"Kann illegal, kann scheißegal": Polizei sprengt Pressekonferenz wegen Anti-Polizei Poster

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Heute früh hing die Berliner Innenstadt voll mit polizeikritischen Postern, die das Kollektiv "Polizei abschaffen" in Werbevitrinen platziert hatte. Anlass waren mehrere Beschlüsse der Berliner Staatsanwaltschaft, die bestimmte Formen des Adbustings für nicht illegal erklärte und damit die polizeilichen Ermittlungen zurückpfiff. Um die Adbusting-Posterserie der Öffentlichkeit zu präsentieren, veranstaltete das Kommunikationsguerilla-Kollektiv eine Pressekonferenz am Platz der Luftbrücke vor dem LKA Berlin. Die Polizei störte die Pressekonferenz massiv mit einer halben Hundertschaft. "So konnte sich die versammelte Hauptstadtpresse die offensichtliche Ignoranz der Polizei gegenüber Beschlüssen der Staatsanwaltschaft in einem bizarren Schauspiel der 11. Einsatzhunderschaft vorführen lassen" analysiert Barbara Jendro, Sprecher*in der Kommunikationsguerilla-Gruppe "Polizei abschaffen".

"Kann illegal. Kann scheißegal": Was auf den ersten Blick wie eine neue Werbekampagne der Polizei aussehen könnte, ist in Wirklichkeit eine Kritik. Denn weiter heißt es: "Statt Polizeigewalt zu hinterfragen, jagen wir lieber Adbuster*innen" oder "Statt institutionellen Rassismus zu hinterfragen, jagen wir lieber Adbuster*innen." Auch das Polizei-Logo entpuppt sich auf den zweiten Blick als Fälschung. Denn der Bär schwingt einen Schlagstock und statt „Polizei Berlin“ lautet die Wortmarke „Polizei abschaffen“. Eine Plakat-Serie mit 40 derartigen Postern brachte die Kommunikationsguerilla-Gruppe „Polizei abschaffen“ unautorisiert in ca. 40 Werbevitrinen in der Berliner Innenstadt unter.
 
Diese Poster präsentierte heute die Kommunikationsguerilla-Gruppe "abschaffen" auch der Öffentlichkeit. Nach dem Aufhängen der Poster hatte das Kommunikationsguerilla-Kolektiv zu einer Pressekonferenz vor dem Gebäude des Staatschutzes LKA am Tempelhofer Damm geladen. Bereits bei Ankunft bauten sich vor dem Eingang ca. 20 Polizist*innen in voller Einsatzmontur auf den Treppen auf. Auch an der Bushaltestelle, wo die Pressekonferenz stattfinden sollte, sammelten sich bereits mehrere Polizist*innen, die ankommende Journalist*innen ansprachen und den Bürgersteig verstellten. Weitere Beamte verteilten sich in der Umgebung.

Ein Kontaktbeamter stellte sich kurz darauf als Vertreter des Abschnitts 44 vor und fragte nach dem Ablauf der Pressekonferenz. Er setzte solidarische Berichterstatter*innen vor Ort unter Druck bis eine der Personen sich als Ansprechperson hergab und Personalien weiter gab. Obwohl die Aktivist*innen mehrere Beschlüsse der Staatsanwaltschaft vorzeigten, die aussagen, dass das Hinneinhängen von eigenen Poster in Werbevitrinen nicht strafbar ist, wenn man nichts klaut oder kaputt macht, intervenierten die Bereitschaftpolizist*innen. Sie verboten, die Vitrine zu öffnen. "Und zumindest ich hab dann auch kein Chance mehr gesehen, die zu öffnen, ohne gleich physisch attakiert zu werden" sagte Tina, eine der beteiligten Aktivist*innen.

Bereits zuvor haben Aktivist*innen die unterschiedlichen Polizeistellen per Post informiert, dass nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Berlin das Aufhängen eigener Plakate in Werbevitrinen nicht strafbar ist. Auch in den Wortbeiträgen gingen zwei Adbuster*z auf die Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft ein. Demnach ist das Platzieren von selber gebastelten Postern in Vitrinen straffrei - solange man nicht die dort bezahlten Poster mitnimmt und auch sonst keinen Schaden anrichtet.

Allerdings ignorierte das Berliner LKA in jüngerer Vergangenheit diese Beschlüsse einfach und ermittelte weiter. Besonders die Entnahme von Fingerabdrücken und DNA-Proben von asservierten Adbusting kritisierten die zwei Adbuster*z als völlig unverhältnismäßig. Auch die Beobachtung von militär- und polizeikritischen Adbustings durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst und das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum ging einfach so weiter. Diese rechtliche Klarstellung scheint die Polizei jedoch nicht weiter zu interessieren.

"Nach unserer Einschätzung nervt die staatlichen Akteur*innen vor allem, dass sie in einer kritischen Öffentlichkeit agieren und Gegenwind bekommen. Darauf reagieren die so maßlos über", erläutert Barbara Jendro, die Sprecher*in der Gruppe: "Das konnten die versammelten Journalist*innen dann auch live und in Farbe mitbekommen."

Als zwei Aktivist*innen an der nebenstehenden Vitrine vorführen wollten, wie sie legal ihre Kritik an der Polizei aufhängen, intervenierte die Polizei. Engegen der Beschlüsse der Staatsanwaltschaft behaupteten die Cops, dass das Öffnen der Vitrine verboten sei und untermauern dieses, indem sie die Werbevitrine umstellen und die Adbuster*z abdrängen. Eine Rechtsgrundlage für diesen Eingriff wollten die Polizisten nicht nennen und auch offen für Auseinandersetzung oder eine Erklärung dieses Verhaltens schienen die Beamten vor Ort nicht. Nicht nur das Aufhängen eines neun Plakates, auch selbst das reine Öffnen des Schaukastens wurden verwehrt. Die anwesenden Journalist*innen mussten also auf eine Vorführung der Funktionsweise der Werbevitrinen verzichten.

Um ihre Kritik gegenüber der Polizei nochmal sichtbarer zu machen haben die Aktivist*innen das Plakat entrollt und damit den Journalist*innen gezeigt. Untermauert wurde diese Kritik durch die umstehenden Polizisten, die statt Polizeigewalt zu hinterfragen lieber Adbusting verfolgten. Auf die Frage, warum sich die Beamt*innen nun rechtswidrig verhielten, bekamen sie keine Antwort. Stattdessen bauten sich die größten und breitesten Polizist*innen schützend vor dem Werbekasten auf. Der Kontaktbeamte verlangte, kein Poster in die Vitrine zu hängen, blieb aber genauso eine Erklärung schuldig, was daran jetzt angesichts der Sachlage verboten sei. Die Aktivist*innen kamen der Forderung der uniformierten Gewalttäter*innen nach, entrollten das Plakat und hielten es einfach händisch in die Kameras. Parallel hielten Supporter*innen große Papppfeile mit der Aufschrift "Rechtsbrecher*in" auf die Polizist*innen. "Doller kann sich die Polizei ja nicht in die Pfanne hauen. Wegen eines Posters, was noch nicht einmal in der Vitrine hängt, veranstaltet ihr hier so einen Aufzug!" freut sich Tina.

Zugriffsversuch auf dem Weg zur U-Bahn
Nach dem die Pressekonferenz durch die Intervention der Cops zum Abbruch kam, entschloss sich die Polizei doch noch für einen Zugriff und versuchte, der beiden Adbusting-Aktivist*innen auf dem Weg zur U-Bahn doch noch habhaft zu werden. Diese erahnten jedoch die Intention der Cops und machten sich elegant aus dem Staub. Das führte zu einer Verfolgungsjagd durch die U-Bahn-Station. Trotzdem gelang es den staatlich bezahlten Gewalttäter*innen nicht, die beiden einzufangen und sie entkamen unerkannt. Von zwei noch anwesenden Berichterstatter*innen nahm der Einsatzleiter mangels Presseausweis dann auch noch die Personalien aufnehmen – wieder ohne Angabe der Gesetzesgrundlage.

“Eigentlich gibt es ja sowas wie Meinungsfreiheit einerseits und andererseits das Recht auf eine freie Berichterstattung." sagt Tina. "Doch den Cops ist das egal und weil denen alles zuzutrauen ist, wenn man sie kritisiert, sind wir verschwunden.”

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