Osnabrück - keine Friedensstadt | Solidarität mit Palästina

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In Solidarität mit den Menschen Palästinas Wir haben in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli die Rathaustreppe in Osnabrück mit Bildmaterial aus Gaza versehen, das wir als Forderung nach einer Positionierung verstehen wollen. Diese Forderung richtet sich an die Stadt selbst, die zuletzt im Oktober 2023 die Ereignisse in Palästina und Israel kommentierte. Aber auch an eine Öffentlichkeit in Form unserer Genoss*innen in sich als radikal links verstehenden Gruppen, Friedensinitiativen, religiösen Gemeinden sowie allen Osnabrücker*innen.
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In Solidarität mit den Menschen Palästinas

 

Wir haben in der Nacht vom 29. auf den 30.Juli die Rathaustreppe in Osnabrück mit Bildmaterial aus Gaza versehen, das wir als Forderung nach einer Positionierung verstehen wollen. Diese Forderung richtet sich an die Stadt selbst, die zuletzt im Oktober 2023 die Ereignisse in Palästina und Israel kommentierte. Aber auch an eine Öffentlichkeit in Form unserer Genoss*innen in sich als radikal links verstehenden Gruppen, Friedensinitiativen, religiösen Gemeinden sowie allen Osnabrücker*innen.

Im Mai dieses Jahres sah es temporär so aus, als habe sich die öffentliche Diskussion über Gaza, Palästina und Israel dauerhaft verschoben – international, aber auch in der Bundesrepublik. Liberale Kommentator*innen, die sich bis dahin vor allem mit Rechtfertigungen und unangemessener Skepsis hervorgetan hatten, entdeckten plötzlich das Leiden der Zivilbevölkerung Gazas. Jugendorganisationen von Parteien wie den Grünen, Die Linke und SPD wurden in ihren Forderungen und Anklagen direkter. Es gab deshalb Grund zur Hoffnung, diese Verschiebung könnte auch eine Neuausrichtung der Politik nach sich ziehen.

Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. „Das ist Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle“, erklärte Bundeskanzler Merz über den am 13. Juni beginnenden völkerrechtswidrigen Angriff Israels auf den Iran. Die mit dieser Äußerung ausgelöste öffentliche Auseinandersetzung beschränkte sich weitestgehend auf seine Wortwahl, nicht aber den politischen und ideologischen Inhalt seiner Aussage. Rechtfertigung und Lob des gegenwärtigen Vorgehens Israels greifen notwendigerweise auf faschistische und rassistische Muster zurück. Wir sagen deshalb, dass dieser Inhalt in herrschaftlicher Zustimmung zu einem Triumphzug der Reaktion besteht und glückliche Akzeptanz der fortschreitenden Katastrophe der Geschichte signalisiert.

Und mit diesem Signal wurde es wieder furchtbar still; Zweifel an der Standhaftigkeit und politischen Bedeutung des beschriebenen Umschwungs wurden also bestätigt. Diese behaupteten Positionsänderungen waren in einem palästinensischen und mit Palästina solidarischen Umfeld als vorrangig instrumentell wahrgenommen worden. In diesem Verständnis ist eine liberale Weltöffentlichkeit berechtigt zu dem Schluss gekommen, Israel werde tatsächlich einen Völkermord bis zum Ende durchführen. Dieser wird den Tod und die Vertreibung hunderttausender Menschen, aus einem systematisch seiner Fähigkeit zu gesellschaftlicher Reproduktion beraubten Palästina, zur Folge haben.

Das wird, wenn direkte Gewalt ein Ende findet, von individuellen Menschen abverlangen, eine Meinung zu diesen Ereignissen zu haben. War das Vorgehen Israels ein Erfolg des Westens, „ein Schlag der Kinder des Lichts gegen die Dunkelheit“ (so beschrieben vom israelischen Premier Benjamin Netanyahu), oder eine weitere große Tragödie, die in einer Traditionslinie kolonialer und imperialer Verbrechen stehen wird?

Letztere Interpretation wird von einer großen weltweiten Mehrheit vertreten werden. Und obschon Verfechter*innen ersterer Interpretation in den USA, der europäischen Union und Großbritannien wohl leider keine gesellschaftliche Ächtung befürchten werden müssen, bereiten sich nun dennoch einige Diskursteilnehmer*innen vorauseilend und um ihre eigene Haut besorgt darauf vor, schon immer gegen den Genozid gewesen zu sein. Den oben angesprochenen späten Entdecker*innen von Leid wird also vorgeworfen, kein wirkliches Interesse daran zu haben, die Tragödie und das Verbrechen zu verhindern. Sie wollen nur weiterhin zu einer sich als zivilisiert und progressiv verstehenden (westlichen) Öffentlichkeit gehören können.

Gegen diesen Pessimismus - und im Bewusstsein, dass auch wir uns hiermit viel zu spät um eine politische Intervention bemühen - möchten wir daran festhalten, dass es einerseits nicht vollends zu spät ist und andererseits diese Tendenz genutzt werden kann. Sie weist schließlich darauf hin, dass die Annahme, Israel erledige „für uns“ die „Drecksarbeit“ tatsächlich auf Segmente der herrschenden Klasse beschränkt ist. Eben jene Annahme wird jedoch gegen eine Mehrheit verwendet, welcher systematisch ein falscher Eindruck der eigenen politischen Unwirksamkeit vermittelt wurde.

Diese Mehrheit existiert auch in Osnabrück. Sie wäre dazu fähig, sich selbst zu mobilisieren und einem Verlangen nach realen Schritten, im Angesicht der Tragödie die Geschichte auszubremsen, Ausdruck zu geben. Auch wenn Osnabrück nicht weltweit ausschlaggebend sein wird, befreit das hier lebende Menschen nicht von der Verantwortung, sich als politische Subjekte zu erkennen und sich in eine weltweite Bewegung einzureihen, die gemeinsam den notwendigen Druck schaffen könnte, das Verbrechen des Völkermordes zu beenden.

Wie kein anderes historisch nahes Ereignis zeigt der Genozid in Gaza, dass die Zentren des Imperialismus die militärische Niederlage des Dritten Reiches effektiv genutzt haben, um sich selbst einreden zu können, sie – beziehungsweise wir! – stünden für universelle menschliche Werte. Nun aber kehren sie zu einer Form zurück, die ihrem Inhalt entspricht. „Westliche Werte“ erweisen sich als Rechtfertigung für Plünderung und Mord. Dagegen müssen wir alle zu ‘Verräter*innen am Westen’ werden, um uns zu befähigen, tatsächlich für universelle Werte einstehen zu können. Darin könnte sich auch eine der Gegenwart angemessene neue Belebung des Begriffes der Friedensstadt finden.

Für ein freies Palästina und gegen die rassistische, imperialistische Freiheit zum Genozid.

 

 

 

 (Ein Artikel mit den gewählten Bildern und Quellen folgt.)

 

Bilder: 
Direkte Aktion Palästina - Osnabrück
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