Zur erodierenden Selbstverwaltung der KTS

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Vorbemerkung: Der folgende Text ist das Produkt einer Arbeitsgruppe, die sich im Sommer 2014 zusammenfand, um Machtverhältnisse im Freiburger Autonomen Zentrum „KTS“ zu kritisieren. Die Arbeitsgruppe gründete sich, nachdem im Mai und Juni 2014 mehrfach geäußerte Kritik am immer enger werdenden politischen Horizont des Hauses ohne Konsequenzen abprallte und auch Gewaltandrohungen als Mittel der internen politischen Auseinandersetzung von Einzelnen gerechtfertigt wurde.
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Die Arbeit an einer kritischen Aufarbeitung dieser Verhältnisse wurde von mehreren Gruppen initiiert, die zum Teil seit Jahren umfangreich in der KTS aktiv sind. Ausschlaggebend waren nicht nur die konkreten Ereignisse der letzten Monate, sondern auch eine schon seit längerer Zeit bestehende Unzufriedenheit mit den Strukturen und der Entwicklung der KTS. Von außen sichtbar ist dies daran, dass immer weniger politische Gruppen sich dem Freiburger AZ verbunden fühlen. Dieser Prozess hat Gründe, die durch den folgenden Text versuchsweise dokumentiert werden sollen, auch als Ausgangspunkt für die Frage danach, wie mit dem Status Quo weiter umzugehen ist.

Zu den Treffen der Arbeitsgruppe wurde offen eingeladen, um eine breite Beteiligung an diesem Prozess der Selbstreflexion zu ermöglichen. Die unterzeichnenden Gruppen haben den Text und den Minimalkonsens im Juli 2014 auf dem Montagsplenum eingebracht, um trotz der erheblichen politischen Differenzen in der KTS eine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit und eine mögliche Reform der Strukturen des Hauses anzubieten.

Das Plenum vermittelte nicht den Eindruck, dass ein konstruktiver Umgang mit dem Text derzeit möglich ist. Einzelne Personen fassten die ganze Debatte nicht als Versuch der kritisch-solidarischen Reflexion linksradikaler Strukturen auf, sondern vielmehr als allumfassenden Angriff auf die Identität “ihres” Hauses. Nachdem der Minimalkonsens auf diesem Plenum von der kritisierten Fraktion mit Vetos belegt wurde, hat sich die Arbeitsgruppe nach einiger Diskussion entschlossen, eine geringfügig überarbeitete Fassung des Papiers zur Dokumentation des derzeitigen Zustandes zu veröffentlichen. Die einzelnen unterzeichnenden Gruppen werden aus dem Scheitern der Debatte jeweils ihre eigenen Konsequenzen ziehen und diese gegebenenfalls veröffentlichen.

Wir sind der Auffassung, dass die Zustände in der KTS nicht mehr als interne Angelegenheit betrachtet werden können, sondern für die gesamte (radikale) Linke in Freiburg und in der Region von Bedeutung sind. Einem Autonomen Zentrum kommen in Stadt und Region zentrale politische Aufgaben zu: In ihrer momentanen Verfassung ist die KTS jedoch kaum in der Lage, diese Aufgaben wahrzunehmen.

Mit ihrer Unfähigkeit, sich von Gewalt als Mittel der internen politischen Auseinandersetzung zu distanzieren, stellt die KTS Freiburg unter den uns bekannten Autonomen Zentren eine traurige Einmaligkeit dar. Auch damit nicht in Freiburg ansässige politische Gruppen und Zusammenhänge über diese Zustände informiert sind, haben wir uns entschlossen, diesen Text zugänglich zu machen.

Über Kritik, Rückmeldungen aller Art oder politische Unterstützung freuen wir uns natürlich sehr. Schreibt uns bitte an agktskritik[at]riseup.net.

1.Einleitung

Die KTS feiert ihren 20. Geburtstag. In der Pressemitteilung der Vorbereitungsgruppe der Feierlichkeiten ist vom „solidarischen Miteinander“, „autonomen Ideen“ und den gemeinsamen Visionen eines „freien und solidarischen Lebens“ die Rede. Die Verfasser_innen und Unterstützer_innen dieses Texts stehen diesem Jubiläum allerdings mit gemischten Gefühlen gegenüber: Einerseits würden wir sehr gerne einstimmen in die Feierlichkeiten, denn gerade in einer Zeit, in der sich linke Ideen und Strukturen eher auf dem Rückzug als in der Offensive befinden, bedarf es Räumen, in denen es sowohl Platz für nicht-profitorientierte kulturelle Veranstaltungen, als auch für politische Debatte und Austausch gibt. Andererseits ist uns angesichts der momentanen politischen Lage in der KTS wenig nach Feiern zu Mute. Von einem „solidarischen Miteinander“ kann derzeit nicht die Rede sein. In den Strukturen des Hauses herrschen Machtverhältnisse, die dringend einer Reflexion bedürfen. Damit verbunden sind auch der desolate Zustand der politischen Diskussionskultur und des persönlichen Umgangs im Haus sowie das weitgehende Unvermögen, sich zu gesellschaftlich relevanten Themen zu äußern, die nicht unmittelbar die eigene Szene und Strukturen betreffen.

Wir möchten im folgenden Text zunächst einige grundlegende Überlegungen anstellen, welche politische Rolle und Aufgaben einem sich als linksradikal verstehenden Freiraum in Freiburg eigentlich zukommen müssten und daran anknüpfend, ausführen, warum die KTS derzeit dieser Aufgabe kaum gerecht wird. Zuletzt wollen wir einige konkrete Vorschläge für einen politischen Minimalkonsens liefern, die wir angesichts der derzeit herrschenden Macht- und Gewaltverhältnisse für unerlässlich halten.

2. Zur Aufgabe eines linken Freiraums in dürftigen Zeiten

Seit den 80er Jahren hat sich in Deutschland linksradikale Politik zunehmend in subkulturelle Räume und Szenen verlagert. Dieses Schicksal ist nur bedingt von der radikalen Linken selbst erwählt, neben eigenem theoretischen und praktischen Versagen wurzelt es auch in einem konstant niedrigem Niveau sozialer (Klassen-)Auseinandersetzungen sowie Verhältnissen, die dem Großteil der Bevölkerung zunehmend alternativlos erscheinen. Der Rückzug in die Subkultur entspricht somit der gesamtgesellschaftlichen Tendenz, linke Inhalte zu marginalisieren und zu verdrängen. Die Existenz subkultureller Freiräume ist also eher Folge einer gesellschaftlichen Defensivposition der radikalen Linken als Zeichen der Stärke. Vielleicht fasst der bekannte Slogan „Für eine Welt, in der es keine Freiräume mehr braucht“, diesen Zusammenhang ganz treffend. Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: Wir halten Freiräume in derart dürftigen Zeiten für unerlässlich – ermöglichen sie doch ein Luftholen angesichts eines nach den Kriterien der Verwertbarkeit vollends zugerichteten Alltages sowie einen Austausch mit anderen Menschen. Gleichzeitig halten wir jedoch einen selbst)kritischen Umgang der radikalen Linken mit ihrer derzeitigen gesellschaftlichen (Rand-)Stellung für unabdingbar, sollen diese Strukturen sich nicht in Selbstzweck und Selbstreferenzialität verlaufen und damit jede politische Bedeutung verlieren.

In einem Freiraum, in dem dieser Zusammenhang reflektiert wird, müsste gewissermaßen ein Spagat gelingen: Einerseits gälte es, Inhalten (seien sie kultureller oder theoretischer Natur) einen Raum zu geben, die anderswo keinen Platz mehr finden. Andererseits müsste der Anspruch sein, aus dem Haus heraus mit linken Inhalten in die Gesellschaft hineinzuwirken und sich zu aktuellen politischen Geschehnissen zu verhalten — sei es in Hinblick auf Freiburg beispielsweise der rassistische Diskurs über die “unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge”, die Situation auf dem Wohnungsmarkt oder anstehende Zwangsräumungen. Solche Themen drohen oft zu kurz zu kommen, bringt doch gerade die subkulturelle Nische, in der man sich befindet, immer wieder die Versuchung mit, „unter sich“ zu bleiben, was oftmals bequemer ist, als die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen zu suchen.

Zudem müsste ein Freiraum dem Sachverhalt gerecht werden, dass die radikale Linke sich derzeit in vielen zentralen Fragen uneinig ist. Aus historischen Niederlagen und auch den theoretischen und praktischen Verfehlungen der traditionellen Arbeiterbewegung, wurden von verschiedenen Strömungen unterschiedliche Schlüsse und Konsequenzen gezogen. Uneinigkeit besteht etwa darüber, wie die sogenannten realsozialistischen Staaten zu bewerten sind, an welchem Punkt Kritik am Kapitalismus ansetzen sollte und auch hinsichtlich der Frage, ob traditionslinker Antiimperialismus und Antimilitarismus der derzeitigen Weltordnung gerecht werden. Es kann einem Freiraum schwer zugemutet werden, sich zu all diesen Fragen eindeutig zu positionieren. Zwar gibt es Räume, die eine stärkere gemeinsame Positionierung als Grundlage gemeinsamer politischer Arbeit anstreben (ein Beispiel wäre in Freiburg etwa das Linke Zentrum ‘adelante’, in dem sich traditions- und bewegungslinke Gruppen organisieren), für ein Autonomes Zentrum wie die KTS wäre solch eine eindeutige Ausrichtung jedoch nicht vorteilhaft. Aufgabe wäre vielmehr – im Bewusstsein der inhaltlichen Uneinigkeit der radikalen Linken – eine plurale Debatte unterschiedlicher Strömungen im Haus zu ermöglichen. „An allem ist zu zweifeln“, war einst ein sinnvoller linker Grundsatz, der immer auch für die eigenen Positionen gelten sollte. Das Aushalten von Widersprüchen und Uneinigkeit scheint uns besonders angesichts des derzeitig unbestreitbar herrschenden Perspektivenmangels der radikalen Linken sinnvoller als das vorschnelle Bedürfnis, eng definieren zu wollen, was „Linkssein“ ausmacht (und welche Strömungen entsprechend nicht dazugehören).

Natürlich bedeutet das Selbstverständnis als linker Freiraum, dass nicht jeder Inhalt in die KTS gehört. Ein Pluralismus, der unter seinem Deckmantel etwa Raum für rassistische, sexistische, antisemitische, verschwörungstheoretische oder ähnliche, dem grundsätzlichen linken Anspruch einer Emanzipation der Menschheit zuwiderstehende Inhalte böte, ist nicht erstrebenswert. Eine “plurale Debatte” verschiedener linker Strömungen, welche, bei allen Widersprüchen, auf gemeinsame Reflexion setzt und zumindest das Fernziel einer gemeinsamen Erkenntnis und Analyse hat, wäre hier abzugrenzen vom Pluralismus, der als Wert in der bürgerlichen Gesellschaft das unverbindliche Nebeneinander von Meinungen als Selbstzweck ausdrückt. Letztlich erfordert die Frage “Welcher Inhalt gehört in einen linken Freiraum?” im Zweifelsfall große Sensibilität und Vorsicht derer, die sie beantworten wollen. Natürlich gibt es Inhalte, die ausgeschlossen werden müssen. Gleichzeitig muss reflektiert werden, dass sich an die vorschnelle Beantwortung einer solchen Frage Machtstrukturen knüpfen können, welche nicht-konsensuale oder kritische Positionen verdrängen.

Die eigenen Räume kritisch innerhalb des Bestehenden zu verorten, hieße auch zu verstehen, dass die kritisierten Verhältnisse, deren Überwindung man anstrebt, nicht an der Türschwelle des eigenen Autonomen Zentrums enden. Nur weil man sich „selbstverwaltet“ und „autonom“ als Ideale auf die Fahnen schreibt, sollte man nicht der Illusion unterliegen, die eigenen Strukturen seien frei von Herrschaft. Oftmals droht das Selbstverständnis als „Freiraum“, Machtstrukturen und interne Hierarchien zu verschleiern – wähnt man sich doch tatsächlich frei und autonom, während alles Schlechte nur „da draußen“ existiere. Machtstrukturen und autoritär auftretende Personen werden sich jedoch, solange man in einer Gesellschaft lebt, die diese systematisch hervorbringt, auch in einem Freiraum nicht vollständig verhindern lassen. Der einzige Umgang damit ist, das regelmäßig zu reflektieren und klare Grenzen zu setzen, welche Verhaltensweisen in einem linken Ort ein Ausschlusskriterium sind. Interne Androhungen von Gewalt etwa machen Selbstverwaltung und einen pluralen linken Austausch auf Augenhöhe unmöglich. Im Zweifelsfall muss ein linker Raum in der Lage sein, hierauf zu reagieren und autoritär und gewaltsam agierende Personen ausschließen.

Abschließend stellt sich die Frage, wie die oben beschriebene Form des „Freiraumes“ gewahrt werden kann, um nicht dauerhaft in autoritäre oder festgefahrene Politik zu verfallen. Hierzu stellt das Veto das letzte Mittel dar, um den offenen Charakter des Raumes wahren zu können. Es muss in den seltensten Fällen in Anschlag gebracht werden und muss auch in der Zukunft verhandelbar bleiben. Es lassen sich hier nur grobe Beispiele angeben, wann ein Veto sinnvoll und gerechtfertigt scheint.
So beim Versuch einer “parteilichen” Übernahme durch eine bestimmte Gruppe oder gegenüber Meinungen, die jeglichem Verständnis von gesellschaftlicher Emanzipation zuwider laufen. Nie jedoch darf das Veto als strategisches Mittel für eigene politische Ziele eingesetzt werden. Dies bedeutet selbst hegemoniale Strukturen zu schaffen und den mitunter persönlichen Machtanspruch durchzusetzen. Darüber hinaus bedeutet die Zensur kontroverser, linker Inhalte immer auch den Verlust einer lebendigen Debatte und damit auch den der Möglichkeit auf eigene Reflexion. Ein guter Abriss, was Basisdemokratie zu bedeuten hätte, wurde 2009 mit dem kurzen Text „Basisdemokratie, Veto und Herrschaft“ im Koraktor geliefert. [1]

3. Wird die KTS dem gerecht?

 

Als größtem linksradikalen und selbstverwalteten Raum in Freiburg kommt der KTS eine Sonderstellung zu. Anders als in größeren Städten gibt es nur begrenzt andere Möglichkeiten, in denen linke Gruppen und Einzelpersonen sich organisieren und diskutieren können. Eigentlich sollte man annehmen, dass gerade diese Sonderstellung und die damit einhergehende politische Verantwortung, die dem Haus zukommt, genug Anlass sein müssten, reflektiert und sensibel mit den Strukturen der KTS umzugehen. Leider kann hiervon derzeit in der KTS Freiburg keine Rede sein.

Ungeachtet aller Widersprüche und Debatten, die die radikale Linke in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ausmachten, meinen gewisse Personen in der Freiburger KTS in Besitz der authentischen, autonomen Lehre gelangt zu sein und diese verteidigen zu müssen, während andere dies stillschweigend tolerieren oder nur allzu verhalten Widerspruch einlegen. Das Konsensprinzip wurde dabei zum Vetoprinzip umfunktionalisiert: War es, wie oben bereits umrissen, von der Idee her ein letztes Mittel, mit dem sich Einzelpersonen im Zweifelsfall auch gegen erdrückende Mehrheiten behaupten können sollten, bzw. gegen politische Vereinnahmung gedacht, hat es sich in der KTS zu einem Instrument gewandelt, mit dem bewusst Politik gemacht und die eigene, vermeintlich reine linke Lehre verteidigt wird. Festgehalten oder ausführlich diskutiert wurde diese reine Lehre nirgends, es handelt sich dabei um kollektive, ebenso vage wie alte identitäre Konzepte („Antinationalismus“,„Antimilitarismus“, „Anarchismus“, „Autonomie“), die angerufen werden können, um jeder kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Positionen zu entgehen und ein Veto zu legitimieren.[2] Auf dem Montagsplenum ist es nicht notwendig, diese heiligen Kühe argumentativ zu begründen. Es reicht die Behauptung ein_e Referent_in sei „militaristisch“, sprich: er oder sie ist der Meinung, dass rigoroser Pazifismus für manche bestehenden Konflikte dieser Welt keine Lösung darstellt – so wenig wünschenswert Krieg auch erscheinen mag – um eine Veranstaltung per Veto abzusägen, ohne groß diskutieren zu müssen.

Die kürzlich erfolgte Ansage, keine Vorträge der Gruppe „Gegenstandpunkt“ in der KTS zulassen zu wollen – quasi die Vorwegnahme zukünftiger Vetos, sollte jemand wagen eine_n Referent_in des GSP einzuladen – reiht sich ein in eine Verbotspolitik, der es eher um die Pflege autonomer Identität als um kritische Diskussion und Analyse der bestehenden Gesellschaft geht. Ebenso per Veto abgesägt wurden in jüngster Zeit ein Konzert der Band Egotronic sowie ein Vortrag „Zweierlei Antiimperialismus?“ mit Stephan Grigat, der sich kritisch mit den Parallelen und Unterschieden von marxistisch-leninistischem und djihadistischem Antiimperialismus auseinandersetzen wollte. Ein Vortrag des selben Referenten zum Thema „Arbeitsfetischismus“ konnte zwar stattfinden – jedoch nur unter erheblicher Druckausübung auf den Veranstalter, welche unter Androhung des Vetos und Forderungen nach Selbstzensur (so dürfe sich der Referent unter anderem nicht zum Nahostkonflikt äußern) einherging. Jämmerlich für einen linken Raum in Freiburg war zudem das Veto gegen eine Soli-Party, mit der die Anwalts- und Prozesskosten der antifaschistischen Nebenkläger nach dem Naziangriff von Florian Stech bei Riegel getragen werden sollten: Innerlinke Machtspielchen und Eitelkeiten verhinderten hier wichtige Solidaritätsarbeit!

Als wir, im Zuge der abstrusen Diskussion um ein kategorisches Veto gegen hypothetische(!) GSP-Veranstaltungen auf dem Montagsplenum, den sich zunehmend verengenden politischen Horizont der KTS kritisierten, waren wir überrascht, wie wenig dieser Zustand von zahlreichen, derzeit in der KTS aktiven Personen reflektiert wurde: Gerade die letzte Zeit habe man als sehr harmonisch empfunden, viele Vetos habe es nicht gegeben, wurde geäußert. Hier mag sich einerseits eine recht selektive Sichtweise auf die Zustände im Haus ausdrücken, welche man zu ertragen scheint, solange das Veto nicht die eigene Veranstaltung bedroht. Andererseits drückt sich in dieser wahrgenommenen „Harmonie“ noch ein ganz anderer Sachverhalt aus, der vielen nicht bewusst zu sein scheint: Jahrelange Vetopolitik gegen Veranstaltungen sowie Beschimpfungen, Verleumdungen oder gar Gewaltdrohungen motivieren wenig, sich derzeit in die KTS einzubringen. Manche Einzelperson oder Gruppe überlegt sich mittlerweile zweimal, ob sie eine Veranstaltung in der KTS organisiert oder die Nutzung anderer Räumlichkeiten in Erwägung zieht — auch vor dem Hintergrund, dass die KTS als Publikumsmagnet vor allem für politische Veranstaltungen unattraktiv geworden ist und andernorts die Chancen mit Menschen in Kontakt zu kommen, als höher erachtet werden. Kurzum: Nicht wenige Personen haben unter den gegebenen Umständen keine Lust, in diesem Haus aktiv zu sein oder Veranstaltungen zu organisieren. Was den Verbliebenen als „Harmonie“ (wenig Kontroversität, ähnliche Meinungen auf dem Plenum etc.) erscheint, ist ein hegemonialer Zustand, der erst durch immer wieder ausgeübte politische Vetomacht und autoritäres Auftreten geschaffen wurde. Um diese Hegemonie aufrecht zu erhalten, werden regelmäßig äußere Feinde imaginiert. Hierbei ist es gleichgültig, ob dies „Antideutsche“ oder „Stalinos“ sind. Es ging dabei nie um eine inhaltliche Auseinandersetzung oder das kritische Argument, sondern darum, durch plumpe Abgrenzung den eigenen Machterhalt zu sichern. Die politisch desolate Verfassung des Hauses wird dabei offen als Resultat eigener Heldentaten zum Idealzustand stilisiert. Bei aller allgemeinen Kritik am status quo der Freiburger radikalen Linken und ihrer mangelnden Reflexion über politische Aufgaben und Verantwortung eines autonomen Zentrums, sollte daher nicht verklärt werden, dass die aktuellen Zustände im Haus von einigen Einzelpersonen und Gruppierungen, welche diese bewusst und auf autoritäre Weise hervorgebracht haben, durchaus erwünscht sind.

Bereits ab 2007 fand der anfangs schleichende, mittlerweile offene Missbrauch des Konsensprinzips statt. Dabei versuchten bestimmte Personen, Einfluss auf die Entscheidungsfindung im Haus zu nehmen. Unter der Vorgaukelung, es handle sich dabei nur um lose Stellungnahmen von Einzelnen, gelang es einem informellen Grüppchen durch die politische Anwendung des Vetos, bisherige Aktivist_innen aus dem Haus zu drängen. Durch gezielte Desinformationen und Lügen über deren angebliche strategische Unfähigkeit und politische Festgefahrenheit wurden lange aktive Personen isoliert und der Aufbau von maßgeschneiderten Machtstrukturen ermöglicht und vorangetrieben. Seinen traurigen Höhepunkt fand dieses aggressive Vorgehen im Umgang mit der Veruntreuung von Geldern der KTS. Statt nach einer für alle transparenten Lösung auf dem Plenum zu suchen, wurden gezielt angeblich verdächtige Personen unter psychischen Druck gesetzt und dieses geheimpolizeiliche Vorgehen als zielführend legitimiert. Der Versuch, das Ganze im Nachhinein als („antideutsche“) Verschwörung zu brandmarken, soll heute noch die öffentlich wirksame Diffamierung des als „politischer Gegner“ verunglimpften Gegenübers auch einem weiteren Personenkreis verständlich machen. Die Androhung körperlicher Gewalt gegenüber Genoss_innen war dabei nur ein weiterer Schritt in der sich immer schneller vollziehenden Aufkündigung eines linken Minimalkonsenses. Nur knapp zwei Jahre später wurde diese Drohung ganz offen und unwidersprochen auf dem Montagsplenum verwendet, nachdem politisch unliebsame Veranstalter_innen – nicht deren Inhalte – per Veto blockiert wurden.[3] Wie weit sich die KTS von einem tatsächlich an Debatte orientiertem politischen Raum entfernt hat, zeigt der Umgang mit Mitgliedern des Infoladens 2010 bei dem breitbeinig behauptet wurde, dass unliebsame Zeitschriften oder Texte ja auch einfach verbrannt werden könnten.[4]

Wohl einzigartig in einem autonomen Zentrum in Deutschland ist der Zustand, dass die KTS es derzeit nicht schafft, sich von innerlinker Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zu distanzieren. Nachdem es in den vergangenen Jahren wiederholt zur internen Gewaltandrohungen kam, brachten Einzelpersonen auf dem Plenum einen Antrag auf klare Ablehnung und Sanktionierung von Gewalt als Mittel linker Auseinandersetzung ein. Vorgesehen war bei der ersten Gewaltandrohung eine Verwarnung auszusprechen, bei der zweiten den unmittelbaren Ausschluss folgen zu lassen. Dieser Antrag wurde nicht nur per Veto abgeschmettert, auch die autoritäre Drohung, dass es zur Einschüchterung des „politischen Gegners“ im Haus natürlich Gewalt bedürfe, wurde von einem Großteil des Plenums schlicht hingenommen und nicht in Frage gestellt.

Der interne desolate Zustand der KTS drückt sich auch nach außen durch eine eingeschränkte politische Handlungs- und Wirkfähigkeit aus. Das jahrelang gepflegte autoritäre Vorgehen gegen kontroverse Inhalte, sowie das Verdrängen politisch unliebsamer Akteure aus dem Haus äußern sich mittlerweile in einem nur noch sehr begrenzten politischen Themenfeld, das in der KTS besetzt werden kann. Übrig geblieben sind weitgehend unverfängliche, in der Szene konsensuale Themen, wie die Aufklärung über Nazistrukturen oder Veranstaltungen, die thematisch um die eigene Szene und ihre Strukturen kreisen. Auch die aus dem Haus heraus organisierten Aktionen sind in den vergangenen Jahren zunehmend selbstreferenziell geworden. Die dabei vermittelten politischen Inhalte sind von außen oftmals nur noch schwer zu erkennen. Das Wegbrechen jenes Teils der Freiburger Bevölkerung, der sich wie noch vor einigen Jahren mit linksradikalen Positionen bei öffentlichen Aktionen zumindest teilweise solidarisierte, ist eine Folge dieser Scheuklappenpolitik.

4. Vorschlag für einen Minimalkonsens
Mittelfristig halten wir eine Reflexion über die Aufgaben und die politische Verantwortung, welche der KTS als AZ in Freiburg zukommen soll, für unerlässlich. Kurzfristig stellt sich die Frage, welche unmittelbaren Schritte unternommen werden müssen, soll sich das politische Spektrum der KTS nicht weiter verkleinern. Ob wir als Verfasser_innen dieses Textes weiterhin in der KTS aktiv sein wollen, ist für uns derzeit offen und davon abhängig, ob die Strukturen der KTS zu einer Selbstkritik fähig sind. Wir möchten daher dem Montagsplenum einen Minimalkonsens vorschlagen, ohne welchen wir uns eine weitere Mitarbeit in der KTS nicht vorstellen können. Ein solcher Minimalkonsens muss einschließen:

1) Das Montagsplenum beschließt, dass Gewalt kein Mittel der internen Auseinandersetzung in der KTS darstellen darf. Gewaltanwendungen oder –drohungen werden konsequent sanktioniert. Gewaltanwendung führt zum unmittelbaren Ausschluss, Gewaltandrohung mindestens zur Verwarnung und beim zweiten Verstoß zum Ausschluss.

2) Die in der KTS aktiven Gruppen und Einzelpersonen verpflichten sich zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Macht des Vetorechts. Veranstaltungen, welche von einzelnen Gruppen durchgeführt werden, dienen der Diskussion und haben erst einmal wenig mit der „offiziellen“ politischen Positionierung des Hauses nach außen zu tun. Ein innerlinker politischer Dissens rechtfertigt kein Veto gegen eine Veranstaltung. Gerechtfertigt ist ein Veto, wenn ein Missbrauch oder eine Vereinnahmung der KTS-Struktur droht.

3) Dem Ausspruch eines Vetos muss eine ausführliche Begründung folgen. Nach Ausspruch eines
Vetos gegen in der KTS aktive Gruppen oder Einzelpersonen muss ein Diskussions- und Schlichtungsprozess folgen, mit dem Ziel einer für alle Seiten praktikablen Kompromisslösung oder eines konstruktiven Gegenvorschlags.

Unterzeichner*innen:
Anarchistische Gruppe Freiburg
Antifaschistische Initiative Freiburg
Gruppe Gegenmaßnahme La Banda Vaga
und
diverse Einzelpersonen

[1] online unter: http://www.kts-freiburg.org/spip/IMG/pdf_Koraktor_01_09.pdf

[2]Da es bei der ersten Diskussion des Textes bereits zu Missverständnissen kam: Keinesfalls wollen wir damit ausdrücken, dass Antinationalismus, Antimilitarismus, Anarchismus und Autonomie prinzipiell als alte und vage Konzepte zu verwerfen wären. Wir kritisieren jedoch deren in der KTS praktizierte Verwendung, welche oft weniger auf den emanzipatorischen Gehalt dieser Begriffe abzielt, als auf Aufwertung und Abschottung der eigenen politischen Identität. Inhaltliche Diskussion kann dadurch nur schwer erfolgen.

[3] siehe den Text „Basisdemokratie im Korsett der Minoritätenherrschaft“, online:
www.ktsfreiburg.org/spip/IMG/pdf_Koraktor_01_09.pdf

[4] siehe den Text “Über Vertrauen, Pluralismus und autonome Autoritäten”, online: http://www.ktsfreiburg.org/spip/IMG/pdf_koraktor_juli_11_Koraktor_10_200...

 

 

AG KTS Kritik
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