Rigaer94 die Zweite: Hallo aus den besetzten Wohnungen des Vorderhauses

Regionen: 

 

Eine der besetzten Wohnungen im Vorderhaus der Rigaer Straße 94 besteht mittlerweile seit mehr als drei Jahren. Im letzten halben Jahr konnten sich die Besetzer_innen über den Zuwachs von zwei weiteren Wohnungen im Vorderhaus freuen, die sich entschlossen haben in Abwesenheit von Kontrollinstanzen ihr Recht auf Wohnen selber in die Hand zu nehmen. Drei Jahre drei Neu Besetzungen, eine schöne Bilanz. Grund genug die letzten Jahre noch mal Revue passieren zu lassen und einen Blick in die Zukunft zu wagen.

 

 

Warum wir keinen Bock haben auf eine Hausverwaltung

 

Die vorletzte Hausverwaltung war die Belima, sie wurde noch vom vorherigen Eigentümer Suitbert Beulker eingesetzt, die Lafone Investment übernahm die Belima einfach mit beim Hauskauf. Im September 2015 schickte die Belima einen Schlägertrupp, um den besetzten Dachboden zu räumen. Dieser wird seit mehreren Jahren von Menschen bewohnt, die in prekären Verhältnissen leben und sich ihr Zuhause dort eingerichtet haben. Auch sie sind Teil der Hausgemeinschaft. Nach der privaten Räumungsaktion zogen jedoch sofort wieder alle ein.

 

Am Tag darauf wurde der Belima ein Besuch in ihrem Büro (Arndtstr. 34) abgestattet. Dabei wurden Flugblätter hinterlassen, in denen sie aufgefordert wurden, das Zusammenleben im Haus in Frieden zu lassen, sonst würde dazu aufgerufen werden, gegen die Hausverwaltung aktiv zu werden. Den kompletten Text und ein Video der Intervention könnt ihr euch hier nochmal ins Gedächtnis rufen: https://de.squat.net/2015/09/25/berlin-hausbesuch-bei-belima/

 

Ihren zweiten Versuch startete die Belima ca. einen Monat später, in dem sie einen Putztrupp mit ungefähr 8 Personen in die Treppenaufgänge schicken wollte. Das Haus wurde verbarrikadiert und auch die Bullen konnten nichts ausrichten.

 

Auch während der Belagerung im Sommer 2016 wurde die dann schon ehemalige Belima (sie kündigte nach dem Hausbesuch), nicht vergessen. Eine Fahrraddemo fuhr an ihren Büros vorbei, danach war die Fassade ein bisschen bunter.

 

Zudem ging aus den Akten der nachfolgenden Verwaltungsklage gegen den Bulleneinsatz vom Juni 2016 hervor, dass Herr Schroer von der Belima auch an jedem Vorbereitungsgespräch des Überfalls involviert war. (ZAD-Ausgabe Nr. 5) Jener der auch damals das erste Mal in die besetzte Vorderhauswohnung einbrach, um unsere schlafenden Gäste mit Bullen zu terrorisieren.

 

Im Juni 2016 übernahm dann die Hausverwaltung Pawel Kapica, wobei es nicht einmal klar ist, ob diese wirklich existiert. In der Empfangshalle zum Büro in der Französischen Str. sitzt nur eine Person, die auf jede Nachfrage nach dem Geschäftsinhaber antwortet, es sei auf unbestimmte Zeit verreist.

Auch diese Hausverwaltung räumte den Dachboden noch in ihrem ersten Monat, jedoch zogen nach wenigen Wochen schon wieder Menschen dort ein.

 

Seit der gescheiterten Räumung der Kadterschmiede im Sommer 2016 hat es keine Versuche mehr von seiten der Hausverwaltung gegeben sich in unsere Leben und die Hausgemeinschaft einzumischen.Bis vor kurzem nun ein Lebenszeichen in unseren Briefkästen erschien.Kurz und knackig wird nun allen Bewohner_innen mit Mietvertrag mitgeteilt, bis zum 18. April 2018 jegliche Eingangstore selbst auszubauen, sonst würden sie auf Kosten der Mieter_innen entfernt.

Es handelt sich hierbei nicht um einige schlechte Ausnahmen. Jedes Mal wenn Hausverwaltungen in der Vergangenheit einen Fuß über unsere Türschwelle gesetzt haben, war es als Angriff auf das Zusammenleben hier gemeint.

 

 Die Stadt als Eigentümerin

 

Im Sommer letzten Jahres hat die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo „angeboten“ die Rigaer 94 zu kaufen. Im selben Atemzug sprach Innensenator Geisel davon, dass die Stadt als handlungsfähiger Eigentümer des Hauses einen leichteren Zugang hätte, z.B. durch das Entfernen von Eingangstüren. Diese Aussage zeigt, dass es nicht um eine großzügige Schenkung an die Bewohner_innen geht, sondern um mehr Kontrolle und eine engere Zusammenarbeit von Bullen und anderen Behörden mit der Eigentümerin. Natürlich lässt es sich so auch schneller mal feststellen, wer hier genau wohnt.

Sollte die Degewo oder auch irgendeine andere der landeseigenen das Haus kaufen, bekommt die Stadt außerdem ein Druckmittel in die Hand. Dann kann der Kiez mit Zuckerbrot und Peitsche befriedet werden. Wie Geisel ja schon bemerkt hatte, gibt es sehr viele unkündbare Mietverträge im Haus, wenn die Daumenschraube aber enger angelegt wird, könnte jede „Verfehlung“ in der Kündigung eines Mietvertrags enden. Deshalb ist es wichtig unversöhnlich mit solchen Augenwischereien umzugehen und mit unversöhnlicher Haltung gegenüber zu stehen.

Außerdem ist es ein Irrtum zu glauben, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften besser sind als private Eigentümer_innen, oder sich fairer gegenüber den Mieter_innen verhalten. In Berlin gibt es jedes Jahr ca. 5000 – 7000 Zwangsräumungen, davon gehen 20 % auf das Konto der landeseigenen Gesellschaften, die sich mit ihren sozial verträglichen Mieten brüsten. Dabei ist es eigentlich nicht verwunderlich, handelt es sich doch auch um Firmen, die der kapitalistischen Logik unterliegen und Profite erzielen wollen.

Die Befriedung des Hauses und damit auch des ganzen Kiezes passt auch in die generelle städteplanerische Strategie. An jeder Ecke wird der Baukasten der sicherheits-architektonischen Stadtplanung ausgepackt. Im Görli werden die Mauern ersetzt um den Park übersichtlicher zu gestalten, die Warschauer Brücke wird weitläufig beleuchtet und in den ganzen kleinen Parks der Stadt werden Büsche und Bäume herausgerissen, um schon von Weitem einen Einblick zu gewähren.

 

Ein Gegenentwurf

 

Wir möchten nicht nur darüber sprechen, was uns nicht gefällt, sondern auch davon, was dieses Projekt eigentlich für uns bedeutet. Es ist unser Freiraum in dem wir experimentieren können und selbst innerhalb all der Widersprüche, die uns täglich begegnen, jeden Tag ein bisschen selbstverwalteter und solidarischer zusammen zu leben, als es anderswo möglich wäre. Unser Haus ist ein wichtiger Ort um aktiv und offensiv gemeinsam widerständig auf den verschiedensten Ebenen zu sein.

 

Die Kadterschmiede steht vielen Gruppen – auch von außerhalb - zur Verfügung um hier Veranstaltungen zu machen. Drei Mal die Woche gibt es hier eine Vokü, bei der alle zum Essen kommen können, auch die, die es sich woanders nicht leisten können.

 

Seit einigen Monaten gibt es die solidarische Bäckerei „Schwarzbrot“. Zwei Mal in der Woche kann dort frisches Brot abgeholt werden, wer Geld hat, kann zahlen und damit emanzipatorische Projekte unterstützen. Es geht aber auch darum das kapitalistische Konstrukt der Gegenleistung zu durchbrechen: Wer kein Geld hat, muss nichts zahlen.

 

Beim Berliner Mietpreis-Niveau muss die Mehrheit der Mieter_innen mittlerweile oft mehr als 2/3 Drittel ihres Einkommens in ihren Lebensmittelpunkt investieren und irgendwelchen reichen Säcken, ihr bisschen Kohle vor den Schoss kippen, um sie noch reicher zu machen. Die ersten, die sich bei dem logischen Entschluss keine Knete mehr abzugeben, einmischen, sind meist die Besitzer_innen und die Exekutive des Staates. Für beide Parteien ist der Zugang zu unseren vier Wänden, wie allgemein bekannt, nicht so leicht. Auch deswegen haben sich neue Lebensgemeinschaften dazu entschlossen, im letzten halben Jahr zwei weitere Wohnungen im Vorderhaus der Rigaer Straße 94 zu besetzen und somit dem Mietmarkt zu entziehen.

 

Nun soll es unseren schützenden Toren jedoch an den Kragen gehen. Bei den Mieter_innen der 94 gingen vor ca. 1 Woche Briefe von der Hausverwaltung ein, in denen sie dazu aufgefordert werden, alle Eingangstore eigenständig zu entfernen, sonst würden sie auf Kosten der Mieter_innen ausgebaut werden. Sie wollen uneingeschränkten Zutritt zum Haus.

 

Es ist ein klarer Versuch einen Keil zwischen Mieter_innen und Besetzer_innen zu treiben. In den letzten Wochen lässt sich ohnehin ein klares Stimmungsbild von den Medien ableiten. Nach der Razzia am 23.03 und der Festnahme unserer 2 Freunde Isa und Michał, nimmt die Hetze in den Tageszeitungen nicht ab. Wir deuten das Ultimatum als ernst gemeinten Angriff auf unsere Lebensgemeinschaft und wollen nicht ausschließen das dies ein erster Schritt ist in Richtung finale Räumung unseres Hauses Rigaer 94 sein könnte.

Vom 10.-13.05.2018 werden die Diskussions- und Chaostage stattfinden. Es ist bereits vielfältiges in der Stadt geplant. Dass ist auch wichtig, da ein besonderes Augenmerk der Bullen darauf liegen wird, jegliche öffentliche Aktion hier im Kiez zu unterbinden. Das Programm ist trotzdem bereits gefüllt und wir freuen uns, auch hier über Gegenmaßnahmen,

 

Strategien und den Ausbau widerständiger Strukturen zu reden und zu streiten!

 

Keinen Frieden mit der Stadt der Reichen!

 

Am 14.05. geht die Räumungsklage der Kadterschmiede in die nächste Runde. Wir unterstützen den Aufruf unserer Freund_innen und freuen uns ebenso über einen Frühling der Rebellion! https://de.indymedia.org/node/20020

Einige Menschen haben schon begonnen, und rufen dazu auf, Leerstand zu besetzen und eine selbstbestimmte Stadt von unten zu organisieren. Informationen hierzu findet ihr hier: https://besetzen.noblogs.org/

 

Rigaer94 bleibt Risikokapital!

 

Für eine Stadt von unten!

Freiheit für Isa, Nero &Michał !

 

Die Besetzer_innen vom Vorderhaus

 

 

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen