[HH] Prozessbericht zur Verhandlung im G20 Prozess gegen Robin am 4.7.2018

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Kopfschmerzen durch angeblichen Klaps auf den Helm

 

[English version below]

Die Angeklagte Robin wird wegen vermeintlicher Körperverletzung zu 90 Tagessätzen verurteilt. Nach der gestrigen Verhandlung im Amtsgericht Hamburg-Mitte wegen Körperverletzung, Widerstand und tätlichem Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten wurde die Aktivistin Robin zu 90 Tagessätzen à 5 Euro verurteilt. Die im Strafbefehl geforderte Tagessatzhöhe von 25 Euro wurde zwar deutlich verringert, jedoch wurde die Angeklagte nach den Artikeln §§ 113, 114 und 223 schuldig gesprochen.

 

 

Die Verteidigung hatte eine Einstellung des Verfahrens gefordert, derer sich Richterin von Urban offen gezeigt hatte, die jedoch von Seiten der Staatsanwaltschaft klar abgelehnt wurde, da laut dieser die Beweislage eindeutig sei. Laut Staatsanwaltschaft hätten die §§ 113, 114 ein Mindeststrafmaß von 90 Tagessätzen.
Es wurden zwei Polizeizeugen befragt. Zuerst wurde der angeblich geschädigte PK Kühner aus Berlin befragt, der einen leichten Schlag auf den Hinterkopf gespürt haben mag, jedoch nichts gesehen hatte und nicht zuordnen konnte, woher der Schlag kam. Danach wollte er aber einen leichten Druckschmerz und Kopfschmerzen verspürt haben.
Anschließend wurde der Zeuge POM Marx, ebenfalls Polizeibeamter aus Berlin, befragt, der den Schlag beobachtet haben mag und die Angeklagte ohne sie anzusehen zweifelsfrei identifizieren konnte.
Nach der Schilderung des Ort des Geschehens, vorangegangener Ereignisse und der Festnahme eines anderen Beschuldigten wurde der Tathergang beschrieben, bei dem es angeblich zu einem leichten Klaps auf den behelmten Hinterkopf des Beamten gekommen sein soll. Nach Ausführungen und pantomimischer Darstellung des Zeugen Marx wurde deutlich, dass es sich weniger um einen amateurhaften „Tennisaufschlag“ als um einen unbeschleunigten Klaps aus dem Handgelenk gehandelt haben soll. Eine erstaunlich detailreiche Erzählung in Anbetracht dessen, dass in den ursprünglichen Zeugenaussagen, noch deutlich mehr Widersprüche zu finden waren. Der Zeuge Marx konnte sich nicht mehr an die Körperhaltung des PK Kühner erinnern. Nachdem ihm aber die Richterin eine kniende Haltung vorschlug, bestätigte er diese fleißig.

 

Da die Zeugenaussagen einigermaßen stimmig schienen, sich nicht widersprachen und keine wichtigen Details fehlten, sah die Richterin bei Polizeizeugen natürlich keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen und den konstruierten Vorwürfen gegenüber der Angeklagten. Genauso bestand für sie kein Zweifel, dass es sich bei einem angeblichen Klaps mit der bloßen Hand auf einen gepanzerten Helm um einen tätlichen Angriff und um Körperverletzung handeln würde. Obwohl sich die Richterin anfangs zu einer Einstellung bereit erklärt hatte, sah sie dann im Verlauf des Prozesses ebenfalls keinen Grund mehr für Zweifel. Die von der Staatsanwaltschaft geforderte Erhöhung der Tagessatzanzahl auf 110 wurde von der Richterin nicht übernommen, sie blieb bei den ursprünglichen 90.

 

Wie befürchtet wird der neue §114 zur Kriminalisierung jeglichen friedlichen Protests genutzt. Wer sich gegen die Zustände wehrt, ob auf Demos, Aktionen oder anderswo, muss also immer mit juristischen Konsequenzen rechnen, denn Polizeizeugen haben immer Recht und werden immer kreativer in ihren Erzählungen. Auch wenn sie uns ihre Macht spüren lassen, uns einschüchtern wollen und versuchen, so viele Menschen wie möglich zu kriminalisieren, wird ihr Plan nicht aufgehen und bestätigt mal wieder, dass der neutrale Rechtsstaat eine Illusion ist. Menschen, die für linke Utopien kämpfen, die rassistisch diskriminiert werden oder anderweitig nicht in ihr System passen, werden systematisch verfolgt, während die Verbrecher des Systems ungehindert weitermachen können und sogar aktiv vom Staat geschützt werden. So ist die Justiz nur ein weiteres Mittel des Staates und der Machthabenden ihre politischen Interessen durchzusetzen.

 

Mehr Infos auf https://abcsuedwest.noblogs.org.

 

 

 

********************* ENGLISH *******************

 

 

Head eache after an alleged smack on the helmet

 

Defendant Robin convicted to a fine for supposed assault

 

On the 4th of July Robin was convicted by the Hamburg-Mitte district court for resisting and assaulting an officer (Körperverletzung, Widerstand, tätlicher Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten) to a fine of 90 ‘Tagessätze’ à 5€ (fine calculated on daily rate of income), totalling in 450€. The calculation of the daily rates was lowered compared to the 25€ a day in the penalty order, nevertheless Robin was convicted for §§ 113 (resisting an officer), 114 (assault on an officer) and 223 (assault) StGB (German criminal law).

Robin‘s defence demanded the suspension of the lawsuit. While judge von Urban would have agreed the state attorney insisted on continuing due to the allegedly profound evidence. Two police officers were called as witnesses. First PK Kühner from Berlin was questioned, he supposedly felt a light smack on his head from behind, without seeing the attacker or where it came from. Afterwards he lamented to have a light pressure pain and head ache.

Second POM Marx, as well from Berlin, gave testimony about the supposed attack. He stated to have seen the defendant attacking the officer and being able to identify Robin beyond doubt without even looking at her. After the description of the scene, foregoing events and the arrest of another accused the course of the offence was described as a light smack on the Kühner‘s helmet by Marx. After his account of the events and a pantomimic performance it became clear that in his eyes it was more of an unaccelerated smack out of the wrist and not an amateurish „tennis serve“ as he put it. An astonishing amount of details considering the many contradiction in the original testimonies. When witness Marx wasn‘t able to remember Kühner‘s posture the judge felt free to provide the suggestion that he was kneeling and the witness assiduously confirmed.

With the testimonies being mostly coherent and not contradicting each other anymore or lackeing important details, the judge of course believed the officers without a second thought and thus buying the whole constructed charges against the defendant. Furthermore judge von Urban didn‘t bother to question whether a ‚light smack on an armored helmet‘ could even be considered an attack / assault on an officer (German: tätlicher Angriff) or assault (Körperverletzung).

No matter the judges willingness to suspend the lawsuit at the beginning she didn‘t seem to have any more intention to doubt the constructed allegations. The state attorney argued that the minimal penalty for the new § 114 is a fine of 90 daily rates and thus insisted on this being the minimal sentence.

The state attorneys pleading for a fine of 110 daily rates was not adopted by the judge. The sentence in the end was 90 daily rates as originally in the penalty order.

As feared after the new § 114 was introduced in 2017 the new law is used to criminalize any peaceful protest. Whoever dears to defend themselve against the current state of things, no matter if at a demo, action or anywhere else, always needs to expect legal consequences. In the meantime police witnesses‘ narrations continue to get even more creative and as we learned their testomony is always the truth. Even when they show us their power, try to daunt us and work on criminalizing as many of us as possible – they will always fail and only proove thereby that the ‚neutral constitutional state‘ is a mere illusion. Folks fighting for radical utopias, folks facing racial marginalization or basically anoybody not fitting in, will be systematically persecuted. And the criminals of the system continue unobstructed if not even actively protected by the state. Consequently the judiciary is no more than an instrument of the state and those in power to implement their interests.

 

More info on Robin's trial at abcsuedwest.noblogs.org

 

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