Die Militarisierung der Polizei als Chance für kreativen Protest

Regionen: 

Aktuell geht der Trend zu einer erneuten Militarisierung der Polizei. Dies wird analysiert und beklagt, Handlungsoptionen werden kaum gesehen. Dabei erodiert die Militarisierung der Polizei die Legitimation der angeblichen „Freunde und Helfer“. Dies bietet Chancen für aktionistische Interventionen. Ein Pladoyer für eine Kommunikationsguerilla, die auf einer diskursiven Ebene versucht, der Polizei das Wasser abzugraben (→ Was ist Kommunikationsguerilla?).

 

Bürger*innenfreundlichr Service mit der Handgranate

 

Eine gesellschaftliche Tendenz dieser Zeit ist die Militarisierung der Polizei. Nach gegenläufigen Tendenzen in den 70ziger Jahren, wo nach und nach die Kriegswaffen aus den Arsenalen der bundesrepublikanischen Polizeien verschwanden, rennen die Cops mittlerweile bei nichtigen Einsätzen mit Schnellfeuerwaffen rum. Verunsicherungspolitiker*Innen kaufen landauf landab Survivor-Panzer. Und in Bayern gehört die Handgranate bald wieder zur ganz normalen Ausrüstung beim bürgerorientierten Sicherheits-Service.

 

 

Cops können jede Demo wegboxen

 

Das linksradikale Bewegungsmosaik steht dieser Entwicklung bisher eher wie die Maus der Schlange gegenüber. Die Entwicklung wird zwar analysiert und beklagt, Handlungsoptionen sieht man hingegen kaum wer. Das ist zugegebenermaßen auch nicht leicht angesichts der praktischen Auswirkungen der Militarisierung. Wenn man heute eine Demo macht, steht man einer Polizei gegenüber, die, wie der G-20-Gipfel gezeigt hat, ohne Rücksicht auf Verluste jede Demonstration , so radikal sie auch angekündigt sei, innerhalb kürzester Zeit brutal zerschlagen kann – und darf, wie die euphemistisch Aufarbeitung genannten gesellschaftlichen Diskursprozesse nach dem Gipfel zeigen.

 

 

Legitimationsprobleme durch Militarisierung

 

Was dabei aus dem Blick gerät, ist, dass die Militarisierung für die Polizei potentiell ein Vermittlungsproblem schafft. Mindestens seit 1933 sind die deutschen Polizeien bemüht, sich als „Freunde und Helfer“ der deutschen Volksgenoss*innen darzustellen. Und genau dieses „Freund-und-Helfer“-Image ist angesichts einer Polizei, die mehr und mehr gegenüber Bürger*innen wie ein marodierender Landsknechtshaufen auftritt, zunehmend schwerer zu vermitteln. Als linkes Bewegungsmosaik sollte man mehr darüber nachdenken, wie diese Legitimationsprobleme durch eine gezielte Aktionspraxis vergrößert werden können.

 

 

Sogar Klobürsten erodieren polizeiliche Legitimationen

 

Welche Kraft in solchen Aktionen steckt, zeigte z.B. die Klobürsten-Revolution in Hamburg 2014. Damals besetze die Polizei das Schanzenviertel und überzog die Gegend weitläufig mit Schikane. Nachdem in einer Nachrichtensendung in der ARD Bilder einer willkürlichen Polizeikontrolle gezeigt wurden, bei der Cops zufälligerweise so blöd waren, eine Klobürste als „gefährlichen Gegenstand“ einzukassieren, wurde dieser Gegenstand Symbol der Proteste gegen die Polizei.

 

 

Im Abendkleid zur Verhaftung

 

Ein anderes Beispiel ist ein Bild der „Black Life Matters“-Proteste in den USA 2016. Ein bekanntes Foto zeigt eine Frau in schicker Abendrote, die von militarisierten vollgepanzerten Polizei-Paramilitärs verhaftet wird. Das Bild delegitimiert die Polizei, weil die abgebildete Situation mit den Erwartungshaltungen der Betrachter*in bricht. Protestierende sehen üblicherweise nicht wie neoliberale reiche Leute aus. Hinzu kommt, dass in der gesellschaftlichen Wahrnehmung jemand in Abendkleid kaum als gefährlich wahrgenommen wird. Umso krasser erscheint der Kontrast zu den gepanzerten Schlägertypen, die auf diesem Bild sehr schwer als „Freunde und Helfer*innen“ zu verklären sind. Der klassische Narrativ, dass wer Ärger mit den Cops hat, schon irgendwie selbst schuld sei, dürfte bei diesem Bild auch für eingefleischte deutsche Volksgenoss*innen nur schwer aufrecht zu erhalten sein. Auch wenn die Klobürste als Symbol aufgrund der damit verknüpften Assoziationen nicht unbedingt geeignet für eine positive Identifikation sein dürfte, genügen vielleicht diese beiden Beispiele, um aufzuzeigen, wie angreifbar eine militärisch auftretende Polizei auf dem diskursiven Level ist.

 

 

 

Keine direkte Polizei-Stopp-Wirkung

 

Diese Fokussierung auf das diskursive Level birgt jedoch auch Probleme. Weder die Klobürste noch das Abendkleid stoppen den Polizeiübergriff direkt. Beide Beispiele funktionieren nur, weil es ein multimedial vermitteltes Publikum gibt (die ARD und der Pressefotograf, der dank der Protestaktion und der Vermarktung des Fotos berühmt wurde). Wo es kein Publikum gibt, hat es die diskursiv wirkende Aktion schwer. Diese Fokussierung auf Publikum legt eine mediale Vermittlung nahe. Es besteht also die Gefahr, dass die ohnehin schon z.B. von campact, ausgestrahlt und IL betriebene Virtualisierung von Protest noch weiter auf die Spitze getrieben wird.

 

 

Ausschlüsse aus der Öffentlichkeit

 

Die Notwendigkeit für einen Zugang zum Publikum reproduziert darüber hinaus den nicht gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen. Wer mit seinem Anliegen ohnehin schon als „gut und wünschenswert“ gilt( wie Studierendenproteste oder das Bildungsbürgertum aus der Campact-Zielgruppe), wird es deutlich leichter haben, Gehör zu finden bei Konfrontationen mit militarisierter Polizei, während die ohnehin schon Marginalisierte es weiterhin schwer haben.

 

 

Twittern und Militarisierung

 

Ein weiteres Problem ist, dass die Militarisierung der Cops nicht losgelöst von anderen Entwicklungen stattfindet. Die Polizei hatte schon immer einen privilegierten Zugang zur Medienöffentlichkeit. Durch die Digitalisierung der Öffentlichkeit ist dies noch schlimmer geworden. So kann die Berliner Polizei z.B. ihre Storys von angeblich unter Strom gesetzten Türknäufen und angeblichen mordenden Plastiktüten in der Rigaer Straße fast unwidersprochen via Twitter in der bürgerlichen Presse lancieren.

 

 

Aktionsvorschläge

 

Und wie bereits in den Beispielen angedeutet, stoppen die wenigsten kreativen Aktionen direkt und unmittelbar Polizeiübergriffe. Die Polizei wird also allem kreativen Protest zum Trotz zunächst technisch in der Lage bleiben, zu schalten und walten wie sie will. Aber eine Aktionsstrategie, die langfristig diskursiv die Legitimation für staatliche Gewalt erodiert, ist vielleicht trotzdem ganz sinnvoll. Deshalb wollen wir in Kürze in unregelmäßigen Abständen konkrete Aktionsbeispiele vorstellen, bei denen Aktivist*innen darauf setzen, der Polizei diskursiv das Leben schwer zu machen.

 

 

Als Vorgeschmack sei auf drei Kommunikationsguerilla-Aktion mit Adbustingh-Plakaten aus den letzten Jahren verwiesen:

 

Dafürdich-Kampagne der Berliner Polizei getrollt:

 

http://maqui.blogsport.eu/2018/02/07/b-polizeikongress-protest-mit-adbusting-am-alex/

 

 

Korrigierte Wahlplakate vor dem Polizeirevier am Tempelhofer Damm:

 

http://maqui.blogsport.eu/2016/09/21/b-korrigierte-wahlplakate-vor-dem-polizeirevier-am-tempelhofer-damm/

 

 

 

Kommunikationsguerilla zum Polizeikongress:

 

http://maqui.blogsport.eu/2016/02/26/kommunikationsguerilla-mit-der-gdp-erst-gefaelschte-plakate-dann-gefaelschte-pressemitteilung/

 

 

 

 

 

Bilder: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Keine Auszeichung / Eigene Angaben zur Weiternutzung im Text