Einladung Freitag, erster Prozesstag – Graffiti, G20 Plakate – DNA

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Am Freitag den 08.11. beginnt der Prozess gegen drei Gefährt*innen, denen vorgeworfen wird im Januar 2018 – in der High-Deck-Siedlung in Berlin/Sonnenallee-Süd – Graffiti gesprüht sowie Plakate mit „politisch motivierten Aufdrucken“ (mit G20-Bezug) verklebt zu haben.

Jegliches Weitertragen der Geschichte, die in Hamburg gegen den G20 geschrieben wurde, birgt das Potenzial, dass der Staatsschutz eine auch noch so trockene Akte anlegt und das Ereignis zum Anlass nimmt, DNA zu sammeln.

 

 

Zu Beginn wurde wegen Sachbeschädigung (Graffiti) und Verstoß gegen das Kunsturheberrechts-Gesetz ermittelt, später zu Nötigung und Verleumdung. Da jedoch ähnliche Prozesse zu G20 Plakaten („Wie weiter nach Hamburg?“ und „Öffentlicher Fahndungsaufruf“) vor Gericht zu Einstellungen und Freispruch führten, überlegte es sich das LKA 521 und die Staatsanwaltschaft möglicherweise anders und stellte diese Vorwürfe zu den Plakaten zurück.

Am 08.11 geht es allein um den Vorwurf der „Sachbeschädigung“ mit politischen Schriftzügen (Anarchiezeichen, "smash this city"; "Hate Cops"; "für die Anarchie", "fck cps").

 

DNA-Spuren

Dass alles rund um den G20 kriminalisiert wird, zeigt auch das Vorgehen des LKA‘s in diesem Fall. So wurden die festgestellten 15 Plakate, ein Eimer, 2 Jutebeutel und ein Handschuh – letztlich alles was direkt bei den Beschuldigten beschlagnahmt wurde – auf DNA Spuren untersucht. An der Innenseite und dem Klettverschluss des Handschuhs konnte als einziges bei zwei Proben das gleiche und angeblich eindeutige DNA-Muster einer weiblichen Person ermittelt werden. Eine dritte Spur am Handschuh wies ein Mischprofil auf, unter deren Merkmalen auch die des obigen Musters erkennbar seien. Das Muster wurde in die DNA-Analysedatei (DAD) eingespeist. Es gab keine „nationalen Treffer“ heißt es weiter.

 

Es scheint uns kein normales Vorgehen, dass Plakatier-Utensilien auf DNA Spuren im Labor geprüft werden. Zum Einen liegt es sicher an dem G20-Bezug, zum Anderen vielleicht an den festgenommenen Personen und zum Dritten daran, dass das LKA jeglichen Spielraum voll ausschöpft.

 

Alles, was sich positiv auf die Ausschreitungen des G20 in Hamburg bezieht, wird kriminalisiert. Festnahmen und Ermittlungsverfahren mit diesem Bezug führten in letzter Zeit häufig dazu, dass DNA-Entnahmen angefordert wurden, da Treffer in der DAD vermutet wurden. LKAs hoffen auf Treffer, um endlich ein wenig Licht ins Dunkel einiger G-20 Ereignisse zu bringen.

 

Dass von Plakaten und Eimern DNA entnommen wird, sollte uns nicht abschrecken weiterhin spontan um die Häuser zu ziehen. Es sollte aber auch nicht dazu führen nur noch mit den Schultern zu zucken, wenn mal wieder ein Brief zur DNA-Entnahme hereinflattert, nach dem Motto: „irgendwann kriegen sie mich eh“.

 

Nicht jede Aktion braucht hohe Sicherheitsstandards. Natürlich kann es ärgerlich sein, erwischt zu werden. Das Geschäft privater Sicherheitsdienste, der Kameraüberwachung und der Verfolgungstechnologie wächst. Trotzdem plädieren wir für ein weiter so, im Alltäglichen wie auch zu außergewöhnlichen Ereignissen in der Höhle des Löwen.

 

Wir finden es schön, wenn Freund*innen nachts los machen, um tristen Beton zu verschönern und ihren Hass auf das Bestehende und gegen Cops an Hauswände schmieren. Und wir plädieren auch für eine Solidarität mit allen Krawallmacher*innen aus Hamburg.

 

Hintergrund:

Die High-Deck-Siedlung liegt links und rechts des unteren Teils der Sonnenallee. Eine Betonsiedlung, die futuristisch mit Brücken verbunden ist und an ein riesiges Parkhaus erinnert. Verwaltet wird der Teil der Siedlung, in dem Graffiti gefunden wurden, von der BUWOG Immobilien Management GmbH. Die erste Szene der Serie „4 Blocks“ wurde hier gedreht, ein Gebiet, das einige Clichés über die Neuköllner Drogen-Szene bedienen soll.

 

Die Siedlung ist auf der anderen Seite umkämpftes Gebiet, wenn es um Gelder aus diversen Fonds geht. Es gibt ein Vor-Ort-Büro des JobCenters Neukölln und alle Facetten des Quartiersmanagements bzw. der „Repression durch Integration“ in sogenannten Qualifizierungsprojekten wie FIT4Work.

 

Es wird alles erdenkliche zur „Aktivierung“ der Bewohner*innenschaft für unbezahltes „Engagement“ unternommen (Quartiersrat, Aktionsfondbeirat, Mieterbeirat etc.); zum einen zur Aufwertung des Kiezes, zum anderen zur Intergration der Bewohner*innen selbst in die Strukturen der Befriedung und Verwertbarkeit.

 

Zum Ziel des QMs und ihrer Zusammenarbeit mit Wohnungsunternehmen schreibt das QM beispielhaft:

 

Die Vermietungsstrategie der Capricornus (Immo-Firma) zielte damals ausschließlich auf einen raschen Abbau des Leerstands und hat dazu beigetragen, dass viele Transferleistungs-Empfänger und Empfängerinnen, vor allem arabische und südosteuropäische Großfamilien in schwierigen sozialen Lagen zugezogen sind. Seit Ende 2014 achtet die BUWOG nach eigenen Angaben auf eine bessere Durchmischung der Sozialstruktur und versucht vor allem an Menschen zu vermieten, die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen und ihre Miete selbst zahlen.“

 

 Zur Zusammenarbeit des QMs mit den Cops heißt es:

 

Eine von Beginn an enge Kooperation zwischen dem QM und der Berliner Polizei gewährleistet einen kontinuierlichen und vertrauensvollen Austausch zur Sicherheit im Quartier und zu geeigneten Präventionsmaßnahmen. Eine von Beginn an sehr enge Kooperation zwischen der Dienstgruppe „Köllnische Heide“, dem Präventionsbeauftragten des Polizeiabschnitts 54, der Arbeitsgruppe „Integration und Ausländer“ (AG IA) und der Operativen Gruppe Jugendgewalt der Polizeidirektion 5 und dem QM hat sich in der Vergangenheit bewährt und soll weiter fortgesetzt werden. Auch die seit 2000 bestehende Bürgersprechstunde der Polizeidienstgruppe „Köllnische Heide“ im Nachbarschaftstreff „mittendrin“ trägt zu einem guten Informationsfluss zwischen Bewohnerschaft und Polizei bei. Auf Grund der eher geringen Nachfrage findet sie inzwischen nur noch monatlich statt :)

 

Auch die Streetworker des Jugendtreffs sind für eine gute Sicherheit im gesamten Quartier weiterhin notwendig, da sie auf Jugendgruppen besser zugehen können, als beispielsweise die eingesetzten Sicherheitsdienste

 

 Es war diese enge Freundschaft, die es dem Sicherheitsdienst „JWD Security“ ermöglichte schnellstens testosterongeladene Zivilfahnder des Abschnitts 54 in diesem Fall herbei zu rufen.

 

Zum Thema Drogenprävention finden sich pädagogische Hilfestellungen des QMs wie:

„Darüber hinaus muss die Nichtbeachtung des vorhandenen Alkoholverbotes, vor allem im Sonnencenter, strenger kontrolliert und geahndet werden. Auch der Verkauf von Energy-Drinks an Kinder durch die Läden im Sonnencenter muss nach Aussage des Jugendtreffs weiter unterbunden werden.“

Alles in allem also ein Vorzeigeprojekt politischer, privatwirtschaftlicher und ordnungspolitischer Zusammenarbeit.

Ein Gebiet, wo ein bisschen Farbe und politische Slogans gegen Cops und für mehr Chaos erwünscht sind und deshalb notwendig bleiben.

 

Kommt zum Prozess:

Freitag 08.11.2019 | Saal 101 | 09:00 | Amtsgericht Moabit, Turmstraße 91, 10557 Berlin

 

Link: Hight-Deck-Quartier:

http://www.high-deck-quartier.de/fileadmin/content-media/media/downloads/Handlungskonzept/QM_HDS-SoSue_IHEK_2017-2019.pdf

Plakatprozesse Berlin (G-20 Bezug) Vom gestörten Frieden und seinen Folgen

https://de.indymedia.org/node/23331

Ein lauer Winterabend oder wie beim LKA das Reggea Fieber ausbrach

https://de.indymedia.org/node/30009

Aktuelle Entwicklungen im Zuge der Repression gegen die "Drei von der Parkbank"

https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/

 

 

 

 

 

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Ergänzungen

Die Verhandlung ist erneut ausgefallen, nachdem das Gericht letztes mal eine Einladung nicht verschickt hatte war diesmal eine vorgeschriebene Person zum übersetzen nicht zugegen. Nächster Versuch vorraussichtlich Anfang Dezember.