Youtube als Pipeline nach Rechts
Dieser Artikel setzt sich mit der zunehmende Bedeutung selbsternannter Newsportale auf YouTube auseinander, die oft ohne fundiertes politisches Wissen agieren und dadurch unbeabsichtigt oder bewusst rechte Narrative stärken.
Immer mehr Menschen holen sich politische Informationen aus YouTube-Videos, oft von Personen, die selbst betonen, keine politische Bildung zu haben. Was auf den ersten Blick ehrlich wirkt, birgt eine Gefahr: Wenn Meinung mit Information verwechselt wird.
Ein Beispiel dafür ist der YouTuber Streaven, der seinen Kanal in der Form eines Newsportals gestaltet. Obwohl er offen zugibt, keine politische Fachkenntnis zu besitzen, bewertet er regelmäßig politische Themen. Auffällig ist dabei, dass er nicht über das gesamte aktuelle Geschehen berichtet, sondern gezielt jene Nachrichten auswählt, die ihn persönlich interessieren. Das ist an sich weder ungewöhnlich noch verwerflich, niemand kann oder muss alles abdecken.
Problematisch wird es jedoch, wenn durch die äußere Aufmachung eines Kanals der Eindruck entsteht, es handle sich um eine umfassende und ausgewogene Nachrichtenquelle. Wird dieser Eindruck nicht erfüllt, sollte das kritisch hinterfragt werden, zumindest was die Glaubwürdigkeit im Auge der Zuschauer betrifft.
Streaven ordnet wiederholt politische Aussagen dahingehend ein, ob sie rechts, nicht rechts, normal oder links seien, eine Bewertung, die er trotz eigener Aussagen über mangelnde politische Bildung vornimmt. Dabei unterlaufen ihm regelmäßig Fehleinschätzungen: Rechte Positionen erscheinen ihm oft als „normal“, wodurch linke Aussagen in seinen Augen schnell als übertrieben oder extrem erscheinen. Diese Verzerrung entsteht weniger aus böser Absicht, sondern vielmehr aus fehlendem Hintergrundwissen, führt jedoch dazu, dass seine Zuschauer ein verzerrtes Bild des politischen Spektrums vermittelt bekommen. Er kritisiert auffällig häufig Linke oder Frauen, während Rechte oder Männer deutlich seltener Ziel seiner Kritik sind, was tendenziell frauenfeindliche oder rechte Narrative stärkt und gleichzeitig bestehende konservative Weltanschauungen im Publikum bestätigt.
Streaven wurde als Beispiel gewählt, weil er anders als offen hetzende Kanäle neutral wirken will, seine fehlende politische Expertise offen zugibt und durch gezielte Themenwahl schnell viele Zuschauer gewinnt – ein Beispiel für den raschen Einfluss solcher Formate.
Diese Dynamik kann leicht zur Folge haben, dass sich das Publikum (oft ohne es bewusst zu merken) in Richtung offen rechter oder sogar rechtsextremer Inhalte bewegt. Wenn konservative bis rechte Narrative als „neutral“ oder „gesunder Menschenverstand“ dargestellt werden, wirken progressive oder linke Perspektiven schnell radikal. In diesem verzerrten Rahmen verstärken sich kognitive Verzerrungen wie der Bestätigungsfehler (confirmation bias): Nutzer nehmen vor allem Informationen wahr, die ihre Sichtweise stützen.
Zudem fällt der Weg nach rechts algorithmisch wie emotional oft kürzer aus als jener nach links: Rechte Narrative sind häufig einfacher, emotional aufgeladener und stärker auf Polarisierung ausgerichtet, was für höhere Klickzahlen und damit einen algorithmischen Vorteil sorgt. Gleichzeitig bedienen sie bestehende Ängste und Weltbilder, was unbewusste Zustimmung erleichtert. Plattform-Algorithmen greifen dieses Verhalten auf und schlagen gezielt Inhalte vor, die in dieselbe Richtung gehen (oft professioneller aufbereitete, aber ideologisch deutlich fester und radikaler).
Ein ursprünglich unpolitisches Publikum, das nur Unterhaltung suchte, kann so Schritt für Schritt in ein klar rechtes oder sogar rechtsextremes Medienumfeld geleitet werden, ohne je den Eindruck zu haben, sich politisch radikalisiert zu haben.
Dabei spielt auch die Plattform eine zentrale Rolle. YouTubes Algorithmus priorisiert Inhalte, die Aufmerksamkeit binden, nicht solche, die differenzieren. So entsteht ein verzerrtes Bild der Realität, das kaum hinterfragt wird.
Die Frage, wie wir mit solchen Formaten umgehen – ob wir sie ignorieren, kritisch einordnen oder klar benennen – wird immer drängender. Nicht jeder YouTuber muss Journalist sein, aber wer sich als Nachrichtenquelle inszeniert, trägt Verantwortung. Gerade weil ein Teil der Zuschauer noch jung oder wenig erfahren ist, fällt es ihnen schwer, Verzerrungen und Manipulationen bewusst zu erkennen und einzuordnen. Creator sollten sich ihrer Einflussnahme bewusst sein und Plattformen sollten algorithmische Anreize für Polarisierung reduzieren.
