Wie vier Risse geheilt werden bevor etwas definitiv kaputt geht

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Das Folgende ist eine Übersetzung eines Textes von Feministinnen aus Parma, Italien.

!!Triggerwarnung!! In diesem Text geht es um sexualisierte Gewalt, die teilweise sehr genau beschrieben wird. Wenn du gerade oder generell keine Lust hast, so etwas zu lesen, dann lies diesen Text besser nicht.

Es handelt von einem schrecklichen Übergriff innerhalb der antifaschistischen Szene in Parma in einem Raum der RAF (Rete Antifascista di Parma, Antifaschistisches Netzwerk Parmas) und davon, wie das Milieu über Jahre hinweg die Gewalt, die passiert ist, nicht nur ignoriert hat sondern immer weiter reproduzierte. Als wegen anderen Ermittlungen die Repressionsbehörden auf den Vorfall aufmerksam wurden, bekam das Ereignis weitere Brisanz. In einem Verhör der Überlebenden, die den Vorfall nie angezeigt hatte, wurden die Namen der Täter genannt, welche schließlich einen Prozess wegen Vergewaltigung bekamen. Die Tatsache, dass die Überlebende mit der Polizei gesprochen hat, wurde zu einem weiteren Vorwand, ihr Solidarität für die erlebte Gewalt zu verwehren. Nach viel zu langer Zeit erst bildete sich eine feministische Solidaritätskampagne, aus deren Sicht auch der folgende Text geschrieben wurde.

Ausgangspunkt für die Übersetzung war ein französische Artikel, der am 2. Oktober 2017 auf paris-luttes.info veröffentlicht wurde mit dem Titel “À propos du viol collectif qui a eu lieu à Parme au siège de la RAF (Réseau Antifasciste de Parme)” (“Über die Gruppenvergewaltigung, die sich in Parma, im Sitz der RAF (Antifaschistisches Netzwerk Parmas) ereignete”). Um die Übersetzer_innen des deutschen Textes zu kontaktieren schreib an: z-6po@riseup.net Hier ist der Link zu dem französischen Artikel: http://paris-luttes.info/a-propos-du-viol-collectif-qui-a-8797?lang=fr Hier zum italiensichen Original: https://abbattoimuri.wordpress.com/2016/11/30/circa-i-fatti-di-parma-nel... WIE VIER RISSE GEHEILT WERDEN BEVOR ETWAS DEFINITV KAPUTT GEHT I m September 2010 in Parma, in der via Testi, war eine unsichere Anzahl von Individuen (zwischen 4 und 6) aktiv oder als Zuschauer_in an einer Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau, die gerade mal 18 Jahre alt war, beteiligt. Diese Gewalt wurde einer Person angetan, die nicht bei Bewusstsein war, ein Zustand, der kaum möglich von dem wenig Wein, den sie sich erinnert getrunken zu haben, hervorgerufen werden hätte können. Zum Zeitpunkt der Vergewaltigung, war sie unfähig ihre Zustimmung zu geben oder sich physisch oder sprachlich zu wehren. Wir wissen das, weil die Vergewaltiger die Szene mit ihrem Handy gefilmt haben. Was in diesem Video zu sehen ist, lässt keinen Zweifel an der Natur der Gewalt derer sie schuldig sind. Ihre Tat, an sich schon schlimm genug, wird nochmal verstärkt durch ihre Absicht besonders zu verletzen, indem sie sie mit einem Bengalo penetrierten. Es wäre uns lieber gewesen, nicht so weit ins Detail zu gehen, aber dieses Element ist wichtig weil dieses Ding, oder vielmehr sein Name, der abschätzige Spitzname des Opfers in den Monaten nach der Vergewaltigung wurde. Das Bengalo Mädchen hatte sich niemals gedacht, dass die Ereignisse dieser Nacht – die sie aus Angst, Scham oder wegen dem Bedürfnis, alles hinter sich zu lassen und zu vergessen, niemals angezeigt hat – ein derartig "virales" Phänomen werden würde. Dieses Video wurde von dutzenden und dutzenden Personen gesehen; wieder und wieder angesehen, bis es zum Symbol der Dominanz und der Erniedrigung der Überlebenden wurde, ein obszönes Spektakel um sich lustig zu machen und damit zu prahlen. Und bis hierher ist es schon schlecht, sehr schlecht… Aber das Schlimmste fehlt noch, weil in der via Testi in Parma, dort ist keine Bar, keine Disko, keine Privatwohnung und auch kein bedrohlicher, finsterer Wald oder eine dunkle, heruntergekommene Gasse eines gefährlichen Viertels. In der via Testi war ein Gebäude wie es hier viele gibt. Jene Betonblöcke, die sich alle gleichen...aber dieses hier war anders, weil in diesem banalen Block aus Stahlbeton war das Lokal der RAF (Rete Antifascista di Parma, Antifaschistisches Netzwerk Parmas) und die involvierten Personen dieser Horror- und Gewaltgeschichte sind Männer und Frauen, die dem RAF angehörten oder es frequentierten. Hier, in diesem Moment, bricht etwas. ERSTER RISS Wir sind davon überzeugt, dass der Faschismus nicht eine historische Tatsache ist, die sich exklusiv an der 20-jährigen Periode des italienischen Faschismus festmachen lässt. Wir denken, dass die Faschisten nicht bloß Nostalgiker dieser Epoche sind, da der Faschismus nicht nur eine Partei, ein Regime der Vergangenheit oder eine politische Fraktion ist, der eins sich anschließt oder gegen die eins kämpft. Der Faschismus ist vor allem eine Einstellung, eine Art und Weise zu denken, zu handeln, zu kämpfen und zu hassen. Faschistisch zu sein bedeutet, die eigene Stärke zu nützen um Vielfalt zu normalisieren und zu uniformieren und Minderheiten zu unterdrücken. Faschistisch zu sein bedeutet, zu diskriminieren aufgrund von Sexualität, Gender, Körper, Spiritualität, Religion, Spezies, Alter oder sozialer und kultureller Bedingungen.. Wir können heute nicht über Antifaschismus reden ohne alle Sexismen, Rassismen, Klassismen und Speziesismen anzulehnen, weil der Kampf für die Befreiung der Frauen und Männer ein Krieg für die Freiheit ist, der die Verteidigung der Unterdrückten, der Tiere und der Erde einbezieht. Ein Krieg gegen die Hoffnungslosigkeit, die Ignoranz und die Gewalt, die unterdrückt. Eine Vergewaltigung ist immer und in allen Umständen eine faschistische Tat auch wenn die, die sie begehen sich als antifaschistisch bezeichnen. Der Antifaschismus ist nicht nur ein Slogan, der im Stadium gebrüllt oder ein Patch, der auf eine Bomberjacke genäht wird. Antifaschistisch zu sein heißt, auf eine antifaschistische Art und Weise zu denken und zu handeln. Wer auch immer vergewaltigt ist Faschist und wir werden ihn bekämpfen, als Faschisten und Vergewaltiger. Wer auch immer auch immer auf unserer Seite der Barrikade atmet, sich bewegt und redet und sich erlaubt faschistische Verhaltensweisen zu haben, wird bekämpft als Faschist und dummer, inhaltsloser Haufen Scheiße. Was ist passiert in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Vergewaltigung? Die junge Frau hat sie nicht bei der Polizei angezeigt, sie hat mit niemandem drüber gesprochen. Das Video hat sich weiter verbreitet, alle haben es angesehen aber niemand hat die Gewalt GESEHEN. Die Männer die rund um den Tisch waren, wo die junge Frau reglos lag, haben weiterhin die Demos, die Konzerte, die besetzten und selbstverwalteten Orte besucht... Und sie haben gelacht, geredet, Bier getrunken, sind mit Frauen ausgegangen, haben neue Freundschaften geschlossen,trotz eines zirkulierenden Videos in dem sie mir einer Frau "Sex haben", die tot wirkt. Sie sahen das nicht als falsch an und niemand machte sie darauf aufmerksam. Die junge Frau hat keine klaren Erinnerungen aber sie weiß, dass diese Gruppe von Personen ihr etwas Schreckliches, etwas, dass sie als Gewalt erlebt hat, angetan hat. Sie möchte wissen, warum man ihr diesen Spitznamen gegeben hat, warum die Kameraden aus Parma (und nicht nur die) sie Bengalo nennen. Es ist ein Freund, der es ihr sagt. Ein Freund, der sagt: "Das ist wegen dem Video, das herumgeht, wegen dem was passiert ist in dieser Nacht..." ZWEITER RISS Falls eine Frau oder ein Mann ein Verhalten als belästigend oder gewalttätig empfindet, dann ist dieses Verhalten ein Übergriff. Wenn eine Frau oder ein Mann offensichtlich durch die Auswirkungen von Alkohol oder Drogen beeinträchtigt ist, kann er/sie keine Zustimmung geben. Ohne Zustimmung ist es eine Vergewaltigung. Es kann passieren, dass wir uns nach dem Sex erniedrigt, verletzt oder vergewaltigt fühlen, auch wenn wir am Anfang unsere Zustimmung gegeben haben. Die Signale des Unwohlseins der_des anderen nicht erkennen zu können oder zu ignorieren, ist Gewalt. Wenn eine Frau während dem Sex Lust empfindet, drückt sie das aus. Die totale Passivität ist oft ein Symptom des Unwohlseins, das nicht geschafft wird, auszudrücken. Stille bedeutet nicht Zustimmung. Ohne Zustimmung ist es eine Vergewaltigung. Ohne Zustimmung eine sexuelle Handlung zu filmen ist Gewalt. Ein Video, das während einer sexuellen Handlung (und noch schlimmer einer Vergewaltigung) gedreht wurde, ohne die Zustimmung der Beteiligten zu verbreiten ist Gewalt. Und es zählt nicht, wenn wir in einer anderen Situation unsere Zustimmung zu einer intimen, sexuellen oder gefühlsbetonten Beziehung gegeben haben. Die Gewalt spielt sich allzu oft zwischen Mauern ab: häuslichen Mauern, Mauern von Beziehungen und Mauern von Zugehörigkeiten zu einer sozialen Gruppe und das macht sie nicht weniger schlimm. Genauso wie die Sittlichkeit (intime oder politische) einer Frau keinen Machtmissbrauch eines Mannes rechtfertigen kann. Wenn wir keine Zustimmung geben und eine Aussage, ein Verhalten oder eine Beziehung als herabwürdigend oder gewaltvoll ansehen, dann ist es eine Vergewaltigung. Und das sollte klar sein für jene, die sich antifaschistisch und demnach anti-sexistisch betrachten. Jede Person, die das nicht versteht und die keine Unterscheidung macht zwischen einer Frau, die genießt und einer die Gewalt erleidet, wird bekämpft als Faschist, Macho und schrecklicher, inhaltsloser Haufen Scheiße. Die Vergewaltigung – Reduziert auf ein lachhaftes Spektakel, verwendet vom menschlichen Elend an Männern und Frauen, denen es nicht nur an der theoretischen Basis, sondern auch an einfachem Herz und Kopf zu Verstehen, mangelt – hätte unbestraft bleiben können. Eine schreckliche Last blieb der Überlebenden vorbehalten, die mit der Zeit emotional zusammenbricht und von einer Spirale der Selbstzerstörung und von einer verzweifelten Suche nach Wärme und Zuneigung erfasst wird: Eine Spirale nach unten, erzeugt von falschen Entscheidungen, giftigen Beziehungen und Scheiße, die man sich vorstellen und/oder vorhersehen kann, ohne dass man “posttraumatischer Stress nach sexualisierter Gewalt” googlen muss. Sie, alleine mitten unter uns, ausgeliefert der Willkür ihrer Dämonen // den anderen, den Vergewaltigern (und den Zuschauern des Grauens). Aber im August 2013 explodiert eine selbstgebaute Bombe wenige Schritte vom Sitz der Casa Pound (einer faschistischen Organisation) von Parma und, wie gewohnt, treffen die Ermittlungen die antifaschistische und anarchistische Bewegung von Parma und den angrenzenden Regionen. Manche sagen, es gab undichte Stellen, andere sagen, es war Casa Pound, die Informationen weitergegeben haben oder vielleicht war es der normale Ablauf der Ermittlungen. Wenig wichtig wie es dazu kam, was zählt ist, dass die Ermittler in den Besitz des Videos – das die Vergewaltiger gefilmt und verbreitet haben – kamen und einen Namen erfuhren: Den Vor- und Nachnamen derjenigen, die von zu vielen das Bengalo Mädchen genannt wurde. Alleine mit seinen Dämonen und einer unzählbaren Anzahl an Gendarmen, die ihr über Stunden und Stunden hinweg befragten. Die sie fragen welche Beziehung sie mit der Gruppe von Männern und Frauen hatte, die sich im dem Lokal des RAF befanden und die sie fragen, ob sie diese öfter sehe, ob sie Freunde seien, ob sie Kameraden seien. Nein, sie sehe sie nicht öfter. Warum sie sie nicht öfter sehe? Hatte sie vielleicht einen Konflikt? Haben sie ihr etwas angetan? War sie schon einmal in der via Testi? Und was ist ihr passiert in der via Testi? Und dann zeigen sie ihr das Video. Und wieder Fragen. Ist das sie in dem Video? Wer war in dieser Nacht da in der via Testi? Sie beginnen Namen zu nennen. Der, war der da? Und dieser? Ist sie sich sicher, dass jener nicht da war? Manche wurden in dem Video identifiziert. Man hört Stimmen. Zu wem gehören die Stimmen? Nach endlosen Stunden kommen Namen von Personen heraus, an die sie sich am Tag der Vergewaltigung im Lokal der RAF erinnert. Und wie viele... wie viele unter uns wären wirklich fähig, trotz unserer festen Überzeugungen, stand zu halten? DRITTER RISS Alle die, die sich „anarchistisch“ bezeichnen, müssten den Staat und seine Institutionen ablehnen und die Justiz der Gerichte nicht anerkennen, weil die Gesetzlichkeit ist nicht gleich Gerechtigkeit ist. Die Anarchist_innen also, sollten nicht danach suchen, erlittenes Unrecht zu bereinen indem sie an diejenigen appellieren, die das Gesetzt gemacht haben, an diejenigen die es durchsetzen und die diejenigen bestrafen, die es nicht befolgen. Das deswegen, weil Anarchie ist Selbstorganisierung und Selbstverwaltung, mit dem obersten Ziel des guten Miteinander, das den individuellen Vorteil übertreffen sollte. Aber wenn um das Wohl einer Gruppe aufrecht zu erhalten und zu garantieren, andere Individuen zerquetscht, über das Leid anderer geschwiegen und unseren Idealen der Rücken zugedreht werden muss, können wir uns dann noch als Anarchist_innen bezeichnen? Wenn wir dieses taube und blinde Gesetz, das von oben aufgedrückt wird und jene bestraft, die ihm nicht gehorchen, ablehnen, wie können wir dann dieses Modell reproduzieren indem wir unserer Theorie Reinheit auferlegen auf Kosten der Empathie, des Menschenverstands und der Humanität? “Wer mit der Polizei spricht ist ein_e Verräter_in und darf keinen Fuß in unsere Räume setzen.” Also fragen wir, warum die ersten, die die Gewalt in diesem Video, das eine solche Anzahl an Kameraden angesehen hat, ERKANNT haben, die Gendarmen und die Beamten waren. Warum findet sich eine junge Frau, die eine solche Gewalt erlitten hat, alleine und unvorbereitet “in den Händen” der bewaffneten Staatsgewalt, ausgebildet Situationen zu ihrem Vorteil zu kreieren? Wo waren wir, diese drei Jahre, die verronnen sind zwischen der Vergewaltigung und dem Tag, an dem die Patrouillen gekommen sind um die junge Frau bei seiner Familie abzuholen? Warum wurde nicht, anstatt das Video zu verbreiten, zu erniedrigen, Plenas mit den Vergewaltigern zu abzuhalten, eine Mauer aufgebaut um die junge Frau zu schützen? Warum wurde, um die Gruppe zu retten, entschieden, jene im Stich zu lassen, die sie wirklich gebraucht hätte? “Die zerbrechlichen Personen schwächen die Bewegung weil sie von den Bullen und Faschos manipuliert werden können.” Wir denken, dass im Gegenteil, eine Bewegung schwach ist, wenn sie nicht fähig ist, die Schwachen und Unterdrückten aufzunehmen und zu schützen. Wir denken, dass eine Bewegung sich schwächt, wenn sie sich an Theorien der Reinheit und Integrität aufhängt, ohne die Fähigkeit zu haben auch diejenigen aufzunehmen (auszubilden und zu informieren), die nicht den heiligen Texten des perfekten Revolutionärs gehorchen. Wir sind der festen Überzeugung, dass es nicht der Moment ist, einen Prozess zu machen um die politische Integrität einer Frau, die zuerst die Gewalt der Vergewaltiger und dann jene des Staates erfahren hat, weil ihre Taten nicht die Verurteilung von Vergewaltigung und sexistischer Gewalt begangen von jenen, die sich Kamaraden, Anarchisten, Antifaschisten nennen, in den Hintergrund stellen. Falls wir einen politischen Prozess machen müssen, dann machen wir ihn auch jenen, die vergewaltigt haben und das Video verbreitet haben, jenen die sie Bengalo genannt haben und machen wir ihn vor allem uns selber. Es sind wir, die wir uns als erste auf die Anklagebank setzen müssten und uns fragen, was wir im Kopf hatten, als wir nicht Position beziehen wollten weil “sie hat eine Vergewaltigung erlitten, ABER...” Während des Verhörs, das Jahre nach der Vergewaltigung stattfand, wurde von den Gendarmen eine Aussage niedergeschrieben, die von der jungen Frau unterschrieben wurde, mit den Namen derer, an die sie sich erinnerte anwesend gewesen zu sein in jener Nacht in der via Testi. Unter den Namen war eine Person, die zu der Zeit des Sachverhalts im Ausland befindlich gemeldet war und die deswegen vom Staat freigesprochen wurde. Unter den anderen genannten und von der Staatsgewalt als über die Fakten informierte Personen vorgeladenen, wurden vier in dem Video identifizierte Männer angeklagt, die gerade einen Prozess haben (von ihnen befindet sich einer im Ausland und wurde nicht lokalisiert). Es muss daran erinnert werden, dass wir von einer Person sprechen, die nie jemanden angezeigt und keine Intentionen hatte, das zu tun, die sich aber in einer Situation wiederfindet, in der sie als Nebenklägerin in einem Prozess wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung auftreten muss. Nicht für eine politische Tat, nicht für eine Aktion der Bewegung, sondern wegen sexueller Gewalt mit zahlreichen erschwerenden Umständen, nachdem sie bewusstlos war als es passiert ist. Vier weitere Personen sind angeklagt wegen Anstiftung und Komplizenschaft. Sie haben, den Ermittlern zufolge, gelogen um die Vergewaltiger zu decken oder das Opfer bedroht, damit sie die erlittene Vergewaltigung leugnet. Seit dem Beginn des Prozesses, wurde das Opfer mit Drohnachrichten und sexistischen Beleidigungen bombardiert. Viel zu oft wurde sie gewaltvoll aus besetzten und selbstverwalteten Orten geworfen, ohne dass ihr zugehört wurde. Auch wenn wir es als schlimm betrachten, mit der Justiz zu „kooperieren“, denken wir, das es weniger schlimm bliebt, als das, was sie erlitten hat. Um jene zu “rächen” die von der Polizei vorgeladen wurden oder um die Vergewaltiger zu schützen, wurde eine erbarmungslose Maschine in Bewegung gesetzt, genährt von absurden Gerüchten, Drohungen und sogar physischer Aggressionen gegen sie. In der Beschuldigung, sie wäre die Schande, ist die Nachricht deutlich, dass es schlimmer wäre, eine Vergewaltigung anzuzeigen als zu vergewaltigen. Obwohl die Vergewaltigung an einem politischen Ort stattfand, ist es schwierig Position zu beziehen, weil sie hat das gemacht, weil sie hat jenes gesagt und weil sie ist... Und wir schaffen es nicht zu glauben, dass jene, die sie verurteilen weil sie mit der Polizei gesprochen hat, das wollen. Wir hoffen inständig, dass die Bewegung ausreichend reif und klarsichtig ist um die beiden Dinge zu unterscheiden und die Tatsachen zu kontextualisieren. Die Gewalt zu verurteilen ohne wenn und aber und dann an einem anderen Ort und mit einer guten Praxis* über die Gründe nachzudenken, warum das alles passiert ist. *DIE GUTE PRAXIS: Wie viele unter uns haben ihr geschrieben um sie nach ihrer Version zu fragen? Wie viele unter uns haben sie bedroht mit anonymen Nachrichten oder über Facebook um sie danach abzublocken und ihr keine Möglichkeit zum Sprechen zu geben? Wie viele unter uns haben die Wörter derjenigen, die den Prozess haben, verbreitet ohne die Quelle zu hinterfragen? Wie viele unter uns haben das, was sie gemacht hat als schlimmer erachtet, als die Vergewaltigung, die sie erlebt hat? Wie viele unter uns haben die Justiz der Gerichte angegriffen um danach die eigenen Anschuldigungen zu sprechen mit den eigenen Regeln und Methoden? Wie viele haben danach gefragt, das Video zu sehen, weil sonst “glauben wir das nicht”? Und ist es auf diese Art und Weise, dass wir glauben unsere Gerechtigkeit in unseren Räumen zu verwalten? VIERTER RISS Die Grundlage des Antisexismus sollte die Stärke sein, egal welche Form der Gewalt gegen Frauen abzulehnen. Das soll nicht heißen, von vornherein jede Frau zu verteidigen, aber jede Vergewaltigung abzulehnen, auch wenn sie von “Kameraden”, Freunden oder Männern, die eins liebt, begangen wurden. Und auch wenn sie gegen eine Frau begangen wurde, die wir nicht leiden können, eine Feindin oder eine, die uns weh getan hat. Eine Feministin beleidigt nicht eine andere Frau wegen ihrer Äußerlichkeit, wegen ihren sexuellen Vorlieben oder ihren erotischen Lüsten. Eine Feministin verwendet nicht gewaltvolle und machistische Ausdrücke gegen eine andere Frau. Es gibt niemals gute Gründe. Die sexistische Gewalt (physisch oder verbal) ist für uns abzulehnen, inakzeptabel und wir werden sie mit allen unseren Kräften bekämpfen. Wir ziehen Schlüsse. Wenn wir, als Anarchist_innen, ein anderes gesellschaftliches Zusammenleben im Inneren von unseren libertären Räumen schaffen wollen, treten wir für unsere Idee und die Selbstbestimmung über unsere Körper ein, lehnen wir die Rolle der Institutionen in allen ihren Formen ab, bekämpfen wir den bewaffneten Arm des Staates derart, dass wir bewusst eine Verräterin jene nennen wollen, die eine_n Kamerad_in verpfiffen hat; Heute können wir uns nur fragen, was wir während dieser Jahre gemacht haben, wo wir nach Möglichkeiten suchen hätten sollen, ein Opfer zu schützen, uns unserer Rolle bewusst sein hätten sollen, bevor die Maschinerie der Justiz in Gang gesetzt wurde, bevor dem Erstaunen angesichts des emotionalen Zusammenbruchs einer Frau. Sechs Jahre des Schweigens. Und trotzdem wissen wir sehr genau, dass das Gesetz des Schweigens seit jeher der treue Freund der männlichen Gewalt ist. Wie können wir einen Raum als libertär definieren wo eine solch schlimme Gewalt wie eine Vergewaltigung stattfinden konnte? Wie können wir jene als Anarchisten bezeichnen, die Verhalten reproduzieren, die wir an der patriarchalen, faschistischen, gewalttätigen Gesellschaft verurteilen? Wie können wir diese Orte als libertär bezeichnen und uns als frei? Das, was passiert ist, könnte jeder unter uns passieren. Wenn wir die abstrakte Theorie beiseite lassen, die Materialität der Codes und der Kultur des super harten Mannes die wir gerne bei den Predigern, den Soldaten und Großmäulern lassen, können wir heute nur stolz sein auf sie und ihre Stärke, weil das was sie erlebt hat, hätte viele unter uns vernichten können. Diese unglaubliche Stärke, die sie an den Tag legt, um das Recht einzufordern, unsere Räume zu frequentieren und ihr Mut vor der vorherrschenden Obszönität im Verhandlungssaal, in dem sie sich wiederfindet – vor den Augen ihrer Vergewaltiger – jeden Moment, jedes Gefühl, jede Erinnerung in Verbindung mit dieser Nacht und ihrem Intimleben der Vergangenheit und Gegenwart wieder zu erleben. Und es ist mir ihrer eigenen Stärke, in unserem Zusammenschluss, in unserem Willen zu Kämpfen im Namen der Lust, der Ironie und der Rebellion gegen den Status quo, dass wir dieselbe Dringlichkeit beanspruchen, die es ausmacht, Punk zu sein. Es wird Zeit geben für gut geschriebene Statements und für lange, sehr lange Schriften, passend um unsere Welten zu revolutionieren – aber jetzt ist die Zeit für laute Worte, hinaus geschrien im maroden Wahnsinn der drei Akkorde, gespielt mit all unserer Kraft für die fehlerhafte Schönheit unserer Seelen in Aufruhr, weil schon immer hat Punk uns gelernt unsere Herzen und unsere Köpfe zu benützen um zu hinterfragen und jeden Versuch der Unterdrückung und Anpassung an die Norm zu bekämpfen. Und heute erheben wir uns gemeinsam, aufrecht, wie Nägel die in einer zauberhaften Nacht glänzen, gegen die Gewalt dieser Nacht in der via Testi, gegen die Schande dieses verbreiteten Videos und das Grauen vor diesem Spitznamen. Gegen das Im-Stich-Lassen und die Unfähigkeit das Unwohlsein einer Frau zu sehen. Gegen das Gesetz des Schweigens und die Mauer der Stille. Gegen das Verhalten und die Redeweise, die gegen sie verwendet wurde. Gegen jene, die Prozess gemacht, verurteilt und bestraft haben auf Basis von Gerüchten, unvollständigen und gefärbten Fakten. Gegen jene, die sie bedroht, belästigt, mit Gewalt von den besetzten Räumen ferngehalten haben... Und es ist gegen all das, als mit dem Öffnen des Mundes dieser Schrei entfloh. Feministinnen aus Parma Um sie zu kontaktieren, schreib an romantikpunx@gmail.com Hier befindet sich die Originalversion: https://abbattoimuri.wordpress.com/2016/11/30/circa-i-fatti-di-parma-nel... Eine Radiosendung über den 6. und letzten Gerichtstermin: https://www.ondarossa.info/newsreda DER AKTUELLE KONTEXT (übersetzt vom französischen Artikel http://paris-luttes.info/a-propos-du-viol-collectif-qui-a-8797?lang=fr) Es gab sechs Anhörungen, in den beiden ersten war Claudia (Name geändert) alleine. Der Prozess lief hinter verschlossenen Türen ab und sie fand sich alleine den Vergewaltigern gegenüber. Die Vergewaltiger haben die schlimmsten Zeilen zur Verteidigung verwendet, und wie üblich in solchen Prozessen, haben sie ihre sexuelles Verhalten und mentale Gesundheit in Frage gestellt! Das Opfer wurde einem moralisch verwerflichen Prozess unterzogen, im Inneren des Gerichts aber auch draußen. Die Feministinnen haben sich organisiert. Vom dritten Verhandlungstag an befanden sich viele Leute im Gericht um sie zu unterstützen, schlussendlich war sie nicht mehr allein. Mehrere Tags mit den Namen der Vergewaltiger tauchten in den Straßen von Parma auf und Stellungnahmen wurden verbreitet. Eine Solidaritätsbewegung von Frauen und Lesben wurde in Parma, Bologna, Milano und Turin mobilisiert. In diesen Städten gab es Kundgebungen über Rapeculture und Sexismus. Es gab einen Riss in der Bewegung und Einschüchterungen aber die die solidarische Seite hat sich immer weiter vergrößert. Sie kam aus den Anhörungen in einem schrecklichen Zustand, aber die Kampagnen waren mit ihr. Sie wollte den Prozess nicht, aber sie war dazu bestimmt weiterzumachen und sie hatte die Kraft es durchzuziehen. Am 14. Juli wurden drei Vergewaltiger zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre Anwälte haben alles versucht um Claudia zu zerreiben, unter anderem durch die Vorführung von dem Video Bild für Bild im Verhandlungssaal. Die Justiz hat an der Inszenierung dieser Folter mitgemacht. Die Verurteilung der Vergewaltiger repräsentiert die Niederlage dieser Strategie der Zerstörung. Claudia ist nicht mehr alleine und die Verbindungen zwischen den mobilisierten Frauen haben sich gestärkt. Der Kampf ist nicht vorbei! Die Vergewaltiger haben Berufung eingelegt und Claudia wird gezwungen sein eine weitere Gewalt erneut zu erleben, jene der patriarchalen und juristischen Ungerechtigkeit. Bleiben wir vereint und kämpfen wir gemeinsam weiter!

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