(B) Ein lauer Winterabend oder wie beim LKA das Reggea-Fieber ausbrach

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Terroristen aus Hamburg

 

Wir erinnern uns zurück:

 

Es begab sich an einem lauen Winterabend im Dezember 2017, dass zwei Personen, einer klein und einer groß, an die Hauswand des Axel Springer Gebäudes plakatierten. Abgebildet sind diverse Bullen und ihre Führer während ihrer Einsätze beim G20 Gipfel in Hamburg. Aufgeschreckt von diesem kriminellen Tun, intervenierte eine Security Frau Mustermann. Sie sprach die beiden an, unterband so weiteres Plakatieren an ihr Schutzobjekt und sammelte das angebrachte Plakat zur Beweissicherung ein.

Ihre Vorgesetzte rief nun die Bullen. Das schwere Verbrechen landete ab dann beim polizeilichen Staatsschutz des Landeskriminalamts (LKA 5).

 

 

Hier übernimmt Kriminaloberkommissar Mario Goebel die Ermittlungen. Motiviert ruft er sogleich die Zeugin an und lädt sie für den nächsten Tag zur Vernehmung vor.

In ihrer Aussage beschreibt sie eine der Personen als „kleiner“ mit dunklen Haaren, den Zweiten als größer mit langen Haaren, bekleidet mit Reggea- Mütze. Daraufhin werden ihr zu jeder Person 8 Lichtbilder vorgelegt. Wiedererkennen kann sie niemanden, woraufhin noch einmal Bilder von allen Personen, von der Seite aufgenommen, vorgelegt werden. Bei einer Person möchte die Zeugin nun den Tatverdächtigen „eventuell, zu 80% sicher, nur die Brille war nicht da“ - wiedererkennen. KOK Goebel, nun angespornt, zeigt ihr ein drittes Bild der abgebildeten Person. Ein mehrere Jahre altes ED Bild. Nun ist sich die Zeugin sicher, sie erkenne „das Grinsen“ zweifelsfrei wieder.

Soweit die offizielle Darstellung des Geschehens aus der Ermittlungsakte.

Parallel zu den akribischen Ermittlungen des LKAs stellt eine der wohlbekannten Spitzelstreifen des Berliner PMS ein Plakat in der Tür der anarchistischen Bibliothek Kalabal!k fest. Auf diesem sind ihre Gesichter abgebildet.

Was sich liest wie ein Treppenwitz, den einige unterforderte Beamt*innen beim Staatsschutz auf einer Überdosis Crack erfanden, um ein bisschen zu lachen, wird plötzlich Ernst:

Die Staatsanwaltschaft beantragt nun Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnung des Beschuldigten und die seines Bruders. Dieser wurde zwar nicht wiedererkannt, aber KOK Göbel findet das nicht so wichtig, die Staatsanwaltschaft auch nicht und die Richter erst recht nicht. Auch für das Kalabal!k wird ein Beschluss erwirkt. In diesem steht zwar, man könne die Durchsuchung abwenden wenn eine freiwillige Herausgabe des Plakates erfolge, aber zum Durchsuchungszeitpunkt am 9. Mai 2018 um 5 Uhr in der Früh lässt sich leider kein*e Ansprechpartner*in finden. So werden insgesamt 5 Objekte mit einem Großaufgebot der Bullen gestürmt.

Gefunden wurde keine Reggea-Mütze, auch sonst eigentlich keine Beweise. Nichtsdestotrotz erhielt einer der Beschuldigten einen Strafbefehl, in dem sage und schreibe 8 Monate Haft, ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung, geurteilt werden sollten. Selbstredend wurde dagegen Einspruch eingelegt, der nun verhandelt werden soll.

Neben dem Zynismus, den wir im Kontext dieser absurden Geschichte empfinden, fragen wir uns doch, wo die Reise der Repressionsbehörden noch hingehen kann, wenn jetzt schon Richter*innen auf Grundlage solcher Stories Durchsuchungsbeschlüsse ausstellen. Verwundert sind wir hierüber aber nicht so wirklich. So sitzt das Trauma, welches Bullen und Politiker*innen im Sommer 2017 in Hamburg einfuhren, offenbar tief, so tief, dass derlei Racheaktionen folgen müssen, um die Herrschaftsfähigkeit des Staates zu beweisen.

Das Kalkül, Angst bei denjenigen zu streuen, die mit den Aufständen in Hamburg solidarisch sind, ist offenkundig. Die einzige Gegenstrategie kann hier nur sein, eben diese Solidarität zu verstärken und auszubauen.

 

Deshalb kommt zum Prozess!

19.März | Amtsgericht Tiergarten (Wilsnacker Straße 4) | Raum B131 | 10:45 Uhr

 

Informiert euch über eventuelle Raum- und Zeitänderungen!

 

 

 

 

 

 

 

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Ergänzungen

Der Richter am OLG, Detlef Burhoff (Ascheberg), verkündet zum Thema “Durchsuchungsbeschlüsse“, auf seiner Internetseite folgendes: (…) “Prüfung der Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses...Trotz der Bedeutung, die der Durchsuchungsbeschluss für das Verfahren hat, sind Durchsuchungsbeschlüsse, die von den bei den Amtsgerichten dafür zuständigen Ermittlungsrichtern erlassen werden, häufig mangelhaft, weil die für einen wirksamen Durchsuchungsbeschluss erforderlichen Voraussetzungen nicht beachtet werden.“ (…)

 

https://www.burhoff.de/veroeff/aufsatz/ps-98-14.htm