Aktionstag für Trans*gesundheit - Adbusting in Berlin und Potsdam

Auf den Fotos sind Plakate in Vitrinen. Auf dem Plakat sind drei Personen abgebildet. Der Text in Sprechblasen lautet: "Geschlechtsaffirmierende Operationen? Gerne lehnen wir deinen Antrag ab. Wir diskriminieren Transpersonen." Ein weiteres Plakatmotiv zeigt eine dem Gesundheitsminister ählich sehende Person. Der Text lautet: "Sie sind trans? Ihre Gesundheitsversorgung ist bei uns in schlechten Händen!"

In der Nacht von Donnerstag, dem 21.03. zu Freitag, dem 22.03. hat die Aktionsgruppe Trans Justice Berlin 30 Plakate in Berlin und Potsdam aufgehängt. Die Plakate, die vermeintlich Werbung für den Medizinischen Dienst und das Bundesministerium für Gesundheit machen sollen, kritisieren den schlechten Stand der Gesundheitsversorgung für trans und nicht binäre Personen.

 

Aktionstag für Trans*Gesundheit: Aktivist*innen hängen gefälschte Plakate vor das Büro vom Medizinischen Dienst

In der Nacht von Donnerstag, dem 21.03. zu Freitag, dem 22.03. hat die Aktionsgruppe Trans Justice Berlin 30 Plakate in Berlin und Potsdam aufgehängt. Diese befinden sich unter anderem direkt vor dem Büro des Medizinischen Dienstes am Mierendorffplatz in Berlin und an verschiedenen zentralen Orten in Potsdam. Anlass dafür ist der bundesweite Aktionstag für Trans* Gesundheit am 22.03.2024. Die Plakate, die vermeintlich Werbung für den Medizinischen Dienst und das Bundesministerium für Gesundheit machen sollen, kritisieren den schlechten Stand der Gesundheitsversorgung für trans und nicht binäre Personen. Die Aktivist*innen verstehen sich als Teil eines unabhängigen Netzwerks für Transgesundheit, das die Stimmen der Betroffenen ins Zentrum rückt.„Wir haben die Schnauze voll davon, dass die Barrieren für unsere Gesundheitsversorgung so hoch sind“ sagt Pressesprecher*in Kai Leiserbach, „deswegen haben wir unseren Frust direkt zu den Büros der Verantwortlichen getragen.“ Diese Aktionsform, bei der Werbung durch kleine Veränderungen für Politik instrumentalisiert wird, nennt sich „Adbusting“. Dass die Aktion notwendig ist, zeigt sich auch daran, dass es innerhalb weniger Stunden für notwendig befunden wurde, einige Plakate in Potsdam wieder zu entfernen und eines zu beschmieren. Kai Leiserbach kommentiert dies: „Anscheinend sind Trans-Rechte für einige Personen in Potsdam immer noch ein Dorn im Auge.“

Kritik am Medizinischen Dienst

Ein Plakat ist inspiriert von einer Krankenkassenwerbung und zeigt drei Menschen, die in die Kamera lächeln. In SMS-ähnlichen Sprechblasen steht „Geschlechtsaffimierende Operation? Gerne lehnen wir deinen Antrag ab. Wir diskriminieren trans Personen.“ Viele trans, nicht-binäre, genderqueere und agender Personen erleben Geschlechtsinkongruenz, das Gefühl, dass die Geschlechtsschublade, die einem bei der Geburt zugeteilt wurde, einfach nicht passt. Einige möchten deswegen medizinische Maßnahmen nutzen. Hierfür sind sie jedoch oftmals auf eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen angewiesen, welche bei medizinischen Fragestellungen den Medizinischen Dienst zu Rate ziehen. Aber der Weg durch die Kostenerstattung ist lang, anstrengend und endet häufig mit einer Absage, sodass medizinische Maßnahmen teuer selbst gezahlt werden müssen. „Geschlechtsaffirmierende Maßnahmen sollten kein Luxus, sondern für alle zugänglich sein, die sie brauchen.“, so Kai Leiserbach. Trans Personen müssen laut den Richtlinien des Medizinischen Dienstes für bestimmte Behandlungswünsche noch immer teils monatelange Zwangstherapie aushalten. Sie müssen Fragen über ihre Unterwäsche, ihr Masturbationsverhalten, ihren Pornokonsum und vieles mehr ertragen und irgendwelchen Gutachter*innen oder Psychiater*innen gegenüber beantworten. Nicht-binäre Personen müssen oft ihre Geschlechtsidentität verstecken, um überhaupt medizinische Versorgen erhalten zu können. In den veralteten medizinischen Richtlinien kommen sie schlicht nicht vor und diesen Umstand nutzen Krankenkassen, um Behandlungen nicht bezahlen zu müssen. So enden 50 Prozent der Erstanträge bei einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst mit einer Ablehnung. „Wir fordern ein Ende dieser diskriminierenden Praktiken. Über unsere Körper können nur wir selbst entscheiden.“, erklärt Kai Leiserbach. „Wir wollen nicht mehr überhört werden!“.

Kritik am Bundesministerium für Gesundheit

Auf einem anderen Plakat im Namen vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Gemeinsamen Bundesausschuss heißt es Sie sind trans? Ihre Gesundheitsversorgung ist bei uns in schlechten Händen!“. Darunter führt ein Text weiter aus: „Trans Personen erleben viele Barrieren und Diskriminierung in der medizinischen Versorgung wie zum Beispiel entwürdigende Zwangsgutachten, lange Wartezeiten und Ablehnung der Kostenübernahme von geschlechtsaffirmierender Versorgung.“ Die Namen der Behörden wurden geändert, statt „Bundesministerium für Gesundheit“ und „Gemeinsamer Bundesausschuss“ heißt es jetzt „Bundesministerium für Ungesundheit“ und „Gemeiner Bundesausschuss“. „Anstatt unkompliziert die Gesundheitsversorgung zu erhalten, die sie brauchen, machen trans Personen oft diskriminierende und traumatisierende Erfahrungen in dem Prozess, die Kostenerstattung von ihrer Gesundheitsversorgung zu beantragen, z.B. durch Zwangsgutachten. Diese führen oft zu noch mehr Leiden.“, führt Pressesprecher*in Kai Leiserbach aus. „Auch das Bundesgesundheitsministerium und der Gemeinsame Bundesausschuss als Gremium, welches zum Beispiel über Leistungsansprüche der Versicherten entscheidet, sind hierfür mit verantwortlich. So sind geschlechtsaffirmierende medizinische Maßnahmen noch immer keine Kassenleistung, was es dem Medizinischen Dienst ermöglicht, weiterhin an seiner demütigenden Begutachtungspraxis festzuhalten - ironisch, dass die Politik genau das Gegenteil von dem tut, was sie machen sollte.“

Auch das Bundessozialgericht hat im Oktober 2023 im Verfahren „B1 KR 16/22 R“ ein Urteil getroffen, welches Kostenübernahmen in neu begonnenen medizinischen Transition verhindern kann. Das ist skandalös und potentiell lebensgefährlich - hier ist die Politik ebenfalls gefragt, schnell zu handeln und die lebensnotwendige Gesundheitsversorgung für trans Personen sicherzustellen!

Trans Rechte Weltweit

Doch den Trend zur Einschränkung von medizinischer Versorgung für trans Personen gibt es nicht nur in Deutschland: in den USA haben es Konservative in einigen Staaten geschafft, ihnen den Zugang zu Gesundheitsversorgung komplett zu verwehren. Trans Personen sind hier oftmals gezwungen, aus diesen Staaten zu fliehen, insbesondere trans Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Rechte Parteien in Deutschland wollen an diese Diskussionen in den USA anknüpfen, so ist Hetze gegen Minderheiten Teil ihres Wahlkampfs. Das trifft insbesondere Personen, die neben ihrer Geschlechtsidentität wegen ihrer Hautfarbe, ihrem Einkommen, ihrer Intergeschlechtlichkeit, ihrer Arbeit, ihrer Sprache, ihren Erkrankungen und/oder ihren be_hinderungen diskriminiert werden, besonders hart. So bestätigt Kai Leiserbach: „Wir müssen dafür kämpfen, das wir unsere Rechte bekommen und auch behalten!“In Potsdam wurden einige Plakate innerhalb von wenigen Stunden entfernt und andere wurden beschmiert.

Wie geht es weiter?

Am 31.03. steht der Trans Day of Visibility an, an dem der Fokus auf die Situation von trans Personen weltweit gerichtet wird. Aber schon am 22.03. finden im Rahmen des bundesweiten Aktionstages für Trans*gesundheit in verschiedenen Städten in ganz Deutschland Aktionen und Kundgebungen statt, um insbesondere auf die mangelhafte Gesundheitsversorgung von trans Personen aufmerksam zu machen. Weitere Informationen hierzu können unter https://transjustice.noblogs.org oder auf Instagram @trans_gesundheit und Mastodon @transgesundheit@mastodon.social eingesehen werden.

 

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