Connewitz, der Staat und eine Baustelle der inneren Sicherheit

Seit Wochen brodelt es in Connewitz, vor allem rund um die Baustelle zwischen dem Wiedebachplatz und der Ecksteinstraße. Durch diese werden die Bullen daran gehindert, einen großen Teil der Bornaischen Straße zu bestreifen und zu kontrollieren. Das bietet vielen die Möglichkeit ihre Abende zu verbringen ohne willkürlichen Polizeikontrollen ausgesetzt zu sein. Immer wieder kommt es zu Bränden an der Baustelle, die Teil eines großangelegten Aufwertungsprozesses des Viertels ist. Dies veranlasst die Staatsmacht ständig im Großaufgebot die Baustelle zu stürmen und willkürlich Menschen zu kontrollieren und zu schikanieren. Die Wut auf die vergangenen Schikanen der Bullen hat sich schließlich am 09.05.2020 spontan entladen. Hier eine kleine Übersicht über die Geschehnissen der letzten Wochen.

Wie eigentlich an jedem schönen Frühlingsabend fanden sich auch an diesem Abend viele Leute auf der Straße zusammen, um gemeinsam Zeit zu verbringen. An diesem Abend hielten sich an der Bornaischen Straße vielleicht 150-200 Leute Corona-gemäß in kleineren Gruppen auf. Die Bullen zeigten ihre Nervosität von Anfang an durch intensive Bestreifung der umliegenden Straßen. Es scheint sie nicht gerade glücklich zu stimmen, dass sie aufgrund der Baustelle einen großen Teil von Connewitz nur mit einem Großaufgebot an behelmten Schweinen betreten können ohne sich großer Gefahr auszusetzen.

Nachdem ein größeres Feuer auf der Baustelle entzündet wurde rückten die ersten Bullen an und machten sich bereit, um die Baustelle zu betreten. Durch einen beherzten Einsatz von Vermummten mit Steinen und Pyrotechnik flohen einige Wannen vom Nettoparkplatz. Erst als sie ein Großaufgebot zusammen gezogen hatten, stürmten sie die Bornaische Straße unter Begleitung eines Helicopters. Die anwesenden Bewohner*innen des Stadtteils wurden unter Einsatz von Gewalt vertrieben. Erfreulicherweise kam es dazu aber auch zu Gegenwehr. Die Bullen wurden mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik angegriffen. Im Zuge des Geschehens wurden drei Menschen willkürlich festgenommen, von denen laut Presse seitdem eine Person in Untersuchungshaft sitzt. In der Biedermannstraße abseits der Baustelle wurden anrückende Einsatzfahrzeuge der Bullen mit Steinen empfangen. Die Bullen sicherten das Feuer und die Baustelle ab und blieben verstärkt im Viertel bis 4 Uhr früh. 

Bereits einen Abend vorher kam es zu einer fast identischen Situation. Die Bullen meinten wegen eines Feuers die Baustelle begutachten zu müssen und wurden daraufhin mit Pyrotechnik begrüßt. Daraufhin mussten sie sich zurückziehen und kamen nach kurzer Zeit mit einem Großaufgebot wieder, um die Baustelle zu stürmen und nach "Tatverdächtigen" Ausschau zu halten. Dabei kontrollierten sie ebenfalls willkürlich alle Menschen, die sich nicht rechtzeitig entfernen konnten oder wollten.

Am Abend des 1. Mai fielen die Bullen mit einer Hundertschaft ins Viertel ein, um dort Leute massenweise zu kesseln, zu bedrängen und willkürlich zu kontrollieren. Sie trieben Leute in die Enge, um anschließend ihre Identitäten festzustellen. Paradoxerweise beriefen sie sich auf den Verdacht des Verstoßes gegen die neuen Infektionsschutz-Maßnahmen. Obwohl sie diejenigen waren, die die Menschen auf engstem Raum kesselten und jegliche Abstandsregeln missachteten.

Seitdem die Baustelle auf der Bornaischen Straße besteht, hat die Bullenbelagerung in Connewitz stark zugenommen. Jedes Wochenende wird die Baustelle gestürmt, werden Leute von den Bullen geschlagen, bedroht und schikaniert. Die Baustelle ist der Staatsmacht ein Dorn im Auge, weil sie einen schwer zu kontrollierenden Raum schafft, frei von ihrer alltäglichen Präsenz. Gleichzeitig ist die Baustelle ein weiterer bewusster Schritt, um die Mieten in Connewitz anzuheben. Wir sind natürlich nicht gegen eine gut funktionierende Straßenbahn und eine schlaglochfreie Straße, die genug Platz für einen Fahrradstreifen hat. Aber wir haben genug Gründe zur Sorge, dass diese Maßnahmen Teil eines umfassenderen Plans sind, den stattfindenden Verdrängungsprozess zu vertiefen. Der in Aussicht stehende Milieu-Schutz wird dagegen nur geringfügig helfen, da bestehende Häuser weiterhin entmietet und modernisiert werden können. 

Die Bullen wollen und können natürlich keinen Raum akzeptieren, der nicht unter ihrer Kontrolle ist. Sie können nicht akzeptieren, dass sie für viele Menschen in Connewitz unerwünscht sind. Spätestens seit Silvester hat sich gezeigt, dass sie nichts als eine repressive Besatzungsmacht sind. Ihre Präsenz dient vor allem den Reichen und Profiteuren der Luxusbauten, deren Bauprojekte und Investitionen durch sie geschützt werden. Glücklicherweise konnten sie jedoch nicht verhindern, dass in den letzten Wochen mal wieder ein Bagger, ein Security Auto und eine Karre von AFD-Mitgliedern in Flammen aufgingen.

Wenn sie wirklich wollten, dass Abende wie der 09.05. friedlich verlaufen, würden sie nicht bei jedem kleinen Lagerfeuer das Viertel stürmen und stundenlang einen Helicopter über den Straßen kreisen lassen, der alle vom Schlafen abhält. Entgegen der lächerlichen Behauptungen von Bullen, Bildzeitung und LVZ kam es noch nie zu irgendwelchen Angriffen auf die Feuerwehr. Niemand in Connewitz hat ein Problem mit der Feuerwehr. Sie könnte ungehindert ihre Arbeit vollbringen, denn wir schätzen ihre Arbeit. Die Bullen jedoch nutzen jede Gelegenheit, um gegen die Bewohner*innen des Viertels repressiv vorzugehen.

Um weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden fordern wir die Bullen auf, weder die Baustelle, noch das Viertel zu betreten. Sollten sie dies dennoch tun, sollen sie sich nicht wundern, wenn es zu weiteren Angriffen kommt. Wir wollen an dieser Stelle erneut an die Helmpflicht für Bullen im Viertel erinnern, deren Missachtung fatale Folgen haben kann.

Bullenschweine raus aus dem Viertel!

Für ein widerständiges und solidarisches Viertel!

In Gedenken an Ulrike Meinhof, Revolutionärin und Antifaschistin, ermordet vom deutschen Staat am 09.05.1976 in Stuttgart-Stammheim.

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