Solidarität mit den sozialen Revolten in Frankreich! Für soziale Revolten in Deutschland!

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Die sozialen Revolten in Frankreich verdienen unsere Solidarität. Dabei hilft keine blanke Kopie davon, sondern eine auf deutsche Verhältnisse angepasste Bewegung. Mit 10 Thesen begründen wir, warum wir das glauben. Die Kategorien sind schlicht gehalten, um dem spontanen, selbstorganisierten, nicht-akademischen Charakter der Gelben Westen gerecht zu werden.

 

Derzeit toben sehr starke Sozialproteste in Frankreich. Die umsatzstärksten Wochen des Einzelhandels fallen quasi aus, Autobahnen, Mautstellen, Grenzübergänge, Fabriken, Raffinerien, Universitäten und vieles mehr sind besetzt oder blockiert. Neben den anarchischen (nicht anarchistischen) Protesten der „Gelben Westen“ gibt es auch weitere Bewegungen, z.B. von Schüler*innen- und Student*innen und Gewerkschaften, die sich keine Westen anziehen. Die Proteste der Gelben Westen sind unangemeldet und bislang ohne anerkannte Repräsentanten. Aber was ist das jetzt? Der gekommene Aufstand? Oder nur eine etwas heftigere Variante der alljährlichen Proteste in Frankreich? Was können oder sollten wir in Deutschland tun? Es wird Zeit nicht nur zu jammern, dass niemand etwas macht, sondern Zeit, dass wir uns Fragen stellen, analysieren und noch wichtiger, dass wir endlich handeln!

 

 

 

Wir denken, es ist sehr sinnvoll diese Sozialproteste zu unterstützen und eigenständige Proteste in Deutschland zu beginnen. Deswegen haben wir 10 Thesen formuliert. Es geht nicht um wissenschaftliche Korrektheit, sondern um eine praktische Diskussionsgrundlage. (Unser Wissen stammt leider fast ausschließlich aus Sekundärquellen):

 

 

 

Zum Protest in Frankreich:

 

These 1: Es sind soziale Unruhen, die sich an erheblichen Kaufkrafteinbußen der unteren Schichten entzündet haben, während gleichzeitig die Reichen immer weiter steuerlich entlastet wurden.

 

These 2: Die Zusammensetzung der Protestierenden folgt eher materiellen Interessen und Klassenzugehörigkeiten (unten vs. oben; arm vs. reich) und nicht Gesinnungen (links vs. rechts).

 

These 3: Es sind linke und rechte Kräfte in der Bewegung aktiv, die ernsthaft mitmachen und/oder sie vereinnahmen wollen. Das Eingreifen von linken Kräften ist notwendig um nationalistische und rassistische Tendenzen in der Revolte zu bekämpfen und einen progressiven Charakter zu bewahren.

 

These 4: Der Protest begann reformistisch, radikalisiert sich aber zunehmend. Umso wichtiger ist die Teilnahme an dieser richtungsweisenden Stelle der Proteste.

 

 

 

Zu einer Übertragung nach Deutschland

 

These 5: In Deutschland gab es erhebliche Kaufkrafteinbußen in den letzten Jahren. Hauptsächlich durch steigenden Mieten („Mietenwahnsinn“) und sinkende Reallöhne, Hartz IV, Leiharbeit, stagnierende Renten, Minijobs und Gutscheine. Wir selbst sind davon betroffen! Reiche profitierten hingegen extrem durch steigende Immobilien- und andere Kapitalerträge und deren geringe Steuerlast. Gerade im Bereich der Mietenpolitik gibt es eine gut organisierte Basis mit ausreichend Netzwerk, Erfahrung und Wut um eine Bewegung zu tragen.

 

These 6: Damit ist eine Erzählung und eine Perspektive gegeben, unter der auch „Gelbe Westen“ Proteste in Deutschland sinnvoll sein können. Es wäre keine künstliche Kopie.

 

These 7: Es ist extrem wichtig soziale Kämpfe zu führen um schlagkräftig gegen neoliberale Politik zu werden. Es wäre zugleich ein Zeichen der europäischen Solidarität der „einfachen Leute“ (im Gegensatz zu EU und dem Europa von oben der Staatschefs).

 

 

 

Antifaschistische Gedanken:

 

These 8: Es ist extrem wichtig soziale Kämpfe zu führen um Land gegenüber rechten populären Bewegungen zu gewinnen. Denn es gibt von der deutschen Extremen Rechten (z.B. Pegida und IB) Versuche die Gelben Westen zu einer nationalistisch-rassistischen Bewegung umzudeuten und derart verzerrt hierzulande zu etablieren. Werden diese Versuche nicht zurückgewiesen oder marginalisiert, könnten sie zu einem großen Mobilisierungserfolg der Rechten in Deutschland werden und Leute nachhaltig nationalistisch politisieren.

 

These 9: Dies nur zu blockieren wäre fatal, da es wirken würde, als verteidigten Antifaschist*innen die bestehende neoliberale Politik. In jedem Falle hätte die rechte Strategie dann dazu geführt, dass wir einen sozialen Konflikt nicht führen. Das darf nicht sein. Ernsthafte Alternativen müssen gefunden werden, z.B. eine eigene Adaption der Gelben Westen, oder andere Formen um die berechtigte Wut gegen die Verhältnisse auszuleben.

 

These 10: Der Protest wird in Frankreich auch so beschrieben: weder ultra-links, noch ultra-rechts, sondern ultra-volk („ultra-peuple“). Den Rechten hilft, dass der Begriff „Volk“ vieldeutig ist, von einem größeren Teil der hiesigen Linken aber auf „völkisch“ reduziert wird. So profitieren die Rechten von der etwas unsauberen Übersetzung von „peuple“ (frz.) zu „Volk“. Ein Begriff von „Volk“ wie in „Volkspark“, der alle „einfachen Menschen“ abseits von Nationalität oder Ethnie umfasst, würde das Problem lösen. Es muss kein linker Kampfbegriff werden, sollte aber kein rechter bleiben.

 

(Wir wollten diese These eigentlich weglassen, aber die obigen Versuche ein Wort für „einfache Leute“ zu finden, zeigt, dass wir dringend ein gutes Wort dafür brauchen. Warum haben wir uns das existierende von den Nazis wegnehmen lassen?)

 

 

 

Das verrückte an diesen Thesen ist, dass die Proteste in Frankreich davon leben, dass sie eben nicht strategischer Natur sind. Die Leute sind nicht auf den Straßen um rechte Bewegungen zu verhindern, sondern um mehr Kohle in der Tasche zu haben. Um in Würde leben zu können – auch am Monatsende. Und darum sollte genau das das Hauptziel bleiben. Denn der tägliche Kampf um die Wohnung, einen vernünftigen Job, eine Ausbildung oder ein ausreichendes Einkommen sind uns wohlbekannt! Solange der Konflikt diesen eindeutig klassenkämpferischen Charakter inne hat, sollten wir ihn unterstützen. Gleichzeitig sollte nationalistische Symbolik zurückgedrängt werden.

 

 

 

In Frankreich sind Widersprüche des Kapitalismus aufgebrochen und darum soziale Kämpfe ausgebrochen. Diese werden jetzt ohne Parteien und Führung ausgetragen. So sollten wir es auch tun!

 

 

 

Deswegen nicht auf die Bewegung der anderen warten, sondern selbst anfangen! Nicht fremde Protestkulturen erfinden, um eigene Faulheit oder Angst zu verstecken.

 

Redet mit Kolleg*innen, Nachbar*innen und Familie darüber. Endlich ein Thema, dass alle aus den Nachrichten kennen und bei sich selbst voll wieder finden können.

 

 

 

Organisiert Treffen, Demos, Blockaden und Besetzungen in euren Städten und Gemeinden!

 

Für ein gutes Leben für alle!

 

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Ergänzungen

Infoaustausch und Diskussion –
Sozialproteste in Frankreich. Ein Beispiel für Berlin und Deutschland?

Freitag – 14.12.2018 – ab 18 Uhr
Humboldt-Universität, Hauptgebäude, Raum 2097 – Unter den Linden 6

Derzeit toben sehr starke Sozialproteste in Frankreich. Die
umsatzstärksten Wochen des Einzelhandels fallen quasi aus, Autobahnen,
Mautstellen, Grenzübergänge, Fabriken, Raffinerien, Universitäten und
vieles mehr sind besetzt oder blockiert. Was hat es mit den wilden
Protesten der „Gelben Westen“ auf sich? Und was ist mit den Schüler- und
Student*innen-Protesten und weiteren Kämpfen, die geführt werden und
brutal von den Bullen angegriffen werden. Ist das der gekommene
Aufstand? Oder nur eine etwas heftigere Variante der alljährlichen
Aufstände in Frankreich? Was können wir in Berlin/Deutschland tun?

Die Veranstaltung beginnt mit einem Informationsaustausch. Wir versuchen
viele Leute zu Wort kommen zu lassen, die vor Ort waren. Die Eindrücke
werden sehr unterschiedlich ausfallen. Danach wollen wir analysieren und
im besten Falle zu (gemeinsamen) Aktionen finden. Es ist kein Seminar,
lasst euch vom Ort nicht abschrecken zu kommen!

Wir denken es ist sehr sinnvoll, diese Sozialproteste zu unterstützen
und eigenständige Proteste in Deutschland zu beginnen. Denn auch
hierzulande hat die soziale Ungleichheit extrem zugenommen. Durch Hartz
IV, Minijobs, Mini-Renten und fehlenden Lohnsteigerungen sind die
Reallöhne gesunken. Gleichzeitig sind die Mieten explodiert. Die
Kaufkraft der normalen Bevölkerung ist gesunken, während Reiche extrem
durch Immobilien- und andere Kapitalerträge gewonnen haben.

Angefragt sind das Lowerclass-Magazin und verschiedene Freund*innen, die
in den letzten Wochen in Paris waren. Wir würden uns freuen, wenn Leute,
die zuletzt ebenfalls in Frankreich waren, ihre Eindrücke mit uns teilen
und sich an der Diskussion beteiligen. Wie bringen wir die Stimmung der
französischen Proteste nach Berlin/Deutschland oder wie können wir ihnen
wenigstens solidarisch zur Seite stehen?

Die Veranstaltung entstand sehr spontan, da es uns genervt hat, dass
alle nur drüber redeten und meinten in Deutschland geschehe ja eh
nichts, anstatt etwas zu machen. Also machen wir endlich den ersten
Schritt, damit sich Interessierte austauschen und Pläne schmieden
können. Wir Veranstalter*innen haben die Weisheit nicht mit Löffeln
gefressen und wissen zum Teil auch nur aus Sekundärquellen Bescheid.
Konstruktiver Widerspruch und Streit sind erwünscht. Am Programm wird
noch gearbeitet und alle sind aufgefordert nicht nur Sprechblasen zu
konsumieren, sondern um sich eine Meinung zu bilden und (wenn überzeugt)
aktiv zu werden!

Einige Artikel zum Einlesen:

Mit weißer Weste in den Untergang (Peter Schaber) -
http://lowerclassmag.com/2018/12/gelbwesten-gilets-jaunes/

Der Aufstand der Gelbwesten (Sophia Slamani) -
http://lowerclassmag.com/2018/12/gelbwesten_giletsjaunes

Gelbe Westen: Occuppy 2.0? (Peter Nowak) -
https://www.heise.de/tp/features/Gelbe-Westen-Occuppy-2-0-4243355.html?seite=all

Solidarität mit den sozialen Revolten in Frankreich! Für soziale
Revolten in Deutschland!
- https://de.indymedia.org/node/26906

We all live in a yellow submarine - Ein Bericht zu den Gelbwesten aus
der Sicht von Gefährt*innen aus Toulouse -
https://de.indymedia.org/node/26706

Gelbe Westen Dortmund: Die Bewegung der „Gelben Westen“ Soziale Revolte
oder nationalistische Mobilisierung? - https://de.indymedia.org/node/26620