Politik & Militanz – Teil II: Von schwarzen Blöckchen und echter Community Defense

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Fragt man den 0815-Linksautonomen hierzulande, was Militanz ausmacht, dann wird er euch vermutlich seine Sammlung an Sonnenbrillen, Balaclavas und schwarzen Windbreakern zeigen. Dazu noch ein paar Bengalos und geklaute Mercedessterne – die heutzutage übrigens auch nur angemaltes Plastik sind und kaum noch als Statussymbol taugen. Mit etwas Glück wird er euch dann erzählen auf wie vielen Demos er war, wo er coole Militanz gemacht hat und wie oft er schon in Polizeigewahrsam war. Alles eine Frage der TactiCoolness. (TacticalCoolness = wenn man sich nur aus Gründen der Coolness mit Waffen und (Militär)Ausrüstung behängt. Ein klarer Fall für die Sektion Superkrass.)

Mit echter Militanz hat das in etwa so viel zutun wie ein veganer Burger mit Rinderhack.

 

Die ursprüngliche Idee hinter dem sogenannten Schwarzen Block (der im übrigen eine Polizeibezeichnung für die schwarz gekleideten Demonstrationsblöcke in den 80ern war), dass man bei Aktionen der Massenmilitanz, z.b. in der Anti-AKW-Bewegung, in einer gleich gekleideten Masse verschmilzt und so die Verfolgung durch die Polizei erschwert wird. Massenmilitanz bedeutete damals aber Demonsstrationsblöcke mit 10.000 Teilnehmern und Aufwärts. Mit einer Gruppe von 200 Leuten und weniger einen Schwarzen Block zu machen – wie es heutzutage oft der Fall ist – hat hingegen mehr etwas davon sich ein Fadenkreuz direkt auf die Brust zu malen.

 

Schafft es heute eine linke Demonstration mehr als 1000 Leute auf die Straße zu bringen gilt das schon fast als Großdemo. An Massenmilitanz ist theoretisch nicht zu denken. Das ist für so manchen TactiCoolen aber längst kein Grund nicht so zutun als ob.  Davon Abgesehen, dass die Methode Tür und Tor öffnet für von der Polizei eingeschleußte Agents Provocateurs, denn schwarz vermummen kann sich jeder – wirklich jeder! Zumal es längst zur üblichen Vorgehensweise der Polizei gehört Zivilpolizisten in Schwarze Blöcke zu schleußen, um Steine auf Polizisten zu werfen und so brutales Vorgehen zu rechtfertigen – und natürlich die Bilder von linken Demos zu produzieren, die man politisch braucht.

 

Der Schwarze Block ist also mittlerweile alles, nur keine angemessene Form der Militanz mehr. Da hilft es auch nichts auf eventuelle Riot-Romantik zu verweißen. Diese Form der Militanz hat sich längst selbst überlebt.

 

 

 

Wege zur Community Defense

 

Redet man in Deutschland über Militanz oder gar über die Gründung von Community Defense Gruppen, dann kämpft man gleich an zwei Fronten. Einmal gegen die Pazifisten, die weniger Pazifismus als Passivität von einem hohen moralischen Ross herunter predigen. Die übliche Argumentation ist, dass Gewalt böse ist weil sie böse ist. Oft garniert mit einem „Wenn die Nazis uns töten wollen dürfen wir das nicht, weil wir wollen ja besser sein als die.“ In der Praxis nützt das nur wenig wenn schwer bewaffnete und vor allem gewalterfahrene Faschogruppen mit 50 Mann vor dem Haus stehen und die Linken im Inneren wie verschreckte Hühner nicht wissen, was sie tun sollen außer den Notruf zu wählen, der ihnen dann jene Polizisten anbringt, die sich mit den Faschisten die Hände schütteln und erstmal die Personalien der angegriffenen Linken aufnehmen, insofern sie sie nicht gleich festnehmen. Die Antwort auf Gewalt und Terror kann nicht sein, dass man wenn man schon am Boden liegt noch bereitwillig die andere Wange hinhält. Das hat weniger mit Pazifismus als mit religiöser Selbstgeiselung zutun.

 

Die andere Front ist die „militante Szene“ selbst, die in der Regel aus den oben beschrieben 0815-Autonomen besteht, die dann vor allem nach außen hin mackerhaft auftreten, aber von echter Militanz kaum eine Ahnung haben. Nicht nur, dass Militanz viele, verschiedene Formen haben kann und nicht zwangsläufig mit dem Gewehr in der Hand ausgefochten wird, sondern auch, dass diejenigen die sich am krassesten geben mitunter die ersten sind, die weglaufen, wenn es hart auf hart kommt. In diesen Gruppen geht es oft vor allem und Schein statt Sein, um zelebrierte Partisanen-Romantik und Traditionen. Das typische Argument: „Aber in den 80ern war das cool!“

 

Denjenigen von uns, die einen Kalender neben sich liegen haben, dürfte bereits aufgefallen sein, dass das auch schon wieder fast 40 Jahre her ist. Es nützt ja nichts wie ein verkrusteter Konservativer ständig auf Traditionen zu pochen, die schon längst nicht mehr zeitgemäß sind.

 

Und selbst diesen Leuten ist dann unwohl über Community Defense zu sprechen. Die lose Militanz des Schwarzen Blocks ist unverbindlich und nach ein paar Stunden in der Regel auch wieder vorbei. Echte Community Defense würde aber bedeuten Geld, Zeit und Ressoucen in feste Strukturen stecken zu müssen, die länger als ein Festivalwochenende halten müssen. Der Einwand, dass das mit der jetzigen Linken nicht zu machen ist ist nachvollziehbar, aber nicht praktikabel. Die Linke in Deutschland, aber auch im Rest Europas, braucht völlig neue, praktische Strukturen. Es hilft eben nichts ständig über den Zustand der Linken zu jammern und dann wenn es um Strukturen geht alles abzulehnen. Ideell befinden sich viele in ihrem Erdloch und hoffen noch, dass Kelch des Facshismus schon an ihnen vorbeigehen wird. Zusätzlich zu dieser linken Angststarre kommen dann oft Bedenken, ob es legal ist. Eines der besten Argumente, weil man als Linker, Antifaschist, Kommunist oder Anarchist ja vor allem Angst vor Gesetzen haben sollte, die sich gegen Humanismus und die Arbeiterklasse als solches richten. Ein wirklich brilliantes Argument, was leider nur allzu oft geträllert wird. Und gerade aus den Mündern der angeblichen Autonomen immer wieder sehr erheiternd.

 

Um das nochmal klar zu stellen: Bei Community Defense geht es ja nicht darum sich mit dem Staat gut zu stellen. Alles, was Militant ist, ist auch illegal. Das liegt schon einmal im Wesen der Sache. Und das nicht nur nach deutscher Rechtslage. Wenn die „Rechte“ des Staates aber bedeuten, dass Terror völlig legitim ist und es völlig normal ist, dass Nazigruppen Migranten und Linke durch Innenstädte jagen und die Polizei nur ein Helfer derjenigen ist, die sowieso schon Terror ausüben, dann erübrigt sich die ständige  Frage nach der Legalität völlig.

 

Statt also immer neue Gründe zu finden warum Community Defense gerade nicht geht sollte man Gruppen bilden und vor allem ausbilden. Was den meisten militanten Aktionen nämlich fehlt ist das Wissen wie man eigene Militanz ausübt. Zurückgegriffen wird im schlimmsten Fall auf irgendwelche Leitfäden aus den 80ern mit teilweise abenteuerlichen Schilderungen über den Bau von Sprengstoffen und Aktionsmöglichkeiten. Auch das kann nicht Basis einer Community Defense sein. Denn es fehlt meist nicht an Waffen, sondern an der der Ausbildung damit. Es fehlt ebenso an Basiswissen zu Funk, Kommunikation und schlicht und einfach Wehrfähigkeit. Zumindest wenn man nicht wie ein Trottel auf alles sinnlos eindreschen will. Um effektiv zu sein benötigt es Geld, Ausbildung, Ressourcen und vor allem Leute, die nicht nur in den Semesterferien mal kurz aktiv sind und ihren Aktivismus als Hobby ausführen, dass man alle paar Wochen wechseln kann.

 

In Deutschland gibt es für derartige, milizähnliche Organisationen auf linker Seite keinerlei Strukturen. Auf rechter Seite sind diese schon längst etabliert, weshalb die meisten Linken bei Angriffen von Faschomilizen kaum etwas entgegen zu setzen haben.

 

Sollte der Fall der Fälle eintreten und es „hart auf hart“ kommen hätte die Linke als Bewegung einer rechten Machtübernahme oder schlichten Straßenterror nichts außer netter, politisch korrekter Wortspielereien zu entgegnen. Eine Bewegung muss sich, ihre Prinzipien und nicht zuletzt ihre Mitglieder verteidigen können. Ideell, Argumentativ und im schlimmsten Fall militant in der direkten Konfrontation.

 

Die Community Defense will diese Verteidigungsfähigkeit ausbauen, sie gezielt nutzen und im Extremfall auf der Straße wirken. Und ja, im Fall der Fälle hieße das auch das eigene Leben einzusetzen um eigene Strukturen oder schlicht Menschen zu schützen – und das dauerhaft und nicht als Hooligantruppe, die sich mal an einem Wochenende prügelt und am Tag darauf ins Studium oder auf Arbeit zurückkehrt als sei nichts gewesen. Es geht eben nicht, um „Erlebnisse“ und „Spaß an Gewalt“, sondern um Security-Konzepte wie man eigene Organisationen schützt, Angriffe abwehrt und auch evtl. selbst durchführt.

 

Das klingt alles recht militärisch und dürfte schon allein deshalb den meisten LeserInnen dieses Blogs aufstoßen, dennoch ist es nötig sich zu schulen. Man kann nicht warten bis die Katastrophe eingetreten ist und erst dann anfangen etwas aufzubauen. Und die Siege der „Rechtspopulisten“ – um nicht zu sagen Faschisten – in ganz Europa zeigen, dass es mehr als 5 vor 12 ist, um derartige Strukturen aufzubauen.

 

Das alles verlangt aber von der Linken als solches, dass sie aufhört alles nach „Spaßfaktor“ zu bewerten und sich, auch wenn es weh tut, um Strukturen zu kümmern, die auf den ersten Blick nicht nur „Arbeit“, sondern auch noch noch unangenehm sind. Die Linke ist jedoch schon lange keine Bewegung im eigentlichen Sinne mehr, sondern besteht eher aus Hobbyaktivisten und Spaßpolitikern, die mal 5 Jahre politisch sind und nach dem Studium oder der Ausbildung lieber dem kapitalistischen Leistungsprinzip entsprechen, um ihren Kindern dann sagen zu können: „Schau, so krass war der Papa (die Mama) mal drauf, in seinen (ihren) wilden Jahren!“

 

Verlässlichkeit ist nach wie vor das größte Problem der Linken. Und gerade Community Defense muss eben diese Verlässlichkeit bieten, ansonsten ist sie nicht mehr als ein LARP-Verein, der auf Revolutionär macht.

 

ANARCHIST LIBERATION ARMY

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POLITIK & MILITANZ - TEIL 1

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