Die kurzen Beine von Bundesinnenministerium und Bundesamt für Verfassungsschutz

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Katalogkarte der Humboldt-Universität zur Dissertation von Fritz Werner (Greifswald, 1934), später Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht

(((i))) linksunten.indymedia.org – das erste Vereinigungsverbot gegen links seit 1964?

 

Das Bundesinnenministerium – als Tarnfirma des Bundesamtes für Verfassungsschutz – behauptet im Verfassungsschutz-Bericht 2018 auf S. 139: „Das Verbot [von linksunten.indymedia 2017] war das erste einer linksextremistischen Vereinigung seit Inkrafttreten des Vereinsgesetzes im Jahr 1964.“

In einem Artikel, der am Mittwoch bei neue-debatte.com erschienen ist, stelle ich die historische Wahrheit klar. Ich zeige,

  • daß seit 1964 eine ganze Reihe von sog. „linksextremistischen“ Ausländer- und Auslandsvereinen verboten wurde (bzw. ihnen die Betätigung in der Bundesrepublik untersagt wurde)

  • daß seitdem ein sog. „linksextremistischer“ ‚Inländerverein‘ – nämlich der SDS Heidelberg 1970 (wenn auch nicht auf Bundesebene, sondern in Baden-Württemberg[1]) verboten wurde

  • daß die Wahl des Jahres 1964 als Einschnitt nicht sonderlich signifikant ist: Zwar trat 1964 das – im Grundsatz auch heute noch geltende – Vereinsgesetz in Kraft; aber sowohl vor als auch nach 1964 (und auch für das linksunten-Verbot) war der – unverändert gebliebene Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz[2] die grundlegende Norm für die Rechtfertigung von Vereinsverboten

  • daß vor 1964 zahlreiche sog. „linksextremistische“ Vereinigungen verboten wurde:

    ++ die FDJ 1954 vom Bundesverwaltungsgericht auf Antrag der Bundesregierung;

    ++ die meisten anderen auf Aufforderung der Bundesregierung durch Landesbehörden.

  • daß von diesen Verboten auch der Rat (‚Vorstand‘) der VVN betroffen war

    und

  • ein Verbot der gesamten VVN – also auch des Unterbaus in Form von Landes- und Ortsverbänden – nur in letzter Minute (u.a. aufgrund der Enthüllung der NS-Vergangenheit des Vorsitzenden Richters des zuständigen Senats des Bundesverwaltungsgerichts) scheiterte:

    „Die Freiheit als Freiheit der in das Belieben gestellten Lebensgestaltung des Einzelnen ist nach der Niederlage des Liberalismus nicht mehr … geeignet als Axiom zu dienen.“

    (Fritz Werner, Tarifvertrag und Tarifordnung, Fischer & Schmidt: Stettin, 1934 [zugl. Diss. Uni Greifswald, 1934] zit. n. Präsidium der VVN – Bund der Antifaschisten (Hg.), Vom Häftlingskomitee zum Bund der Antifaschisten. Der Weg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Röderberg Verlag: Frankfurt am Main, 1972, 45)

  • daß es der Staat – statt sich mit vereins- bzw. verwaltungsrechtlichen Vereinsverbo­ten zu begnügen – insb. seit den 70er Jahren gegenüber deutschen, linken Struktu­ren vorzog, sogleich mit dem scharfen strafrechtlichen Schwert des Vorwurfs der Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder der Werbung für solche Vereinigungen (§§ 129 [aktuelle Fassung; Fassungen ab Sept. 1964] und 129a StGB [aktuelle Fassung; Fassungen ab Sept. 1976] – und die daran geknüpften weitreichenden strafprozessualen Ermittlungsmöglichkeiten und Sonderverfahren-Regelungen – zuzuschlagen.

Schließlich wird in dem Artikel auf mehrere – unterschiedlich gegliederte Vereinsverbotsstatistiken – für die Zeit

hingewiesen.

 

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1 Eine solche Einschränkung („auf Bundesebene“) findet sich allerdings im VS-Bericht ohnehin nicht. Vielmehr wird dort pauschal von, „erste[s Verbot] einer linksextremistischen Vereinigung seit Inkrafttreten des Vereinsgesetzes im Jahr 1964“, gesprochen.

2 „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“

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