[B] Wir wissen gar nicht, was wir am schlimmsten finden - die Situation aufm Sabotgarden März 2020.
Der folgende Text ist soll vor allem erstmal der großen Nachfrage an Informationen nachkommen. Zugegebenerweise, eine Veröffentlichung ein paar Tage zuvor hätte wohl auch nicht geschadet, leider haben wir gerade nicht viel Zeit und Energie, sodass das „mal eben nen Text schreiben“ ein bisschen hinten runtergefallen ist. Die meisten von uns haben gerade ihr zuhause verloren und sind damit beschäftigt irgendwo anders einen Ort zu finden. Außerdem wurde letzte Woche vielen von uns ein riesiger Brief vom Landgericht Berlin zugestellt, der abgesehen von schwer zu verstehendem Deutsch, vor allem die groß gedruckte Zahl 20000€ enthielt… und dann auch noch Corona – eine Zeit, die für die meisten von uns, die prekär beschäftigt sind, jetzt zusätzlich zu Wohnungslosigkeit auch noch große Zukunftsunsicherheit bedeutet.
Aber der Reihe nach. Was fürn Monat…
1. As you may remember.
Wir haben in unserem letzten Text (https://de.indymedia.org/node/71168) schon über einiges berichtet. Bäume gefällt, Razzia, Secus aufgestellt, Nerv durch Secus, noch mehr Nerv durch Secus mit Wachhunden. Es stank ja damals schon zum Himmel vor halblegalen Praktiken (ihr erinnert euch die Baumfällungen ohne Sicherheitsabstand und z.B. der Fakt, dass uns Besuch verwehrt wurde und andere gar nicht erst zu ihrem Wohnort gelassen werden). Wir beklagten die ‚lächelnde Fratze der Legalität‘ und meinten die Selbstverständlichkeit, mit der Bullen, Secus und Menschen mit fett Cash einfach das tun was ihnen beliebt, dabei einen Scheiß auf Gesetze geben, nett lächeln und sagen, dass der Rechtsweg uns ja offen steht. Also, das tut er nicht. Wie sich zeigt, sollte das noch nicht das Ende ihrer Dreistigkeiten sein. Wir fassen zunächst einige Eckpunkte für euch zusammen.
Während der Razzia wurde ja diese Liste aufgestellt, die später darüber bestimmt hat, wer auf den Sabotgarden darf, und wer nicht. Zum Zeitpunkt der Razzia befanden sich 40 – 50 Personen auf dem Gelände, darunter auch viele Supporter*innen oder Nachbar*innen. andere Bewohnis vom Sabotgarden wiederum, waren während der Razzia nicht da, weil sie arbeiten waren, oder im Supermarkt oder einfach wieder umgedreht sind, als sie die vielen Cops gesehen haben.
Wer nicht auf der Liste steht, darf nicht rein. Alle Menschen, die zu uns kommen müssen ihren Pass zeigen. Sogar Secus und Cops stimmen zu, dass diese Liste totaler Bullshit ist. Trotzdem ist die Willkür des Eigentümers wichtiger, als dass Menschen zu ihrem Wohnort dürfen. Eine Familie, deren Sohn zum Zeitpunkt der Razzia im Supermarkt war, schläft seitdem getrennt.
Es wurde uns Besuch verwehrt. Menschen haben an ihrem Wohnort offiziell ein Recht darauf, Besuch zu empfangen (5 Personen, wenn uns nicht alles täuscht). Wir haben versucht dieses Recht durchzusetzen, doch weder Investa, noch die Polizei hatten überhaupt die Muße, ans Telefon zu gehen. Die Secufirma G&S ging ran, teilte uns aber mit, dass Beschwerden nur schriftlich entgegengenommen werden und überhaupt, sie machen alles was die Eigentümerfirma sagt. Stattdessen wurde ein Fotograph, der von seinem Recht uns zu besuchen Gebrauch machen wollte, handgreiflich daran gehindert, das Gelände zu betreten.
Schließlich waren da die ständigen Schikanen, die dauerhafte Beobachtung bei den alltäglichsten Sachen, die Abschaltung unseres Stroms und die Blockade unseres Trinkwasserzugangs, die Beleidigungen, das Gebell der Wachhunde. Also alles das, was prima für die psychische Zermürbung von Menschen geeignet ist. Das ist Verdrängung in seiner miesesten Art und hat absolut nichts mehr mit Menschenwürde zu tun. Wir fragten uns daher: geht es hier um eine persönliche Fehde oder hat Investa einfach keine andere Handhabe gegen uns?
2. Die Stadt verdrängt zu Spottpreisen.
Gut zwei Wochen verstrichen. Viele Menschen, die hier wohnten wurden von ihrem Zuhause vertrieben wegen Abwesenheit bei der Razzia, anderen ging es unter den Maßnahmen psychisch nicht mehr gut, einige gingen zurück auf die Straße („ da hat mensch wenigstens Ruhe“) - alle hinterließen Löcher in unserer Gemeinschaft.
Am 16.3. erkundigten wir uns beim Grundbuchamt, wer eigentlich momentan eingetragene Eigentümer*in ist. Wir hatten die Vermutung, dass der Stadt wenigstens noch Teile des Geländes gehören, da sie ja dort eine sog. ‚Planstraße‘ bauen wollen. Zu unserem Erstaunen bekamen wir die Auskunft, dass das ganze Gelände immer noch dem Land Berlin gehört . Sind das ernsthaft Maßnahmen, die das Land Berlin billigend in Kauf nimmt? Haben sie es nötig, sich hinter Privatrecht zu verstecken um eines der dreckigsten Verdrängungsgeschichten der letzten Jahren durchzuziehen? Oder auch so: Habt ihr eigentlich völlig den Verstand verloren?
Sagen wir mal, es war Unwissenheit. Alle sind davon ausgegangen dass per 1.7.2019 das Grundstück schon übertragen wurde, wie es ja schließlich auch öffentlich von der Senatsverwaltung kommuniziert wurde. [z. B. siehe https://taz.de/Besetzung-Rummelsburger-Bucht/!5595381/] Was also hieße, dass Lompscher keinen totalen Mist erzählt hat, als sie in der Anhörung im Abgeordnetenhaus der BuchtFürAlle-Ini erklärte: ihr seien die Hände gebunden. Selbst dann stellt sich trotzdem die Frage, für wen sich das Land Berlin interessiert und einsetzt, warum es egal ist, wenn Menschen auf eurem Grundstück auf diese Art und Weise drangsaliert werden. Wir fragen, wie habt ihr jetzt, wo ihr es ja wisst, vor an dieser Situation etwas zu ändern?
Weitaus wahrscheinlicher ist es, dass das Land Berlin ganz genau weiß , was da passiert und dass sie es eigentlich ändern könnten. Der Grund für sie die ganze Sache unterm Teppich zu kehren: sie wollen keinen Konflikt mit den sogenannten Kapitalinteressen, hier verkörpert von Investa.
Ebenso wäre es ihnen bestimmt auch unangenehm, wenn die Welt erfährt für welchen Spottpreis dieses Gelände veräußert wurde. Na gut, wir lüften das Geheimnis: am 9.6.2016 wurde das 5263 m² große Grundstück für 3,6 Millionen verkauft. Wir haben es ja nicht so mit Zahlen, aber nur so als Vergleich: die Gesamtausgaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in 2016 waren 580,5 Millionen (https://www.berlin.de/sen/finanzen/dokumentendownload/haushalt/haushalts...). Wir fragen nochmals, ist es euch das wert? War es das wert, hinter verschlossenen Türen den Bebauungsplan zu beschließen? War es euch das wert, die gute Arbeit von Engagierten (Bucht für Alle) dankend abzuwimmeln? War es euch das wert, die Gewerbe, die langjährigen Bewohner*innen und die Menschen ohne festen Wohnraum, die in der Bucht einen Bezugspunkt gefunden haben, dafür zu vertreiben? Wir wussten nicht, dass ihr so billig seid.
3. Repressionspost oder die Geschichte vom „armen“ Investor
Vor etwa einer Woche diskutierten Politiker*innen die Ausgangssperre, viele Menschen machen sich sorgen um ihre Zukunft nach und in Zeiten von Corona, die Welt scheint nicht mehr zu drehen wie vorher… Die ganze Medienaufmerksamkeit richtet sich auf dieses eine Thema und auch wir fanden es etwas unangebracht, mit unserem Thema um die Aufmerksamkeit zu ringen, wo doch sogar viel krassere Sachen (z. B. die Zustände auf den Lagern der griechischen Inseln, Schüsse auf Geflüchtete an der türkisch-griechischen Grenze, der Anschlag in Hanau) nicht mehr gesehen werden.
Investa dagegen hat ganz andere Probleme. Am Freitag, dem 20.3., ist bei einigen bei der Razzia anwesenden Personen ein Brief eingetroffen. Dieser enthielt einen Antrag auf einstweilige Verfügung sich vom Gelände fernzuhalten, bei Verstoß 250.000 Euro zahlen oder 6 Monate Ordnungshaft. Als Streitwert werden 20000 Euro angedroht. Auf das Schreiben, was ca. 100 Seiten fasst, sollen wir innerhalb von 3 Werktagen reagieren.
Dem Brief beiliegend ist die umfangreiche Akte in der Investa darlegt, warum sie sich nicht einen Räumungstitel holen können. Das würde viel zu lange dauern, wäre viel zu teuer mimimi… Zum Beispiel sind die Secus teuer, die kosten nämlich 45.000 Euro pro Woche (Anmerkung der hochladenden Person: In manchen Akten steht auch 90.000 für ihre 14 Lappen + Hunde). 45.000 Euro pro Woche? Um uns fertig zu machen? Verrückt wofür so alles Geld da ist in dieser Welt. Naja, blättern wir weiter in der Akte. Tatsächlich finden wir auch den Kaufvertrag und den Auszug aus dem Grundbuch, wo ja das Land Berlin noch als Eigentümerin eingetragen ist – wussten wir ja bereits. Damit Investa in irgendeiner Form Eigentümer*innenrechte ausüben könnte, brauchen sie eine Ermächtigungsbescheinigung (eine Art Vollmacht), die sie auch bekommen haben. Unser Anwalt merkt an, dass es überhaupt fraglich sei, ob die in dieser Form so gültig sei, aber abgesehen von juristischen Dingen fällt uns sofort auf, dass die Bescheinigung auf den 16.3., den Tag unserer Nachfrage beim Grundbuchamt, datiert ist. An Zufälle glauben wir schon länger nicht mehr - uns sinkt die Kinnlade bis ins verseuchte Sediment der Bucht hinunter. Das ist also die Art und Weise, wie die Stadt mit der Lage (siehe oben) umgeht. Oh ja, Entschuldigung, vergessen: natürlich könnt ihr den Abschaum dort einfach entsorgen, mit freundlichen Grüßen, der Rot-Rot-Grüne Senat.
Und für wen? Investa ist eine Scheiß-Reiche Firma, die Projekte in 2stelliger Millionenhöhe bundesweit „realisiert“. Auf ihrer Website werben sie mit: „Neue Ideen verfolgen und deren Umsetzung wagen, ist unser unternehmerischer Anspruch, der uns dabei leitet.“
Ist das als neue Idee dabei rausgekommen? Einfach mal die Umsetzung rechtswidriger Ideen zurückzugreifen um Leute zu nerven, die eurem Profit im Weg stehen?
Wen das bei Investa nicht wundert, der fragt sich schon, ob die Stadt eigentlich total vergessen hat, für wen sie sich als rotrotgrüne Regierung einsetzen wollten. Gabs da nicht mal den Slogan „Wohnen für alle“ bei der Wahl? Ganz ehrlich, reißt euch mal zusammen, pfeift die Securitys zurück und überlegt euch, ob ihr so einer Firma vertrauen wollt, wenn ihr „gemeinsam“ die Prozentzahl an langfristigen mietpreisgebundenen Wohnungen im Neubauklotz aushandelt. Und falls ihr es immer noch nicht verstanden habt, stellt euch kurz vor, dass ein fremder Typ mit orangener Weste und Hund an der Leine durch eure Bude stolziert und euch zuguckt, wenn ihr aufm Klo sitzt.
Danke für nix.
4. Wir wissen nicht, was wir am schlimmsten finden.
Der Antrag auf einstweilige Verfügung, den die bei der Razzia anwesenden Menschen zugesandt bekommen haben, ist deutlich nur eine Weiterführung der Schikane-Strategie, die sich Investa eben leisten kann. Die rechtliche Grundlage dafür ist recht dünn und zu einer Zeit, in der Mainstreammedien von gesellschaftlicher Krise sprechen, ist drohender Wohnraumverlust jedweder Art umso schlimmer. Investa kann sich eben eine teure Anwaltskanzlei (von Trott zu Solz Lammek, bearbeitet von Cecil Graf Vitzthum ernsthaft?!) leisten, die dann einen Antrag stellt. Und ob der dann durchgeht oder nicht, ist für Investa vielleicht gar nicht so der große Verlust… Ach die paar Tausend Euro mehr oder weniger… Mensch könnte berechtigterweise annehmen, dass Menschen, die auf dem Sabotgarden leben weitaus geringere finanzielle Spielräume haben als Investa, sodass schon einen Anwalt kontaktieren zu müssen, eine finanzielle Existenzbedrohung darstellt. Solch ein Vorgehen (vor allem in Zeiten der „Krise“) zeigt, was Investa für ein Unternehmen ist. Das ist was wir meinten, als wir sagten: der Rechtsweg steht uns nicht offen. Das Vorgehen von Investa ist an dieser Stelle einfach nur unmenschlich, beschissen, profitgeil - egal unter welchen Umständen (und sogenannte „Umstände“ gibts viele in der „Geschichte der Rummelsburger Bucht“).
Außerdem kotzt es uns an, dass ein rotrotgrüner Senat dieses Vorgehen stillschweigend billigt, zumal hier ein relativ simples und begründetes Vorgehen gegen Investa möglich wäre, da die Stadt noch eingetragene Eigentümerin ist. Dass dieser Senat die Wohnungslosigkeit, Zerstörung einer Gemeinschaft und eines Lebensmittelpunktes von 35 Personen in Kauf nimmt, ja genau genommen sogar die Verantwortung dafür trägt, zeigt welches Gewicht Kapitalinteressen in dieser Stadt haben. Die Ignoranz der Stadt gegenüber dem beschissenen Verhalten von Investa und dem drohenden bzw bereits eingetretenen Wohnraumverlust, der Menschen auf dem Saborgarden muss aufhören!
Auf dem Sabotgarden bekommen Verdrängung und Rausschmiss in Zeiten von Corona ein neues Gesicht. Wir erwarten wirklich nicht viel von Politiker*innen und Investor*innen und sind letztendlich doch schockiert, welch skrupellose Methoden angewandt werden, wenn es darum geht Kapitalinteressen zu verwirklichen.
Wie könnt ihr von Solidarität in Zeiten der Krise labern und gleichzeitig so einen Mist produzieren? Wir wagen zu behaupten, dass es ohne Corona genauso verlaufen wäre, nur jetzt, wo alle zu Hause bleiben sollen und wir uns alle solidarisch unterstützen sollen, quillt die Scheinheiligkeit aus allen Ritzen. Wir würden ganz gern zuhause bleiben, aber ihr nehmt es uns weg!
Eine Sache ist sicher, Verdrängung hat viele Gesichter und funktioniert auch oft. Wir, die Buchtratten werden verdrängt, aber glaubt ihr wirklich, wir werden weg sein, vom Erdboden verschluckt? Wir werden nicht einfach verschwinden und die Ideen in unseren Köpfen auch nicht. Wir werden weiter kämpfen, weil wir mit jedem solidarischen Ort der entsteht einmal mehr wissen wofür. Und auch wogegen: Wir sind gegen eure scheißteure Stadt für reiche Leute, in der es für viele Menschen keinen Platz gibt und wir verachten euch, weil euer Profit nur auf Kosten anderer entsteht!
Secus verpisst euch vom Sabotgarden! Gebt uns unseren Lebensraum zurück!
(Geht die Bullen nerven. Oder bleibt einfach daheim – das ist gerade eh das beste.)
An den Senat: Schmeißt die Investa GmbH vom Sabotgarden runter! Bucht für alle!
(seht es als eure letzte Chance einen Hauch von Glaubwürdigkeit zu bewahren.)
Gegen eine Stadt der Reichen. Living spaces not yuppie places!
Anlage: Die Reschercheergebnisse auf einen Blick
- das Gelände (Gemarkung Lichtenberg, Blatt 7559N, Flur 513, Flurstücke 484 und 492) das die Investa RuBu 1 GmbH und Co KG und Investa RuBu 2 GmbH und Co KG am 9.6.2016 gekauft haben, gehört laut Grundbuch noch der Stadt. Sie ist damit immer noch Eigentümerin.
- die sonstigen Flurstücke des Sabotgarden (u.a. 481, 485, 488, 498, 517) gehören der Stadt, diese wurden nach unseren Informationen auch niemandem Verkauft. Auf diesen Flächen befindet sich unter anderem das Secuhäuschen. Auch unsere Küche und Gemeinschaftsinfrastruktur befindet sich höchstwahrscheinlich auf Gelände, das die Stadt nicht verkauft hat.
- der Verkaufspreis für die Flurstücke 484 und 492 mit einer Gesamtfläche von 5263 m² wurde für 3.651.700,00 Euro verkauft.
-die Secufirma (G&S Security) kriegt ab dem 1.3.2020 44.759,14 Euro dafür, den Sabotgarden zu bewachen.