Äshü und Yxa und die leere Wohnung

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Eine halboffene Tür eines Hauses, in der eine Nacktschnecke ist. Vor der Tür eine Schnecke mit Haus und BesetzenZeichen. text "Äshü und Yxa und die leere Wohnung.  Heimlich still und leise Ein Erfahrungsvericht aus einem Jahr stiller Besetzung und ein Leitfaden zum Türen öffnen".

Äshü und Yxa haben fast ein Jahr eine Wohnung besetzt und möchten die gemachten Erfahrungen des Wohnens, des TÜren Öffnens für weitere Menschen und anderem nützlichen Wissen teilen. Es gibt außer dem ein Comic, in dem erklärt wird, die sich einfach Türen öffnen lassen. 

 

Besetzen? Geht doch gar nicht mehr! …..Und was, wenn doch?

 

 

 

Ein Reader zu einer stillen Besetzung, die fast ein Jahr bestand

 

(und eine Anleitung zum Herstellen eines Werkzeuges, mit der mensch gewisse Barrieren überwinden kann)

 

 

 

Disclaimer:Dieses Zine beinhaltet eine rein fiktive Geschichte und rein fiktives Comic. Sie soll nicht diejenigen ermutigen, die solche illegalen Handlungen nicht begehen würden. Weder der Host noch die Entwickler*innen sind dafür verantwortlich, dass Menschen zu dem Zine navigieren oder was sie danach tun.

 

 

 

Immer wieder, wenn ich mit anderen Menschen über Besetzungen spreche, höre ich den frustrierten Satz, dass es überhaupt nicht mehr möglich sei, sich auf diese Weise Orte zu schaffen. Ehrlich, ich habe bisher kein einziges Mal von einer Person direkt gehört, dass sie schon mal längere Zeit in einem besetzten Haus oder einer Wohnung gewohnt hat. Daher kam die Idee, eine andere Erfahrung zu teilen.

 

Die Erfahrung, fast ein Jahr in einer besetzten Wohnung gewohnt zu haben und nach und nach alle weiteren leer stehenden Wohnungen in diesem Haus geöffnet zu haben.

 

 

 

Ein passendes Haus finden

 

Ich schätze, über Wohnungsnot, Luxussanierungen und Leerstand, der absichtlich besteht, damit mit ihm spekuliert werden kann, brauche ich nicht weiter zu schreiben.

 

Aus dem ersten Grund kamen wir darauf, nach etwas zu suchen. Wir hatten wohl das Glück, ohnehin direkt neben einem Haus zu wohnen (auch mietfrei), welches von Abriss bedroht war. Wenn ihr nicht quasi von alleine mitbekommt, wo so ein Haus ist, ich finde dazu immer wieder Informationen, auch teils in ganz bürgerlichen Zeitungen. „Dieses Haus soll wegen der Vergrößerung einer Firma abgerissen werden“ „In diesem Haus werden die Mieter*innen wegen Eigenbedarf gekündigt, obwohl es sich um eine große Firma handelt“ und so weiter. Es geht also darum, dass es ein Haus ist, bei dem die Eigentümer*innen die ursprünglichen Mieter*innen loswerden wollen. Um ein Haus abzureißen oder komplett sanieren zu lassen, muss es logischerweise komplett leer stehen...

 

Genau hier konnten wir ansetzen. Ein Haus, das halbleer steht. Die Mieter*innen, die einfach umziehen konnten oder dem Druck nicht standhielten, waren bereits ausgezogen. Andere, die das erste Privileg nicht hatten oder es einfach nicht einsahen den Ort zu verlassen, wohnten noch dort.

 

Genau dort sahen wir die ideale Grundlage, etwas eigenes zu schaffen. Die Menschen, die weiterhin dort wohnten, waren häufig aufgrund ihrer eigenen Lage und dem Bewusstsein wie schwer es ist eine Wohnung zu finden, solidarisch mit Besetzungen, oder fanden es zumindest nicht schlimm.

 

Zum Ausspähen kann menschmal gucken, ob es eine geöffnete Kellertüre gibt. Ansonsten: Wer hat noch nie irgendwo geklingelt um ins Haus zu kommen und gesagt es sei die Post... Wir hatten eine geöffnete Kellertür gefunden (die aber teils doch abgeschlossen war) und beschlossen daher ziemlich schnell, die Haustür so zu präparieren (sie bestand aus altem Holz), dass sich über ein kleines Loch der Schnapper bewegen ließ. Dafür bastelten wir ein Metallstück, einen etwa 10 cm langen Stift, der leicht gebogen war, um die Haustür selbst öffnen zu können. Alternativ kann auch bei einer solidarischen Person im Haus nach einem nachgemachten Haustürschlüssel gefragt werden.

 

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Warum eigentlich eine Wohnung und kein Haus?

 

Eine Wohnung eines nur halbleer stehenden Hauses zu besetzen, hat mehrere Vorteile. Das Wasser sollte laufen, die Heizung vermutlich auch. Strom kann sich auch durchaus anschalten lassen. Bei einem leerstehenden Haus sind häufig genau diese Dinge vom Netzbetreiber abgeschaltet oder die Hähne sind komplett demontiert, etc.

 

Darüber hinaus ist das Rein- und Rauskommen viel unauffälliger. Sobald mensch im Treppenhaus ist, sieht mensch aus als hätte mensch da gerade wen besucht. Die Wohnungstür ist nicht von der gesamten Straße aus sichtbar.

 

Und wenn doch mal Licht durchs Fenster nach draußen scheint, muss mensch schon genau wissen, welche Wohnung eigentlich leer steht, damit auffällt, dass da eine Besetzung stattfindet. Bei einem leerstehenden Haus siehst du in der umgebenden Dunkelheit einen kleinen Lichtschein sehr schnell.

 

 

 

Eine Wohnung finden

 

Wir wissen jetzt zwar wie wir reinkommen, aber wie geht es weiter? Zunächst mal macht es Sinn, nachzusehen, ob wirklich Wohnungen leer stehen. Das kann auch ganz im Vorhinein gemacht werden, zum Beispiel immer wieder abends vorbeischauen und mal gucken, wo nie Licht brennt, die Gardinen immer gleich hängen oder das Rollo (das macht eher tagsüber Sinn) oder das Fenster komplett leer ist oder bei den Klingeln einfach mal schauen, ob da leere Namensschilder sind. Die sagen auch häufig direkt etwas über die Etage und die Wohnung selbst aus.

 

Im Haus selbst können wir zuallererst im Treppenhaus nach den Briefkästen schauen. Da, wo Menschen ausziehen, wird teils noch Post hingeschickt, aber häufig wurde der Name entfernt oder ein Haufen Werbung lässt den Briefkasten überquellen. Oft sind Briefkästen, genauso wie Klingeln, in der Reihenfolge angeordnet, in denen die Wohnungen liegen. Ob diese Anordnung tatsächlich verwendet wird, kannst du herausfinden, indem du die Position der Namensschilder von Briefkästen und Wohnungen miteinander abgleichst.

 

Wir hatten eine Wohnung gefunden, die uns gefiel. Nicht ganz unten, nicht ganz oben... Zum einen weil, wenn mensch rausgeht, nicht direkt etwa der Hausmeisterperson in die Arme läuft. Zum anderen, wenn da keins mehr wohnt und mensch da oben Beauftragten der Hausbesitzer*in begegnet, mensch verdächtig erscheint, anstatt wie Besuch einer der Bewohner*innen zu wirken. Um sicher zu gehen, kam der für uns unangenehmste Teil... Wir klingelten bei der Person, die offenbar zuhause war, auf der gleichen Etage. Wir wollten sicher gehen, dass wir nicht doch in eine bewohnte Wohnung einbrechen. Es war Winter und wir hatten uns nicht direkt vermummt, weil das auch total komisch wirken würde, aber zumindest unsere Haare waren nicht sichtbar und wir trugen dicke Anziehsachen und Schals... Ihr wisst schon, was ich meine. Sie war sehr nett, wir unterhielten uns nicht lange, aber sie sagte uns, dass die Wohnung gegenüber leer teht und gab uns direkt die Info, dass für die daneben das Gleiche zutrifft. Perfekt! Wir warenuns sicher, dass ihr klar war, warum wir fragten und offenbar hatte sie nichts dagegen. Eine gute Verbindung, bei der sich eventuell nach einem Haustürschlüssel fragen ließe oder an die mensch sich wenden kann, wenn mensch sonst Fragen hat.

 

Jetzt standen wir jedenfalls vor der Tür unserer hoffentlich neuen Wohnung!

 

 

 

Die nächste verschlossene Tür

 

Es gibt im Internet verschiedene Infos, wie mensch eine abgeschlossene Tür aufmachen kann.

 

Wir haben dafür ein selbst gebasteltes Werkzeug genutzt (die Anleitung zum Selberbauen findet sich am Ende dieses Readers). Wir haben die Tür abends aufgemacht als es dunkel war. Es ist nicht besonders laut, aber in einem stillen, alten Haus ist es doch recht hellhörig. Wir sind abends hin, weil da weniger Menschen im Treppenhaus unterwegs sind, vor allem aber nicht die Hausmeisterperson, von der wir wussten, dass sie regelmäßig kommt, und wir fühlten uns im Schutz der Dunkelheit etwas wohler. Die Türe war nach etwa zehn Minuten geöffnet (mit etwas Übung geht das auch wesentlich schneller) , das Türschloss zerbrochen, aber die Türe selbst wurde nicht beschädigt. Schnell unser eigenes Schloss eingebaut und Türe zu! Nächste Hürde geschafft!

 

 

 

Das erste Mal in der Wohnung

 

Als wir reinkamen, waren wir zunächst total verunsichert. Die Wohnung war komplett eingerichtet, überall lagen Zettel rum. wir schlichen durch die Wohnung. Ich fand sogar einen lebenden Kaktus. Wir sahen dann aber, dass auf Allem eine dicke Staubschicht lag. Wir schauten uns rumliegende Briefe an. Das war alles irgendein Müll, keine sensiblen Daten oder so etwas. Die Möbel waren alt und recht altmodisch, wirkten nicht wertvoll. Die Vermutung lag nahe, dass in der Wohnung eine Person gewohnt hatte, die ins Altenheim kam, anstatt nochmal in eine neue Wohnung zu ziehen, mit der Absicht, die verbliebenen Sachen dem Abriss zu überlassen. Für uns war es super, nach der ersten Inspektion setzten wir uns erst mal auf die Couch und entspannten eine Runde. Die Wohnung hatte zwei Zimmer, eine separate Küche, einen Flur, ein Bad und sogar einen Balkon.

 

Was sich lohnt zu überprüfen: Ist die Wohnung verschimmelt? Das passiert leider sehr oft in solchen Häusern. Gibt es fließendes Wasser? Funktioniert die Heizung? Was ist mit dem Herd, geht er an? Strom kann auch überprüft werden, aber wenn der vorhanden ist, ist es doch eine Überraschung.

 

Wasser läuft oft, da so etwas normalerweise nur für das ganze Haus abgestellt werden kann. Die alte Gasheizung bekamen wir zum Laufen, indem wir den Hahn aufdrehten, der sich einfach an einem Heizungsrohr befand, das durch den Flur lief. Da der Herd auch über Gas lief, konnten wir kochen.

 

Schimmel fanden wir ein kleines bisschen im Badezimmer, da leckte offenbar etwas von der oberen Wohnung herunter. Wir hielten es für vernachlässigbar, da es wenig war und sich auf eine einzige Stelle im Badezimmer beschränkte, also einem Ort an dem mensch sich nie lange aufhält.

 

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Ein paar Gedanken zum bisherigen Geschehen

 

Ich denke schon, dass wir einen Haufen Glück hatten, dass es so gut lief. Was die Haustüre angeht, wir sind beide handwerklich nicht ganz unbegabt und konnten das so ohne Weiteres lösen.

 

Die nette Person auf der Etage, auch gut gelaufen.

 

Die Wohnungstüre, das ging schon schnell. Manchmal klappt es nicht ganz so gut und dauert länger. Aber auf das genutzte Werkzeug kommen wir später zurück.

 

Die noch eingerichtete Wohnung... Das ersparte uns sehr viel Arbeit. Wir hätten aber vermutlich einfach noch in eine andere Wohnung geguckt. Viele lassen (einen Teil) ihrer Möbel da, wenn sie schrottig sind und etwas Neues gewünscht wird oder ohnehin eine Küche in der neuen Wohnung eingebaut ist. Es war definitiv Glück, aber das ist gar nicht so selten, wie es erst scheint.

 

Die Heizung lässt sich jedoch, je nach Gebäude, auf verschiedene Arten abstellen und irgendwie kommt mensch meistens ran. Einfach mal nach Stellen in der Wand gucken, die aussehen als wäre das die „Türe“ zu einem Fach, oder im Keller suchen. Versucht sicher zu stellen, dass die Anlage nicht abgeschaltet wurde aufgrund eines Gaslecks. Das könnt ihr z.B. dadurch machen in dem ihr den Gaszähler genau kontrolliert.

 

 

 

 

 

Die nächsten Schritte

 

Die Küche und ein Zimmer waren zur Strasse hin ausgerichtet. Unabhängig davon, ob wir Strom wollten (dazu gleich mehr), auch das Licht von Taschen / Kopflampen ist sichtbar von der Straße aus. Grundsätzlich ist rotes Licht deutlich schlechter zu sehen als weißes, also so lange die Fenster nicht verhangen sind und mensch aber was in der Wohnung machen will, lohnt es sich, diese Funktion zu nutzen. Die meisten Stirnlampen haben rotes Licht. Um den Aufenthalt unauffälliger zu gestalten, lohnt es sich, große Tücher (zum Beispiel Deckenbezüge, Laken) in die Nähe (!) des Fensters zu hängen. Nicht direkt ran ans Fenster, das ist ja fast so auffällig wie ein Transpi... , sondern so etwa 1,5m weg vom Fenster, im Raum. Von außen kann geguckt werden, ob die Entfernung gut ist. Das hängt von der Etage ab, den Lichtverhältnissen auf der Straße, wie weit die andere Straßenseite, vor allem der Bürgersteig, weg ist, und so weiter. Wir entschieden uns gegen die Stoffe auf dem rückwärtigen Fenster, da konnte ohnehin keins reingucken, und wir hatten eine schöne Aussicht auf einen Baum und Wasser.

 

 

 

Strom

 

War für uns etwas schwieriger zu entscheiden. Der Sicherungskasten war im Keller, ganz offen im ersten Flur an der Treppe. Unser Stromzugang war verblombt. Bedeutet, da ist etwas so festgemacht, dass du es nur über kaputt machen entfernen kannst. Wie bereits erwähnt, der Hausmeister lief öfter mal durchs Haus. Etwas unpraktisch. Wir entschieden uns daher erst mal, keinen Strom zu nutzen. Im Keller und auf dem Dachboden befanden sich jedoch funktionierende Steckdosen und damit konnten wir unsere Powerbanks (hinter Sperr- und anderem Müll versteckt) laden. Ein Verlängerungskabel von solidarischenen Nachbar*innen oder dem Flur in die Wohnung legen, geht theoretisch auch, aber das so zu verstecken, dass es nicht sichtbar ist, ist aufwendig. Für den Herd hatten wir ja ohnehin das Gas. Wir waren ja lange in der Wohnung, irgendwann entschieden wir uns auch, die Verblombung abzumachen.

 

 

 

Die ersten Tage

 

Wir entschieden ziemlich schnell, auch die benachbarte Wohnung aufzumachen und anderen (befreundeten) Menschen zu geben. Diese Wohnung war komplett leer, schimmelfrei, hatte auch zwei Zimmer, allerdings nur einen Ofen.

 

Wenn wir uns in der Wohnung aufhielten, waren wir so leise wie möglich. Das Haus war so hellhörig dass wir den Fernseher, der jeden Abend bei den Nachbar*innen lief, nahezu verstehen konnten, nicht bloß hören...

 

Wie finden wir denn generell solidarische Personen? Eins muss dazu gesagt werden: Teils muss geraten werden, wo geklingelt wird. Zumindest in dieser Stadt kleben, insbesondere bei alten Häusern, viele Sticker an der Türe. Oder hören Punk. Vielleicht trifft mensch auch wen im Treppenhaus und die Person wirkt sympathisch, sodass mensch die fragen könnte.

 

 

 

Dann der Schock

 

Ich war gerade gar nicht vor Ort, aber wer anderes wollte gerade „nach Hause“ gehen. Eine Person, die wohl die Hausmeister*in war, stand unten vor der Tür und telefonierte angestrengt. Die Person blieb mit etwas Abstand stehen und beobachtete nur, statt in das Haus zu gehen. Und tatsächlich, der Eindruck bestätigte sich: Kurz darauf kam die Polizei mit Blaulicht angefahren und parkte direkt vor dem Haus. Die Person sah dann, wie eine von unseren Friendz aus der benachbarten Wohnung geführt wurde.

 

Wir dachten dann, das wars. Unsere Besetzung hat vielleicht... fünf Tage gehalten. Dachten wir frustriert. Wir betraten das Haus ein paar Tage nicht.

 

 

 

Aber dann...

 

Wir mussten jedoch nochmal hin, auf den Dachboden, da dort noch Sachen von uns lagen. wir gingen an unserer Tür vorbei und sahen, dass da immer noch unser Schloss drin ist. Wir konnten es kaum glauben. Die anderen hatten sich weniger unauffällig verhalten, vermutlich war das der Grund, warum sie auffielen und wir nicht.

 

Wir warteten noch ein paar Tage ab, falls doch noch was passiert, aber dann zogen wir wieder ein.

 

 

 

Einleben

 

Wir hatten in der Nähe einen Container-Spot, von dem wirEssen herbekamen. Den Teil, den wir nicht brauchten, stellten wir für alle im Treppenhaus ab. Für Internet / WLAN hatten wir erst ein Nachbi gefragt, aber dann festgestellt, dass das Netz zu schwach war. Wir nutzten daher ein „Hotspot-Handy“, also ein Smartphone mit einer (vorregistrierten SIM-Karte), das nur dazu da ist, einen Hotspot zur Verfügung zu stellen. Unsere Smartphones waren im Flugzeugmodus, immer schon ein Stück von der Wohnung entfernt eingeschaltet, und verbanden uns dann darüber, um surfen zu können. Laptop und andere Wertsachen waren nicht in der Wohnung, wenn wir sie nicht brauchten (häufig erst abends geholt) und gut auf dem Dachboden versteckt. Personalausweis und andere Dokumente auch. Wir hatten sie in eine Tüte gelegt, auf der stand „Bitte liegen lassen“.

 

Wir hatten Rasierklingen, Kleber und Glitzer sowie etwas um Tattoos unsichtbar zu machen in der Wohnung (Sikaflex, in der Nautikabteilung eines Baumarktes gibt es schwarzes, das besser hält. So eine Abteilung haben nicht alle Baumärkte, abern allen gibt es graues).

 

Musik hörten wir gar nicht. Manches war vielleicht übertrieben, ich schreibe aber ja ohnehin nur von einem persönlichen Bericht. Was andere daraus machen, ist ihnen überlassen.

 

Wir kochten gemütlich in der Wohnküche, fanden auch noch nicht abgelaufene oder gut wirkende Lebensmittel, chillten auf der Couch, schliefen in einfachen Schlafsäcken auf eigenen Matratzen oder der Couch (Sachen bei denen es nicht schlimm ist, wenn sie weg kommen). Träumten von Revolution. Oder Revolte... Reflektierten dieses und jenes. Hatten eine schöne Zeit.

 

 

 

 

 

 

 

Generell zu unserem ÄußerenKeins von uns trug viel „szenetypische“ Kleidung. Wir hatten teils Anziehsachen mit Patches und ganz neu sahen die Sachen auch nicht aus, aber keins von uns lief dauerhaft komplett in schwarz rum. Bunte Haare hatte auch keins von uns. Würde sagen, manche von uns sahen auf den zweiten Blick recht zeckig aus, aber nicht auf den Ersten. Ich zum Beispiel habe meine abgefuckten, schwarzen Hoodies mit den typischen Patches nicht zuoberst getragen, wenn ich das Haus verließ. Ich denke, keins hat Lust, den Stil großartig zu ändern für eine Wohnungsbesetzung, aber ich denke schon, dass es uns teils zugute kam. Die Hausmeister*in trafen wir dann auch ein paar Mal im Treppenhaus oder sahen das Auto auf der Straße vorm Haus, und außer Grüßen passierte nichts.

 

 

 

Das zweite Erschrecken

 

Wir waren mal in der Wohnung als wir plötzlich hörten, wie wer versuchte, in die Wohnung zu kommen. Mit einem Schlüssel, der offenbar nicht funktionierte. Wir guckten durch den Spion. Sahen direkt vor uns... Naja, wen wohl? Hausmeister*in. Schock. Die Person ging runter, vermutlich zum Telefonieren. Das war der Moment zum Abhauen. wir überlegten, ob wir uns auf dem Dachboden verstecken sollten oder rausgehen, also an der Person vorbei... Wir hatten das Glück, dass der Dachboden mit dem Nachbarhaus verbunden war. Wir sind also nach oben und im Haus nebenan auf die Straße gekommen. Ja, teils kam uns das Haus wirklich sehr entgegen....

 

 

 

Und dann?

 

Was dann jedoch passierte: Absolut nichts. Wir warteten wieder ein paar Tage und gingen zurück. Wir sprachen lange darüber, warum das so passiert ist. Unsere Vermutung ist, dass wahlweise die Hausmeister*in einfach keine Lust mehr hatte, sich darum zu kümmern. Überstunden, Nerverei mit der Polizei, Schloss austauschen, das ist alles extra Arbeit. Oder dass die vorgesetzte Person gesagt hat, dass es egal ist. Zum Beispiel sowas wie „Die Scheißzecken kommen eh wieder“. Ähnliche Argumente hörte ich auch schon bei Besetzungen einer Brache. Es ist daher nicht ganz so weit hergeholt, wie es vielleicht scheint. Wie auch immer es war: Ab da begannen wir ganz langsam, uns immer sicherer zu fühlen. Was ist chilliger als eine Hausmeister*in, die offenbar Bescheid weiß, sich aber nicht für uns interessiert?

 

 

 

Weiteres Leben

 

Manche von uns wurden mit der Zeit nachlässiger. Da wurden mal wichtige Dokumente oder der Laptop spät abends nicht mehr auf den Dachboden gebracht, andere betraten die Wohnung ohne ihre Smartphones auf „Flugzeugmodus“ zu stellen. Wir brachten generell immer mehr eigene Sachen mit, die wir anfangs nicht mitnahmen, weil wir sie nicht verlieren wollten. Reparierten das eine oder andere in der Wohnung. Stellten Möbel, die noch okay waren, die wir aber nicht brauchten, auf die Straße für andere Menschen. Machten noch mal intensiver sauber. Wir bauten eine Art Werkstatt auf. Fingen an, an diesem und jenen zu basteln. Bei jedem Geräusch erst mal zu lauschen, die ganze Zeit aufzupassen, nicht zu laut zu sein, all dies ließ nach und löste mit der Zeit ein gutes „Zuhausegefühl“ aus. Danke, Hausmeister*in!

 

Es wurde Sommer, unsere Besetzung hielt inzwischen so um die 4 Monate .

 

Der Sommer selbst war recht „ereignislos“. Wir nutzten den Wohnraum für das, wozu er da war. Machten es uns immer weiter gemütlich. Selten bekamen wir mit, wie wer auszog, allgemein blieben die meisten. Wir fühlten uns daher auch weiterhin im Treppenhaus sicher und rechneten nicht mit einer – für uns spontanen – Räumung, da das Haus abgerissen werden sollte. Wir fragten irgendwann auch mal einen der Bewohnis, wie der Zeitplan für Räumung und Abriss ist, und bekamen Informationen, dass dies noch etwas dauern würde. Also weiter wohnen, außerdem waren wir viel unterwegs.

 

 

 

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Dachboden und Keller

 

Wir waren sehr froh um den riesigen Dachboden und den dort herumstehenden Kram. Da waren Matratzen, uralter Lack (die Währungseinheit des Preises der drauf stand, war eine, die es nicht mehr gibt....), Möbel, Müll, Werkzeug, einfach unendlich viel. Eine wahre Fundgrube, und zum Sachen verstecken, wie bereits erwähnt, auch super. In größeren Runden treffen, wenn die Zimmer etwas eng wurden, ging dort oben auch. Manchmal übernachteten dort auch Menschen. Wie weiter oben erwähnt, die Tür zum Nachbarhaus stand meist offen und war somit ein großartiger Notausgang, falls es mal unpraktisch wirkte, unseren Hauseingang zu nutzen.

 

Der Keller war auch eine Bereicherung. Allerdings, die Dinge die wir aus Bequemlichkeit im Keller lagerten, wurden immer wieder geklaut. Ob dies „mutwillig“ geschah, oder da jemensch dachte, das liegt nur noch rum, wissen wir natürlich nicht. Private Wertsachen waren nicht dort gelagert, aber ärgerlich war es dennoch.

 

 

 

Langsam wurde es Herbst

 

Wir hielten uns wieder mehr in der Wohnung auf. Redeten viel darüber, was wir noch so machen könnten in Bezug auf das Haus. Wir entschieden uns, weitere Wohnungen aufzumachen und dort mal hinein zu sehen. Wir hatten durch unsere lange Anwesenheit ja inzwischen auch ohne weitere Hilfe heraus bekommen, wo noch Leerstand vorhanden war. Die weiteren Wohnungen hatten recht unterschiedliche Zustände. Eine war erschreckend stark verschimmelt. Wir waren auch deswegen schockiert, weil wir wussten, dass dort bis vor Kurzem noch eine ältere Person gewohnt hatte. Andere hatten weniger oder keinen Schimmel, teils war eine Gasheizung drin, teils ein Ofen, teils Möbel und die Wohnungen hatten alle zwei Zimmer.

 

 

 

Weitere Mitbewohnis

 

Wir haben natürlich unsere Bubble an Menschen, die jedoch meist keine Wohnung suchten, und wenn doch, waren sie selbst in der Lage, sich etwas zu suchen, konnten uns aber um Hilfe bitten, falls notwendig.

 

Wir entschieden uns, uns außerhalb unserer üblichen Kreise nach potenziellen Bewohner*innen umzuschauen.

 

Ich traf einmal eine Person auf der Straße, die mich offen ansprach, dass sie keine Wohnung hätte und derzeit im Keller einer Freundin wohnt, dort jedoch raus muss. Unabhängig von ihrem Wohnungsproblem war sie mehrfach marginalisiert (migrantisch, weiblich). Ich konnte den Geruch von Opium wahrnehmen, der sie umgab. Jedenfalls bot ich ihr an, ihr eine Wohnung zu übergeben. Ich glaube, für sie war es so skurril, dass sie ziemlich lange brauchte um zu verstehen, dass ich ihr allen Ernstes eine Wohnung kostenfrei zur Verfügung stellen möchte. Dass es nicht legal ist, kommunizierte ich auch, aber das schien sie nicht zu stören. Wir tauschten Telefonnummern.

 

Es dauerte einige Zeit, bis sie sich meldete, dass sie eine Wohnung möchte.

 

Wir waren außerdem einmal an einem Ort in der Nähe, an dem es gebrannt hatte und manche Behausungen nicht mehr bewohnbar waren. Eine Person war extrem gestresst, weil sie überhaupt nicht fertig wurde mit dem Aufbauen und den Reperaturen und es langsam Winter wurde. Wir boten ihr eine Wohnung an, die sie dankend annahm.

 

Darüber hinaus hatten wir eine vage Verbindung zu einer Gruppe von wohnungslosen Menschen, die bei uns in der Nähe lebten. Wir liefen also dorthin und sagten einer Person, mit der wir immer mal wieder Kontakt hatten, dass sie sich mal bei uns im Haus umschauen kann, wenn sie möchte.

 

Es wurde immer kälter, das herbstliche Wetter machte sich immer mehr und mehr bemerkbar.

 

Die Person kam recht schnell. Wir klärten sie über die Zustände der Wohnungen auf, zeigten sie ihr,ließen sie entscheiden unddann übergaben wir den Schlüssel. Die Person bat, nicht noch mehr Menschen Bescheid zu sagen und dass sie gerne entscheiden würde, wer noch die Infos zu den vorhandenen Wohnungen bekommt. Da sie eine ruhige, sehr sympathische Person war, stimmten wir dem zu und überließen es ihr. Wir wollten ohnehin keine Makler*innen spielen und fühlten uns nicht wohl damit, entscheiden zu müssen, wer kommen kann und wer nicht. Der Ort, in dem die Person wohnte, war wirklich viel zu stark bewohnt als dass alle die Wohnungen hätten nutzen können.

 

Ab da lief es im Grunde von selbst. Die meisten kamen weniger zum „richtigen“ Wohnen, sondern wollten sich einfach etwas aufwärmen, um dann wieder in ihr eigenes Zuhause zurückzukehren. Sie verhielten sich respektvoll den anderen Bewohner*innen gegenüber und machten keinen Lärm. Ich denke, uns allen war klar, dass mit mehr Menschen die Gefahr der Räumung stark steigt und wir sehr aufpassen mussten, dass wir keinen Ärger verursachten.

 

 

 

Dann begann das Chaos

 

Das traf auf alle zu, bis auf die Frau, die ich anfangs erwähnte, die sich auch irgendwann meldete. Ab da war es vorbei mit der Ruhe. Ständig Lärm, sehr präsentes Auftreten. Sie hatte sich von irgendeiner Person das WLAN-Passwort geben lassen und weil das Netz nicht stark genug war, saß sie von da dann den halben Tag im Treppenhaus und blockierte einen Großteil der Treppe. Dies sollte noch eskalieren, einige Details lasse ich hier aber weg.

 

Wir hörten unter anderem davon, dass eine der Miete zahlenden Bewohnis von der Frau angegriffen wurde. Wir hängten Zettel auf mit der Bitte um Respekt und dass wir versuchen können zu helfen, wenn gewünscht. Fühlten uns aber sehr unwohl in der „Management“-Rolle.

 

 

 

Wir und das Chaos

 

Generell fühlten wir uns in dem Haus nicht mehr sicher. Es war vor allem spätabends und nachts sehr laut, teils laute Musik, teils wurde im Treppenhaus rumgeschrien. Ich lag immer wieder abends im Bett und lauschte sehr gestresst, ob jetzt nicht doch die Cops gekommen sind. Die zahlenden Bewohnis waren bisher ja entspannt gewesen, aber meine Vermutung war eben doch, dass „es irgendwann reicht“.

 

Wir hatten viele Diskussionen um die „Organisation“. Wieviel sollten wir uns einbringen, um ein friedliches Miteinander herzustellen? Es schwankte zwischen „Wir machen es so weit, wir es schaffen“ und „Wir haben echt keine Lust dazu“.

 

Ich kam irgendwann an einen Punkt, an dem ich eine Pause brauchte. Eins von uns hatte zufällig gerade legalen Leerstand in der Familie und wir beschlossen, eine Runde „Urlaub“ zu machen.Das Ende

 

Es war tiefster Winter.

 

Von uns war kein Mensch im Haus als es zur Räumung kam. Ich kann daher nicht viel dazu schreiben. Wir hatten keinen telefonischen Kontakt untereinander.

 

Wir können nur hoffen, dass da nichts schlimmes passiert ist. Wir konnten es teils verfolgen, weil gleichzeitig ein anderer Ort direkt daneben geräumt wurde, und davon fand sich einiges in den Medien.

 

Ich muss auch sagen, ich bin sehr froh darum, nicht dort gewesen zu sein. Zum Einen habe ich ohnehin so viel Polizeigewalt erfahren, dass ich das kaum noch aushalten kann. Zum Anderen, klar, auch von den Menschen die da waren, hatte keins Lust, mit den Cops zu reden, aber dennoch... Es hätte wohl nur eine Person verraten müssen, wer zuerst da war, wo sie die Schlüssel her bekamen, oder ähnliches. Wir hatten zwar versucht, uns bedeckt zu halten, aber es war eben doch irgendwie offensichtlich. Wir hätten vermutlich mehr Repression erfahren als die anderen.

 

 

 

Mögliche Repression

 

Wir hatten ja das Glück, komplett ohne Repression durchgekommen zu sein. Ich erwähne hier jedoch, was mir so einfällt zu den möglichen Folgen, die mensch erleben kann, wenn es weniger gut läuft beim (vorerst) letzten Rausgehen... oder rausgegangen werden.

 

 

 

- Hausfriedensbruch

 

 

 

- Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, falls du nicht freiwillig raugehst.

 

 

 

Daraus wird immer mal wieder Tätlicher Angriff konstruiert

 

 

 

Wenn mehrere Menschen in der Wohnung sind, kann es auch sein, dass sie ihnen Gemeinschaftlichen Widerstand vorwerfen.

 

 

 

Mehr Infos dazu haben die tollen Genossis von #besetzen mal aufgeschrieben. Diese sind hier zu finden:

 

https://www.besetzen.org/antirep/

 

 

 

Weniger bekannt ist etwas, das ich mal mitbekommen und hab als überraschend schwerwiegend gewertet wurde:

 

Der Diebstahl von Gas (und Strom?), in Freiburg gab es mal ein Verfahren dazu, meine ich.

 

Ich habe dazu leider keine Informationen online gefunden.

 

 

 

Generell gilt: Für den Fall, dass mensch sich entschieden hat und die Zeit da ist, die eigenen Fingerabdrücke unkenntlich zu machen, damit sie sich nicht nehmen lassen, sowie markante Körperstellen (Tattoos, Narben) zu verstecken, das Gesicht irgendwie zu „schminken“, ist Gesa (Gefangenensammelstelle) sehr wahrscheinlich. Die Cops wollen schließlich wissen, wem sie die Post schicken.

 

 

 

Hier ein Link mit ein mehr Informationen zur ID-Verweigerung

 

https://www.besetzen.org/wp-content/uploads/2019/09/Reader_IDV.pdf

 

 

 

Hier ist ein Bericht darüber, wie eine Person die Identitätsfeststellung verweigerte. Dies kann jedoch sehr unterschiedlich ausgehen und der Text stellt daher nur ein Beispiel dar: https://www.besetzen.org/category/tu-mal-wat/

 

 

 

 

 

Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht zu lesen und ihr nehmt es als Inspiration... <3

 

 

 

 

 

Es grüßen hiermit

 

 

 

zwei Wesen, die nun in einem Fliegenpilz wohnen.

 

 

 

Äshü und Yxa

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ergänzungen

Danke für das Feedback :) 

Also das Haus hatte 4 Etagen plus Keller und Dachboden. Pro Etage gab es 3 Wohnungen. Das erwähnte Nachbarhaus (Wo wir über den Dachboden kamen) War ähnlich groß. 

Generell war das Haus mitten in der Großstadt und das Gebiet bekannt als umkämpft. (Vielleicht noch eine nützliche Info)