Frauenkampf in Jena - eine notwendige Aufarbeitung im Sinne zukünftiger politischer und feministischer Kämpfe

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Frauenkampftag in Jena! Viele Menschen, viele gute Aktionen, doch leider auch Aktivismus, welcher uns Schaden zufügt und in diesem Artikel kurz aufgearbeitet werden und eine kritische Auseinandersetzung der Szene fördern soll. 

Am 8. März fand auch in Jena, wie an unzähligen weiteren Orten auf der Welt, der Weltfrauenkampftag mit verschiedenen Aktionen vieler Aktivist*innen statt.

Im Nachgang des Tages gab es Pressemitteilungen und den klassischen Buschfunk über ein in lila "eingefärbtes" Auto in einem Jenaer Stadtteil, welches inhaltlichen Bezug zum Frauenkampftag hat.

Wie man feststellen muss, gehört das Fahrzeug einem Rentnerehepaar, welches das Fahrzeug seit 10 Jahren nutzt. Eine Nutzung ist vorerst nicht mehr möglich, Presseartikel sprechen von 5000 Euro Schaden bis zum "Totalschaden". Egal in welchem Bereich der finanzielle Schaden für das Ehepaar liegt, so wurde hier blinder Aktionismus angewandt, welcher getrost als politisch kontraproduktiv und vorbei an den Zielen der feministischen Bewegung zu sehen ist.

Jena besitzt schon lange eine große alternative bis linksradikale Szene, welche sich glücklicherweise auch in junge Generationen überstreckt. Doch muss an solchen Stellen eine Selbstreflektion der Szene und kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Taten stattfinden. 

Leider ist es nicht das erste Mal, dass gerade aus der jüngeren Generation heraus ein wenig respektvolles Auftreten, egal wem gegenüber, stattfindet. Politische Arbeit bedeutet auch Arbeit miteinander und das Ziel sollte darin liegen, die Leute zu erreichen. 

Dabei mag man Leute auch erreichen können, indem radikale Formen oder ziviler Ungehorsam gewählt werden. Ein solches Vorgehen findet also im Sinne der Ziele vollste Zustimmung. Nun muss allerdings gesehen werden, auf welchen Schultern der Kampf ausgetragen wird.

Wo kommen wir hin und was erreichen wir mit unseren politischen, sowie feministischen Zielen, wenn wir Mitbürger*innen, welche unsere Großeltern sein könnten und deren politischen Hintergründe uns in keinster Weise bekannt sind, also eventuell auch gleiche Ziele bestehen könnten, mit einer solchen Aktion finanziellen Schaden zukommen lassen?

Aussagen, dass auf dieser Welt Frauen verfolgt und getötet werden, man daher nicht "rumheulen" solle, wegen eines Autos, sind zutiefst naiv und realitätsfremd. Natürlich werden Frauen verfolgt und getötet - und diese Zustände gilt es zu bekämpfen. Der Kampf findet aber nicht auf den Schultern zweier Rentner*innen statt und den Drang, Aufmerksamkeit zu bekommen, mag man damit erfüllen, Verständnis oder Zustimmung wird es jedoch keine geben. Die politische Arbeit ist an dieser Stelle gescheitert und kontraproduktiv. Wir sprechen hier schließlich auch nicht von größeren Riots gegen die herrschenden Verhältnisse, wo man getrost auch Schaden in Kauf nehmen muss/kann. Wir sprechen von einem zufällig ausgewähltem Fahrzeug, welches im Schutze der Dunkelheit umlackiert wurde. Das ist kein Kampf, in welchem wir den Schaden in Kauf nehmen können. Befinden sich die Verusacher*innen in selbigem Alter, wie die Renter*innen, würde man in deren Position auch keinerlei Verständnis aufbringen können, selbst wenn man selbige feministischen Ziele besitzt. Warum ausgerechnet diese Rentner*innen für den feministischen "Kampf" nun blechen sollen, bleibt weiter unklar. Und in jedem Fall sprechen wir von einem verhältnismäßig einschneidendem finanziellen Schaden, in Bereichen, welche für die Versucher*innen selbst in utopischen Bereichen liegen dürften und man lange dafür ackern müsste.

Die aktuelle Lage von Refugees ist dramatisch wie lange nicht, doch wählt man da jetzt auch nicht den Weg, Privatfahrzeuge komplett einzufärben. Wofür auch? Es geht nicht darum, materiellen Wert gegen Menschen auszuspielen, das spielt dabei auch keine Rolle. Jedes Menschenleben ist mehr wert als ein scheiß Auto. Doch ist im politischen Vorgehen keinerlei Zielsetzung zu erkennen und die Folgen einer solchen Aktion bringen mehr Unverständnis in die breite Masse und die eigene Szene(!), als dass sie irgendwem helfen. Jedes einzelne Flugblatt, jeder Sticker, jede geschriebene Parole an eine Wand, jede laute Stimme im Alltag wäre mehr wert, als diese Aktion.

Es kommt jugendlichem Leichtsinn nahe und ist auch nicht als Verbrechen zu betrachten, doch ist in der Szene aktuell keine Selbstreflektion zu erwarten, bzw. werden kritische Äußerungen stur abgeschmettert und ignoriert, auch wenn das natürlich nicht auf alle Akteure zutrifft.

Es bleibt also zu hoffen, dass feministische Kämpfe in Jena zukünftig auch weiterhin politische Ziele verfolgen und solche Ausfälle von der Szene aufgearbeitet werden. Wir schaden uns selbst mit diesen Aktionen, wollen wir ernst genommen werden, müssen wir unsere Mitmenschen ernst nehmen. Wir brauchen keine Fürsorge und Awarness-Teams in der eigenen Szene, wenn wir so mit, uns unbekannten, Menschen umgehen. Wir brauchen mehr Verständnis für Mitmenschen, so wie wir mehr Verständnis für uns fordern.

Bitte lasst uns unsere Kämpfe auf produktive Art und Weise weiterführen, unbequem und unangepasst, aber trotzdem solidarisch und nicht ignorant entgegen unserer Ziele!

Alerta! 

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Ergänzungen

Ohne weiter Erklärung in Form eines Bekenner_innenschreibens o.ä., indem etwaige nachvollziehbare Motive für die Sachbeschädigung genannt werden, war es tatsächlich eine saudumme Aktion. Das gilt erst recht, wenn es das Ehepaar getroffen hat, ohne, dass sie irgendwelchen Dreck am Stecken haben. Der Hinweis, dass solche Aktionen nicht sinnvoll sind und die Diskussion ist in diesem Zusammenhang absolut notwendig. Aber bitte streut keine Informationen oder Vermutungen in der breiten Öffentlichkeit, wer es gewesen sein könnte - so groß und klandestin ist die Szene in Jena nicht und die Bullen können dann schnell die tatsächlichen Täter_innen eingrenzen oder haben eine Rechtfertigung auch gegen Unbeteiligte loszuschlagen!

Kritik und Auseinandersetzung ist nötig und sinnvoll, aber bitte nicht so, dass es Menschen der Repression ausliefert!

Zu diesen sicherheitsrelevanten Bedenken aus dem ersten Kommentar möchte ich noch anmerken, dass ich diese Aussagen zu Alter und so auch noch aus einem anderen Blickwinkel ziemlich problematisch finde. Zum Beispiel zu diesem Zitat:

Es kommt jugendlichem Leichtsinn nahe und ist auch nicht als Verbrechen zu betrachten, doch ist in der Szene aktuell keine Selbstreflektion zu erwarten, bzw. werden kritische Äußerungen stur abgeschmettert und ignoriert, auch wenn das natürlich nicht auf alle Akteure zutrifft.

Da hör ich doch die alten Hasen trapsen mit ihrer Weisheit, die sie den (vermeintlich, eventl.) jungen Leuten voraushaben...

Ohne diese Alterdiskriminierung, bzw. ohne diese ganzen Verweise auf das vermeintliche Alter von irgendwem gibt der Artikel zwar nicht meine Meinung wieder, aber auf dieser Ebene könnten wir diskutieren...