[Ffm] Gegen Antisemitismus und Verschwörungsideologie auf der GegenBuchMasse und anderswo

Am Freitag, den 13. Oktober sollte in Rahmen der GegenBuchMasse eine Lesung mit Annette Groth in der Internationalen Buchhandlung Südseite stattfinden. Seit Veröffentlichung des Programms der diesjährigen GegenBuchMasse wurde von verschiedenen Seiten Kritik an der Autorin und dem Veranstaltungsort an den Organisationskreis P.A.C.K. herangetragen. Die Organisator*innen der Lesereihe reagierten insofern auf die Kritik, als dass sie die Veranstaltungsankündigung auf Facebook gelöscht und auch von der Website der GegenBuchMasse entfernt haben. Leider wird sie weiterhin im gedruckten Programm beworben, das auch online noch abrufbar ist[1]. Auf die Aufforderung, sich doch auch öffentlich zu distanzieren, wurde nur sehr verhalten reagiert, denn eine Begründung erhält nur, wer nachfragt. Das reicht uns allerdings nicht.

 

In den vergangenen Jahren haben wir wiederholt Veranstaltungen im Rahmen der ­GegenBuchMasse mitorganisiert und schätzen die Reihe als Möglichkeit sehr, das Buchmesse-Spektakel zum Anlass zu nehmen, die Aufmerksamkeit auf linke Themen, Autor*innen und Verlage zu lenken. Auch deshalb halten wir es für notwendig, dass unsere Kritik öffentlich einsehbar und für andere Veranstalter*innen, Autor*innen und Beteiligte nachvollziehbar ist. Denn die eine Lesung mit Groth in der Internationalen Buchhandlung Südseite birgt für all die vielen klugen Leute, die sich im Rahmen der GegenBuchMasse einbringen die Gefahr, sie zu diskreditieren. Mit Kritik oder linker Politik haben nämlich weder die Veranstaltung selbst noch der Veranstaltungsort etwas zu tun.

 

Zu Annette Groth

Groth, die von 2009 bis 2017 für die Partei Die Linke im Bundestag saß, behauptete in einem Interview anlässlich des Kirchentages 2015, Israel habe »ganz gezielt die Wasserversorgung in Gaza kaputt gemacht« und leite außerdem »Tausende von Tonnen an Chemikalien« sowie toxisches Material ins Mittelmeer« – damit macht sie sich die jahrhundertealte, antisemitische Geschichte vom »brunnenvergiftenden Juden« zu eigen[2]. Darüber hinaus beteiligte sie sich 2010 an der Gaza-Flottille des İHH – einer islamistischen und der Hamas nahestehenden »Hilfsorganisation«[3]. 2011 verweigerte sie sich einer Resolution der Bundestagsfraktion von Die Linke, die sich gegen Antisemitismus und Boykottaufrufe israelischer Produkte richtete[4]. Am 9. November 2014 organisierte Annette Groth zusammen mit Inge Höger eine Veranstaltung zum Nahost-Konflikt, auf der die »Journalisten« Max Blumenthal und David Sheen Israel mit dem Nationalsozialismus und den Terrorist*innen des »Islamischen Staats« verglichen. Am nächsten Tag waren die beiden auf Einladung Groths und Co. auch in den Fraktionsräumen von Die Linke im Bundestag zu Gast und beteiligten sich an einem Angriff auf Gregor Gysi. Die sogenannte »Toilettenaffäre«, löste eine erneute Auseinandersetzung um Antisemitismus in der Linkspartei aus, in deren Folge sich selbst zahlreiche Parteimitglieder von Groth distanzierten (siehe dazu: http://ihrsprechtnichtfueruns.de).

Aufgrund des kurz Umrissenen ist von dem von ihr mit herausgegeben Buch »Palästina – Vertreibung, Krieg und Besatzung« und ihrer Buchvorstellung am 13. Oktober sicher keine differenzierte Position zum Nah-Ost-Konflikt und/oder differenzierte Kritik am israelischen Staat zu erwarten, sondern ähnlich einseitiges, antisemitisches Gewäsch, wie sie es schon in der Vergangenheit zum Besten gegeben hat.

 

Zur Internationalen Buchhandlung Südseite 

Aber nicht nur Groth sondern auch der Veranstaltungsort – die Internationale Buchhandlung Südseite – lässt erahnen, dass es bei der Veranstaltung nicht um berechtigte Staatskritik, sondern um die einseitige Dämonisierung Israels geht. Der Mitbegründer und Teilhaber der Buchhandlung Giuseppe Zambon ist auch Gründer und Chef des nach ihm benannten Zambon-Verlags[5]. Auch die Online-Repräsentation der Buchhandlung findet sich unter der Verlags-Website[6].

Im Klappentext eines dort verlegten Buches zur antisemitischen BDS-Kampagne heißt es u.a.: »Auch wenn Südafrika seine eingeborene Bevölkerung einem rigiden, grausamen und effizienten System der Rassentrennung und finanziellen Diskriminierung unterwarf, bleibt die Hinterlistigkeit und Raffinesse des israelischen Systems unübertroffen.«[7] Hier scheint nicht einmal die historisch vollkommen verfehlte Gleichsetzung mit der südafrikanischen Apartheid auszureichen, sondern der Verlag und die Autor*innen zeichnen ein Bild des jüdischen Staats von »unübertroffener Hinterlistigkeit und Raffinesse« – auch ohne Stürmer-Karikatur wird hier das antisemitische Bild des raffinieren und hinterlistigen Juden sichtbar. Ein weiterer vom Zambon-Verlag herausgegebener Titel stellt fest, dass nicht der Antisemitismus die größte Gefahr für Jüdinnen und Juden darstellt, sondern der »Zionismus: Der wirkliche Feind der Juden« sei. Im Klappentext des Buches Ahron Cohen zitiert, der »hofft und betet«, dass »dieses ganze fehlerhafte Konzept [Israel] zu einem Ende gebracht wird«[8]. In »Herr oder Knecht – Über das beispiellose Verhältnis zwischen Israel und den USA« imaginiert der Autor James Petras »dass der Staat Israel, unabhängig von der jeweiligen dortigen Regierung, zusammen mit der ›pro-israelischen Lobby‹ in den USA sowohl die Medien und damit die öffentliche Meinung, als auch die politischen Zentren der Macht, also die Legislative (Kongress) und Exekutive (Regierung) in seinem Interesse manipuliert und lenkt«. Im Kontext des Nah-Ost-Konflikts unterstellt er dem Israelischen Staat im Umgang mit den Palästinenser*innen »ethnische Säuberungen« und spricht von der »Endlösung«[9]. Im Roman von Beatrice Guelpa »Aphrodite in Gaza« wird die Hamas verharmlost und glorifiziert: »Die Menschen in Palästina versuchen, sich dagegen zu wehren. Sie leisten in vielfältiger Form Widerstand. Sie organisieren sich, u. a. in der Hamas. Westliche Medien bezeichnen diese Bewegung als ›­terroristisch‹.«[10]

Neben den antisemitischen und antizionistischen Machwerken finden sich weitere verschwörungsideologische Pamphlete im Verlagsprogramm: Zum Beispiel eines des katholischen Fundamentalisten und Antisemiten Robin de Ruiters[11] mit dem Titel »Der 11. September 2001 – Der Reichstag des George W. Bush«[12] und ein weiteres von Elias Davidsson »Psychologische Kriegsführung und gesellschaftliche Leugnung. Die Legende des 9/11 und die Fiktion der Terrorbedrohung«[13]. De Ruiter behauptet, dass sämtliche im World Trade Center arbeitenden Jüdinnen, Juden und Israelis am 11. September 2001 nicht zur Arbeit erschienen seien und leitet daraus die Verstrickung israelischer Geheimdienste in die Anschläge ab. Außerdem verfasste er die antisemitische Hetzschrift »Die 13 satanischen Blutlinien – Die Ursache vielen Elends und Übels auf Erden« in der er sich u.a. auf den antisemitischen »Klassiker« die gefälschten »Protokolle der Weisen von Zion« bezieht. Davidsson vergleicht den Zionismus mit der NS-Rassenideologie und nahm 2012 unter anderem zusammen mit Jürgen Elsässer, Gerhard Wisnewski und Karl Höffkes an einer Iran-Reise zu einer Privataudienz beim Holocaust-Leugner und damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad teil[14]. Aber dies war bei weitem nicht sein einziges Querfront-Projekt: Auch mit den rechtsoffenen Verschwörungs-Wirrköpfen der Band »Die Bandbreite« trat er in der Vergangenheit wiederholt auf – unter anderem im Oktober 2009 im Club Voltaire[15].

Aber auch der Verlagschef und Buchhandlungsgründer Zambon lässt selbst keine Fragen offen und bezieht sich in einem Text mit dem Titel »Finanzkapital und Antisemitismus« auf die »Protokolle der Weisen von Zion« und schreibt: »Diese angeblichen Feinde des Antisemitismus beweisen in der Tat nicht nur die Thesen der ›Protokolle‹, sondern überragen sie bei Weitem an Perversion und Raffinesse.«[16]

Giuseppe Zambon ist auch Herausgeber und Mitautor eines Buches, dessen Titel »Palästina – Ethnische Säuberung und Widerstand« schon Zweifel daran aufkommen lässt, dass es hier um eine distanzierte Kritik ginge. Dass das Buch dann als fünfter band in der Reihe »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, die zuvor die Themen Auschwitz, Hiroshima, Vietnam und Lateinamerika behandelt, bestärkt das mit Nachdruck.

Der lässt dann keine Zweifel mehr offen, dass es sich nicht »nur« um eine antizionistisches sondern um ein antisemitisches Werk handelt, denn hier wird das antisemitische Klischee bedient, dass Juden die Medien kontrollieren würden. Israelsolidarische Positionen ergäben sich demnach nur aufgrund von »Propaganda«, »mit der die verschiedenen Medien die Bürger überhäufen«. Die Medien seien dabei von denselben »ökonomischen Kräfte[n], welche in der Vergangenheit die kriminellen Unternehmungen des Faschismus unterstützt hatten« kontrolliert.[17]

Ein anderer Bereich des Verlags ist offenbar der Versuch selbst Kriegsverbrecher, die sich irgendwann mal als sozialistisch bezeichnet zu haben, noch in ihrem Ansehen zu retten, indem Verschwörungen ausgemacht werden, die angeblich zu deren Diskreditierung geführt hätten. So behauptet etwa Klaus Hartmann in seinem Buch »Die Zerstörung Jugoslawiens – Slobodan Milosevic antwortet seinen Anklägern«, dass Milosevic von der NATO vor dem Gerichtsprozess umgebracht worden sei, weil es der Anklage angeblich nicht gelungen sei Beweise gegen ihn vorzubringen.[18]

Und Ludo Martens versucht in »Stalin anders betrachtet«sogar Stalin schön zu reden und sieht ihn als Opfer von Verleumdungskampagnen, »die mit Hitlers Propaganda begann und unmittelbar danach enthusiastisch von der neuen imperialen Macht USA und von ihren Satelliten weltweit übernommen wurde«[19].

Wer Verschwörungsideolog*innen und Antisemit*innen verlegt, hat nicht mal bei der Buchmesse, geschweige denn auf der ­GegenBuchMasse etwas verloren!

 

Keine Zusammenarbeit mit Antisemit*innen und Verschwörungsspinnern!

Eine Veranstaltung, die aufgrund der eingeladenen Autorin und des Veranstaltungsortes mit Sicherheit zu einem Forum für Antisemit*innen unterschiedlicher Couleur werden würde, halten wir für vollkommen inakzeptabel.

Da die Veranstaltung stattfinden wird (wobei uns klar ist, dass das ohnehin nicht in der Hand der GegenBuchMasse-Organisator*innen liegt, die hier nicht Veranstalter*innen, sondern lediglich Programmgestalter*innen sind) und auch die Veranstaltungsankündigung nur teilweise zurückgenommen wurde, möchten wir uns hiermit als eigentlich große Freund*innen und immer wieder auch Beteiligte an Veranstaltungen der ­GegenBuchMasse ausdrücklich von der Veranstaltung mit Annette Groth distanzieren.

Bitte tragt die Kritik weiter! Schafft gegebenenfalls auch auf euren Veranstaltungen im Rahmen der GegenBuchMasse eine Gegenöffentlichkeit und macht klar, dass weder die Veranstaltung noch der Veranstaltungsort als linke Kritik und Politik gelten dürfen!


Einige lesende Linke, Frankfurt im Oktober 2017

 


1 http://gegenbuchmasse.de/Archiv/gegenbuchmasse-2017-s1-screen.pdf & http://gegenbuchmasse.de/Archiv/gegenbuchmasse-2017-s2-screen.pdf

2 http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Auserw%C3%A4hlt-und-ausgegrenzt-Der-Hass-au/Das-Erste/Video?bcastId=799280&documentId=43708284 / ab 6:01 Min.

3 https://de.wikipedia.org/wiki/%C4%B0nsan_Hak_ve_H%C3%BCrriyetleri_ve_%C4%B0nsani_Yard%C4%B1m_Vakf%C4%B1

4 http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/10595

5 http://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-bahnhofsviertel-die-kunden-sind-sehr-verwoehnt-a-394231

6 http://zambon.net/index.php?id=47

7 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5BbackPID%5D=7&tt_products%5Bproduct%5D=178&cHash=254aacd168c88cc99cec21ff64578057

8 http://zambon.net/index.php?id=25&L=0&tt_products%5BbackPID%5D=2&tt_products%5Bproduct%5D=54&cHash=905b9900597ef359479c60b70f9593f8

9 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5Bbegin_at%5D=36&tt_products%5BbackPID%5D=7&tt_products%5Bproduct%5D=203&cHash=1d24bb180cb3978f5357429be688f8b1

10 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5BbackPID%5D=7&tt_products%5Bproduct%5D=20&cHash=58afdfcc51c4e817eb583ef529c29fa9

11 https://www.psiram.com/de/index.php/Robin_de_Ruiter

12 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5BbackPID%5D=7&tt_products%5Bproduct%5D=204&cHash=47af938ec05e4be66b34464a8ea166cb

13 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5BbackPID%5D=38&tt_products%5Bsword%5D=elias&tt_products%5Bproduct%5D=230&cHash=e2696afe8e1bf5c09be4efa279840bdc

14 https://de.wikipedia.org/wiki/Elias_Davidsson

15 http://vollebandbreite.blogsport.de/

16 http://www.promosaik.com/finanzkapital-und-antisemitismus-ein-artikel-von-dr-giuseppe-zambon/

17 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5BbackPID%5D=38&tt_products%5Bsword%5D=Pal%C3%A4stina%20&tt_products%5Bproduct%5D=191&cHash=b04519528e0a21f3eb0ced9a4286187f

18 http://zambon.net/index.php?id=25&tt_products%5Bbegin_at%5D=24&tt_products%5BbackPID%5D=7&tt_products%5Bproduct%5D=202&cHash=093db187cb5275ee622373a25ce11262

19 https://www.jungewelt-shop.de/stalinandersbetrachtet

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Ergänzungen

Im diesjährigen Programm der GegenBuchMasse ist eine Veranstaltung in der Internationalen Buchhandlung Südseite enthalten. Wir wurden nach Drucklegung unserer Programme darauf hingewiesen, dass die Buchhandlung personell eng mit dem Zambon-Verlag verflochten ist. Am Programm des Zambon-Verlages gibt es berechtigte Kritik. Im Verlagsprogramm finden sich neben Büchern, die auf den ersten Eindruck eher als politisch links einzuschätzen sind, auch Verschwörungstheorien, sowie undifferenzierte und einseitige Vorwürfe gegen den Staat Israel, die wir als Gruppe P.A.C.K. ablehnen.

Im Programm der GegenBuchMasse sind Veranstaltungen von verschiedenen Veranstalter*innen, die jeweils für die Veranstaltungen selbständig verantwortlich sind. Wir als Gruppe P.A.C.K. organisieren die Veranstaltungen im Cafe ExZess und kümmern uns um die Webseite, die Veranstaltungsankündigung in Facebook und die gedruckten Programme. Wären uns die Informationen über die Buchhandlung oder den Verlag vorher bekannt gewesen, wäre die Veranstaltung nicht im Programm der GegenBuchMasse angekündigt worden.

Im Rahmen der Veranstaltung soll das Buch „Palästina – Vertreibung, Krieg und Besatzung“ aus dem Papyrossa-Verlag vorgestellt werden. Da wir den Papyrossa-Verlag als einen seriösen Verlag kennengelernt haben, haben wir die Buchvorstellung mit in das Programm aufgenommen. Als Referentin ist Annette Groth angekündigt, die für die Partei „Die Linke“ im Bundestag sitzt. Die Kritik an der Veranstaltung bezieht sich auch auf Annette Groth. Da das Buch bisher nicht verfügbar war und wir zudem mit dem Papyrossa-Verlag noch nicht über die Veranstaltung diskutieren konnten, werden wir uns zu diesem Aspekt der Kritik erst nach der Buchmesse äußern können.

Ihr verteidigt einen nationalistischen Staat. Typisch Doitsch.