Statement zu sexuellen Übergriffen im Zusammenhang mit dem Pivo (LE)

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Mit diesem Statement wollen wir - mehrere Einzelpersonen aus linken Zusammenhängen in Leipzig - unsere Solidarität mit den Betroffenen¹ der sexuellen Übergriffe durch Stefan K. ausdrücken. Wir wünschen euch weiterhin viel Kraft und danken euch und der Unterstützer*innengruppe für das öffentliche Aufarbeiten und transparent machen des Sachverhaltes u.a. durch den Artikel "Der Täter bist du!". Danke: Für die Worte der Ermutigung; für die Forderung an den Täter, dessen Umfeld und folglich auch linke/subkulturelle Kontexte, sich mit der Tat im Konkreten, sowie dahinter stehenden strukturellen Gewaltverhältnissen im Allgemeinen, zu befassen.

 

Eigene Fehler

In unseren Zusammenhängen wussten einzelne Personen seit über einem Jahr von den sexuellen Übergriffen, jedoch wurde das nicht in unseren Gruppen angesprochen oder thematisiert. Ein Versäumnis, das dazu beitrug, sexualisierte Gewalt (in linken Kontexten und dem Stadtteil) weiter zu verschweigen und unsichtbar zu machen.

Sobald Einzelpersonen Menschen aus dem Umfeld des Pivos/Riminis auf die sexuellen Übergriffe ansprachen, stießen sie einerseits auf Unverständnis ("Er gehe doch damit offen um."; "Die Betroffene sei eh weggezogen.") und andererseits auf Beschwichtigungen/Verharmlosungen ("Er mache ja eine Therapie."; "Er könne nichts dafür, er hat eine Schlafstörung."; "Es handelt sich um Gerüchte ohne Belege"; "Es geht doch nur darum, den Geschäften zu schaden und diese los zu werden."). Ein offener und betroffenen-solidarischer Austausch war so vielmals nur in bestimmten privaten Gruppen möglich. In Locations, in denen sich der Täter zuvor meist aufgehalten hatte bzw. weiter aufhielt, war ein Sprechen darüber nicht oder nur schwer möglich.

Wir hätten eher nachfragen und uns so solidarisch mit den Betroffenen zeigen müssen! Dafür möchten wir uns bei den Betroffenen entschuldigen.

 

Fokus Pivo/Rimini

Nun mag es für einige oder viele irritierend sein, weshalb der Fokus dieser Auseinandersetzung auf dem Pivo/Rimini liegt. Häufig war von der so genannten Kiezmiliz zu lesen und zu hören, die dem Pivo/Rimini schaden wolle und Gerüchte/Lügen verbreiten würde bzw. eh faschistisch sei. Diese oder ähnliche Äußerungen wurden von Personen aus dem Umfeld von Stefan K. und regelmäßigen Gästen des Pivo/Rimini getätigt.

Zur s.g. Kiezmiliz zählte dann quasi jede*r, die*der sich kritisch dem Pivo/Rimini gegenüber positionierte; dafür bedurfte es keiner Steine oder Sprühdosen. Schon ein "falscher" Blick beim Vorbeilaufen am Pivo/Rimini führte zu Gerüchten und Diskreditierung von Einzelpersonen und Gruppenzusammenhängen.

Es ist also nur richtig, nicht lediglich Stefan K. in den Fokus zu rücken, sondern zugleich die beiden Locations, ihre Betreiber*innen, Mitarbeiter*innen und Gäste, sowie das weitere Umfeld des Täters. Wir schließen uns daher der Forderung des Unterstützer*innenkreises nach einer "PROAKTIVE[N] Auseinandersetzung des Täters und seines Umfeldes" mit der Tat und dem seither Geschehenen an. Leider ist bis heute nichts von diesem Umfeld zu hören, keinerlei Statement, leider auch nicht von den Veranstaltungslocations, die er lange nutzte und in welcher eine der Betroffenen ehemals arbeitete.

 

Abgang

Vor Kurzem wurde bekannt, dass das Pivo sowie das Rimini, bald schließen werden; angeblich zieht Stefan K. auch aus Leipzig weg. Das könnte für die Betroffenen, sowie Betroffene von sexualisierter Gewalt generell, zunächst eine Erleichterung bedeuten. Fraglich ist aber, wie die zukünftige Auseinandersetzung auf Seiten von Stefan K. und seinem Umfeld aussehen wird und ob die Schließung (und der eventuelle Umzug) nicht vielmehr ein Anzeichen dafür ist, sich dem Prozess der Aufarbeitung und Auseinandersetzung (einmal mehr) zu entziehen.

Stefan K.s Stellungnahme von Ende April 2020 ist diesbezüglich wenig hilfreich. Er schreibt, er habe "zu 100% Schuld" und er stelle sich "hier nicht als Opfer dar", da er der Täter sei - sein Text liest sich jedoch diametral anders. Er wisse seit Jahren von seinem "Problem" und er schreibt, "bereits mehrfach im Schlaf sexuell übergriffig geworden" zu sein. Eine Auseinandersetzung fand dennoch nicht statt, da das Thema zu "schambesetzt" sei. So musste erst eine Betroffene eines sexuellen Übergriffs eine erste Form von Auseinandersetzung einfordern. Stefan K. schreibt in seiner Stellungnahme, was er bereits alles unternommen, wieviele Gespräche er geführt und wie schwer er es generell habe und trotz allem wolle er nicht "wegrennen", sondern sich seiner "Verantwortung stellen".

Augenscheinlich geschieht aber genau das: Stefan K. gibt das Pivo/Rimini auf (und zieht angeblich aus Leipzig weg). Beides gilt es nicht zu betrauern, sondern mit der Forderung an ihn und sein Umfeld zu versehen, dass die Schließung (und der mögliche Umzug) eine Auseinandersetzung nicht beenden. Ihr müsst euch damit befassen und dazu verhalten!

 

Das Private bleibt politisch - Für eine Ende der Gewalt!

Gleiches gilt für linke und subkulturelle Kontexte. Zu lange wurde und wird von und über sexualisierte/r Gewalt in unseren eigenen Kontexten/Umfeldern geschwiegen. Eine Thematisierung findet fast nur im Privaten statt, wodurch eine Individualisierung, Privatisierung und Entpolitisierung des Problems stattfindet. Linke/subkulturelle Kontexte äußern sich zwar antisexistisch und solidarisieren sich, falls notwendig und gefordert, doch eine tatsächliche Konfrontation findet selten statt. Der Täter ist immer der Andere, dem ein Szene-Ausschluss droht, womit die Auseinandersetzung dann auch endet. Ein Bezug zu sich selbst und dem Verhalten des Täters, findet bei Cis-Männern nur selten statt, das eigene Wirken und Ausüben von Gewalt innerhalb einer patriarchalen Geschlechterordnung wird so verkannt - und eben nicht einmal versucht zu beheben. Dabei wissen wir alle von dieser Gewalt innerhalb unserer linken/subkulturellen Kontexte, unseren Freund*innenkreisen und unserem Alltag, auf Arbeit und in unseren Stadtteilen.

Auch hier rücken wir uns in den Fokus der Kritik.

 


FUßNOTE

¹ In dem Artikel "Der Täter bist du!" spricht die Unterstützer*innengruppe von einer Betroffenen, da die Gruppe diese eine Person supportet. Jedoch ist von mindestens einer weiteren betroffenen Person auszugehen. Daher gehen wir in diesem Statement von mehreren Betroffenen aus und drücken dies entsprechend sprachlich aus.

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