[B] Solidarität mit allen bedrohten Projekten - Gegen die Stadt der Reichen!

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Die Potse ist nach beinahe einem halben Jahrhundert mittlerweile seit knapp einem Jahr unfreiwillig besetzt. Statt selbstverwalteter Jugendsubkultur sollen dort sogenannte Co-living-spaces entstehen. Die linke Kiezkneipe Syndikat hat gerade ihren Räumungstitel bekommen und soll ebenso, wie die Meuterei finanzstärkeren Mieter*innen und ihre Gäste zahlungskräftigerer Kundschaft Platz machen. In Friedrichshain soll das queer-feministische Hausprojekt Liebig34 den Profitinteressen von Gijor Padovicz weichen und auch die KØPI und der Wagenplatz ist wieder mal räumungsbedroht.

 

Auch wenn die aktuelle Entwicklung der Stadt weder neu, noch überraschend ist, verschlägt uns die derzeitige Dynamik trotzdem manchmal die Sprache und vor allem ist und bleibt sie eine Riesensauerei!

 

 

 

Viele langjährige, lebendige und politisch wichtige Projekte sind in den letzten Jahren geräumt worden, um der Stadt der Reichen Platz zu machen: Yorck59, Brunnen183, Liebig14, Friedel54, O-Platz, Gerhardt-Hauptmann-Schule, Teppichfabrik, Cuvrybrache, G17A, DieselA und so weiter und so fort.

 

Waren früher vor allem unkommerzielle widerständige Orte Ziel gerichtlich unterfütterter Vertreibungspolitik, kämpfen seit einigen Jahren sogar Hausgemeinschaften, Mieter*innen und Kleingewerbe ums überleben. In Berlin ist anscheinend nur noch Platz für die Reichen. Das Kapital frisst sich mit einer offenbar maßlosen Gier durch die Kieze.

 

Dass viele Menschen mittlerweile an den Stadtrand oder in die Obdachlosigkeit gedrängt wurden, dass es in vielen Kiezen kaum noch Läden des täglichen Bedarfs gibt, dass unkommerzielle Freiräume und Widerstandsnester Stück für Stück verschwinden, ist kein Missstand, kein Versehen, kein Kollateralschaden einer sonst erfolgreichen Standortpolitik, sondern Konsequenz einer gezielten kapitalistischen Politik gegen die Armen und Unangepassten.

 

Der Widerstand gegen die kapitalistische Stadt hat in den letzten Jahren eine erfreuliche Dynamik angenommen, leider genau wie die gallopierende Gentrifizierung selbst.

 

Einige kleine Zugeständnisse hat die Mietenbewegegung dem Senat abringen können, Law-and-Order-Henkel hat sich an der Rigaer94 die Zähne ausgebissen, der Google Campus wurde von der Nachbarschaft verhindert und Berlin wird wohl noch lange auf Olympia warten müssen. Doch an der neoliberalen Logik der Standortpolitik oder gar der Warenförmigkeit des Wohnungsmarktes hat bisher niemand wirklich zu rütteln vermocht. Auch die Berliner Linie hat die Kampagne #besetzen, trotz einer beeindruckend ausdauernden Besetzungskampagne, noch nicht zu Fall bringen können.

 

Die Vehemenz mit der das politisches Personal im Senat (sei es grün, rot oder sonst wie gefärbt) für die Interessen des Kapitals kämpft und hier und da Brotsamen und Beruhigungspillen an den Pöbel verteilt, macht uns stinkwütend. Dass unsere Freund*innen aus der Liebig34, der Meute, dem Syndi, der Rigaer94 oder der Potse und damit wichtige politische Orte geräumt werden sollen, macht uns noch wütender! Alles, damit sich noch mehr Immobilienbesitzer*innen eine goldene Nase verdienen können! In der Rummelsburger Bucht planen sie als Sahnehäubchen das nächste Scheiß-Disney-Land für den Wochenendtourismus: WTF?? Ist das euer Ernst??

 

Dass die Gerichte weit über hundert Strafanzeigen gegen die #-Besetzer*innen verhandeln wollen, setzt sogar dem Sahnehäubchen noch die Krone auf. Es beweist einmal mehr, dass die Herrschenden in welcher Form sie auch immer verpackt sein mögen, politischer Gegner und nicht Adressat politischer Forderungen sind. Widerstand wächst von unten und sein stärkstes Fundament ist die Solidarität.

 

In Zeiten, in denen die Neue Rechte immer mehr Landnahme verzeichnen kann, brauchen wir viel, viel mehr queer-feministische Hausprojekte!

 

Aber wenn Senat, Gerichte, Bullen, Politiker*innen, irgendwelche Pears, Padovizces, die Sanus AG oder andere Eigentümer*innen denken, irgendwann wäre Ruhe, irgendwann wäre die Stadt sauber, dann haben sie sich geschnitten. Der Widerstand gegen diese menschenfeindliche Stadtpolitik wird wachsen!

 

 

Wir rufen alle Menschen auf, sich der kapitalistischen Stadt entgegenzustellen und die geplanten Räumungen zu verhindern!

 

Solidarität mit allen bedrohten Projekten, kämpfenden Hütten und wütenden Mieter*innen!

 

Gegen die Stadt der Reichen!

 

Linie206

 

 

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Ergänzungen

Am Donnerstag, 5.12., machen wir eine Kiez-Demo in Kreuzberg 36. Start ist um 19:30 vor dem Eingang zur Markthalle 9, einem „rabiaten Gentrifizierungsmotor“ (Berliner Zeitung), wo an diesem Tag das Massen-Touri-Event „Street Food Thursday“ stattfinden. Erst kürzlich haben die Betreiber der Markthalle im Interview mit dem rbb kundgetan, dass sie auf Menschen mit geringem Einkommen in der Markthalle 9 gerne verzichten können.

Dann gehts ein paar Mal rund um die Markthalle, mit Zwischenkundgebungen jeweils vor dem Eingang zur Markthalle Pücklerstraße und Eisenbahnstraße.

Gegen hohe Mieten, Verdrängung und Vertreibung! Gentrifizierung & Touristifizierung stoppen! Immobilien-Konzerne enteignen, weg mit AirBnB! Bedrohte Projekte verteidigen! Kiezmarkthalle statt Luxus-Food-Halle!

Hier findet sich der vollständige Aufruf, und hier ein Mini-Plakat in A4. Es gibt ebenfalls einen Aufruf zur Demo der Initiative „Kiezmarkthalle“, der auf deren Blog zu finden ist.

 

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Leben ohne Angst für alle und überall heißt für uns auch eine Welt ohne Imperialismus, Neokolonialismus und Unterdrückung, ohne Waffenexporte und Wirtschaftskriege, ohne Bundeswehr und ohne beschissene Bundeswehrwerbung.

Die Düsseldorfer Werbe-Agentur Crossmedia GmbH mit Zweigstelle in der Kohlfurter Straße 41 in Berlin-Kreuzberg verdient prächtig an der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Die Crossmedia GmbH ist an der Bundeswehr-Werbekampagne „Mach was wirklich zählt“ beteiligt und produzierte u.a. die ekelhaften Bundeswehr-Werbe-Serien „Die Rekruten“, „Mali“ und „KSK“.

Kundgebung

Bundeswehr abschaffen – weg mit Crossmedia!

Freitag, 13.12.2019, 17 Uhr

Kohlfurter Str. 41, Berlin-Kreuzberg (vor der Crossmedia GmbH)

https://kreuzberg36.noblogs.org

"Auch die Berliner Linie hat die Kampagne #besetzen, trotz einer beeindruckend ausdauernden Besetzungskampagne, noch nicht zu Fall bringen können."

Dieses Gespenst der sogenannten "Berliner Linie" spukt ja seit vielen Jahren in der Debatte rund um Besetzungen, Räumungen etc.; vielleicht könnt ja ihr mal etwas klarer sagen, was ihr damit meint?

Die Berliner Linie ist eine Verordnung aus dem Jahr 1981, neue Besetzungen innerhalb von 24 Stunden zu räumen. Der Wikipedia-Artikel gibt das ganz gut wieder, glaube ich.

Für Berlin stellt sich die Situation zumindest in den letzten 15 Jahren folgendermaßen dar.

- Bei neuen Besetzungen wird durch die Bullerei (in der Regel bzw. auch immer) möglichst schnell versucht, den/die Eigentümer*in zu erreichen. Wenn diese sagen, dass geräumt werden soll, wird dann auch direkt geräumt. Das kann nach einigen Stunden so sein, nach einigen Tagen, oder auch nach einigen Wochen.

- Gelegentlich gehen die Bullen vorher nach ASOG ins Haus, um die Leute festzusetzen, auch wenn sie den Eigentümer noch nicht erreicht haben (ich denke mal bei der April-Besetzung der Ladenfläche in der Wrangelstraße, oder bei einer der Besetzungen der Weisestraße). In der Regel, wenn ich das richtig erinnere, werden die Leute dann im Haus zwar von den Bullen festgesetzt, aber erst aus dem Haus gebracht, wenn der/die Eigentümer*in erreicht ist und sich für eine Räumung ausgesprochen hat.

- Nach einer gewissen Zeit, die die Leute im besetzten Haus bzw. auf der besetzen Fläche verbracht haben, räumen die Bullen nicht mehr auf den einfachen Wunsch nach einer Räumung durch den/die Eigentümer*in (Strafanzeige), sondern die Räumung findet erst nach einer gerichtlichen Entscheidung statt. Diese Zeit ist, soweit ich weiss, nicht genauer bestimmt.

So wurde erst kürzlich der neue DieselA-Wagenplatz nach ca. 2-3 Wochen (?) ohne Räumungstitel geräumt, denke ich.

Als die Räume der NewYorck 2005 besetzt wurden, hätten die Bullen gerne direkt geräumt, erhielten aber kein Räumungsersuchen durch die Verantwortlichen (damals das Bezirksamt FHain-Kreuzberg). Das selbe Bezirksamt rief dann ca. 3 Monate nach der Besetzung bei den Cops an, um die Leute räumen zu lassen. Die Cops weigerten sich dann, eine Räumung ohne gerichtlichen Räumungstitel zu machen.

Auch bei der Besetzung der alten Teppichfabrik konnte der Eigentümer nicht einfach so per Räumungsersuchen räumen lassen, sondern musste zumindest eine einstweilige gerichtliche Verfügung durch ein Gericht vorlegen, weil sich die Besetzer*innen bereits eine gewisse Zeit auf dem Gelände befanden.

 

Es bleibt also festzuhalten, dass die Cops bis zu einem gewisssen Zeitraum (einige Tage bis einige Wochen oder sogar einige Monate) auf ein Räumungsersuchen des Eigentümers hin direkt räumen. Die 24-Stunden-Frist aus der Berliner Verordnung der 80er Jahre spielt hierbei keinerlei Rolle. Ob etwa bei einer Besetzung am Samstag Nachmittag der Eigentümer direkt am Samstag noch erreicht wird oder erst am Montag - die Bullen werden so oder so direkt räumen, sobald sie ihn kontaktiert haben und er grünes Licht gegeben hat.

Vielleicht wäre ja sinnvoller, sich nicht unbedingt an einer (unklaren) "Berliner Linie", die es zu durchbrechen gelte, abzuarbeiten, sondern konkrete Forderungen zu stellen, wie etwa, dass es bei einem Leerstand über eine gewisse Zeitdauer (beispielsweise 2 Jahre oder mehr) bei einer Besetzung grundsätzlich keine Räumung auf bloßes Räumungsersuchen des Eigentümers gibt, sondern die Sache politisch und/ oder juristich zu verhandeln ist.

 

Vielleicht gibts hier ja noch Ergänzungen? Vielleicht habe ich da auch was nicht verstanden in Bezug auf "Berliner Linie" und so?