in Deutschland doch nicht so wirklich um die Menschen besorgt, wie uns das die Politik Glauben machen möchte.
Selbst in den Freistaaten (Bayern & Sachsen), welche derzeit die härtesten Freiheitsbeschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger vorweisen können, müssen die Menschen “raus an die Arbeit“, wie die Landesväter Söder und Kretschmer klarstellen.
Also fahren - bis heute - viele Menschen, häufig mit dem ÖPNV, in ein nicht-systemrelevantes Großraumbüro - in dem es keine genauen Corona-Vorschriften gibt - und gehen damit ein hohes Infektionsrisiko ein. Muss man das verstehen?