Hausbesetzung in Pamplona (2)
Seit dem 5.Dezember gibt es in Pamplona (baskisch: Iruñea) nach 11 Jahren wieder eine neues Gaztetxe, ein neues besetztes Sozialzentrum. Die Besetzung durch mehrere Dutzend von jungen Leuten erfolgte im Anschluss an eine Demonstration unter dem Motto „Zeit für ein Jugendhaus“ (Ordua da – gaztetxea), sie führte am Standort des seinerzeit geräumten und abgerissenen Alai Alai Gaztetxes vorbei. Der neue Squat ist nur wenige Meter entfernt, es handelt sich um ein seit Jahren leer stehendes Wohnhaus, das nun als selbstverwaltetes Jugend- und Sozialzentrum genutzt werden soll. Das Gebäude gehört der Regionalregierung von Navarra, die seit Mai von einer Koalition aus vier Gruppen gebildet wird: baskische Linke, nationalistische Christdemokraten, Vereinigte Linke und Podemos.
Trotz Besetzung am Wochenende ließ die Antwort von offizieller Seite nicht auf sich warten. In der öffentlichen Erklärung hieß es, die Besetzung sei ein Besorgnis erregendes Indiz dafür, dass die Forderung nach selbstbestimmten Räumen für die Jugend bisher ohne Antwort geblieben sei. Für den Anfang keine schlechte Reaktion von institutioneller Seite. Danach heißt es: „Die einseitige Besetzung eines Gebäudes erscheint uns allerdings nicht die Lösung eines zweifellos vorhandenen Problems, das auf anderen Wegen angegangen werden sollte”. Weiter: „Mehr Dialog zwischen dem Rathaus von Iruñea und der Gazte Asanblada (Jugend-Versammlung) hätte eine Situation wie die vorliegende sicher verhindert, denn es handelt sich letztendlich um eine Besetzung und das ist nicht legal“. Trotz Warnsignal ist diese Erklärung in vorsichtigem Ton formuliert, den Verantwortlichen liegt offenbar daran, dass Türen nicht zugeschlagen werden. Allein der Gebrauch der Vokabel „nicht legal“ anstatt „illegal“ ist für navarrische Verhältnisse bereits bemerkenswert. Vor kaum mehr als einem halben Jahr, mit reaktionären Regierungen in Stadt und Region wäre bereits am Folgetag der Besetzung ein Großaufgebot von Polizei aufmarschiert, um „die öffentliche Ordnung zu schützen“.
Ganz nebenbei ist der vierte Partner der linksliberalen „Koalition des Wechsels“, die sowohl die Stadt- alsauch die Landes-Regierung übernommen hat, schon einen Schritt weiter gegangen: die kleine Gruppe Aranzadi hat die Besetzung begrüßt und ihre Unterstützung versprochen. „Wir gehen davon aus, dass es sich um Projekt für die Bevölkerung handelt, ohne Vormundschaft durch institutionelle Kräfte“, hieß es in deren Erklärung.
Auch die Vollversammlung des Gaztextes Iruña setzt auf Dialog und hat einen „Kommunikations-Kanal“ mit der Regierung Navarra eröffnet, um einer eventuellen Räumung vorzubeugen. Per Presse-Erklärung wurde bekannt gegeben, dass es in der VV von Beginn an Dialogbereitschaft gäbe „mit der Eigentümerin der Immobilie“ (navarrische Regierung), um die Motive für die Besetzung zu vermitteln und zu einer Vereinbarung zu kommen. Allerdings wird Wert gelegt auf die Feststellung, dass auf keinen Fall das Rathaus von Pamplona als Verhandlungspartner akzeptiert werde. Gleichzeitig werden die sozialen Bewegungen der Stadt aufgefordert, die Bemühungen um das Zentrum zu unterstützen, mit den folgenden Forderungen:
* gegenüber der Regierung von Navarra dafür einzutreten, keine Räumung zu veranlassen, solange Gespräche stattfinden,
* Verhandlungspartner soll nicht das Rathaus Pamplona sein, sondern die für Liegenschaften verantwortliche Person in der Landes-Regierung,
* den Mangel an selbstverwalteten Räumen zu unterstreichen und deutlich zu machen, warum gerade dieses Gebäude besetzt wurde, die Regierung zu einer positiven Antwort zu drängen.
Für Unterstützung hat die Asanblada zwei Support-Kontakte eingerichtet, einer für Gruppen, ein anderer für Einzelpersonen (siehe unten).
Die Vollversammlung definiert das neue Zentrum folgendermaßen: An der Besetzung nahmen Leute aus dem Barrio teil, die Besetzung wurde zum Fest für den ganzen Stadtteil, für den der neue Raum zur Verfügung stehen soll. Das Projekt soll eine horizontale Entscheidungs-Struktur aufweisen, Rücksicht nehmen auf die Nachbarschaft, selbstverwaltet sein, die Stärken der Selbstversorgung deutlich machen, gegen Individualismus kollektive Werte und gegenseitigen Respekt fördern, Möglichkeiten bieten für verschiedene Generationen. Das Zentrum soll frei sein von Rassismus, Tier-Ausbeutung, Sexismus, es soll Raum bieten, Alternativen zu entwickeln zum patriarchalen Modell, zu Konsum und Kapitalismus, andere Formen der Konfliktlösung hervorbringen. Volksküche, Volksgarten, Volksbibliothek, ein Kino, eine Baskisch-Schule, etc. sollen Teil des Projektes werden.
„Wir sind überzeugt, dass die aktuelle Wirtschaftskrise vom kapitalistischen System selbst geschaffen wurde und nur zu einer Erneuerung dieses Systems führt, von der allein die herschenden Klassen Nutzen ziehen. Deshalb ist es mehr denn je wichtig, autonome Strukturen zu entwicklen, damit die sozialen Bewegungen nicht von Institutionen absorbiert werden können, und ihre Funktion der gesellschaftlichen Veränderung verwirklicht werden kann“. So das Selbstverständnis der Vollversammlung.
Wie nicht anders zu erwarten, verurteilte die rechte Ex-Regierungspartei UPN die Besetzung, der Begriff „gaztxexte“ sei in der Stadt immer „verbunden mit Ausgrenzung und Radikalität“. Leer stehende Häuser sollten genutzt werden, damit sie nicht besetzt werden können – zu eigenen Regierungszeiten wurde das Problem Leerstand mit Polizeigewalt ausgeglichen. Ein Skandal sei es, dass sich eine Partei aus der Koalition „zum Komplizen gemacht“ habe.
Nach dem Kästner-Motto „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“ machten sich Aktivist/innen der Gaztetxe-Vollversammlung ans Werk und begannen mit der Instandsetzung des Gebäudes.
(Deutscher Text:)
http://baskinfo.blogspot.com.es/2015/12/besetzung-in-pamplona-2.html
(Original-Quellen und Unterstützung:)
· https://gaztetxearenalde.wordpress.com/
· https://www.change.org/p/gobierno-de-navarra-por-un-gaztetxe-en-iru%C3%B1a