Update zu den beiden inhaftierten Anarchist*innen N. und M., den "Hetzblatt gegen den Windpark"-Ermittlungen und dem anstehenden §129-Zündlumpen-Prozess

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Seit dem 26.2 sind unsere beiden Gefährt*innen N. und M. eingeknastet. Inhaftiert sind die beiden wegen des Vorwurfs das anarchistische Wochenblatt „Zündlumpen“ herausgegeben zu haben („kriminelle Vereinigung“). Dieses Verfahren nach §129 gegen die beiden und eine weitere Person ist seit 2022 bekannt. Seit diesem Jahr sind nun zwei weitere Verfahren bekannt, welche sich auch jeweils gegen N. und M. richten: Zum einen werden N. und M. beschuldigt, das „Hetzblatt gegen den Windpark“ mit (mittlerweile) drei weiteren Personen verbreitet zu haben („Billigung von Straftaten“). Außerdem besteht gegen die beiden der „Anfangsverdacht“ von Brandstiftung.

 

 Mehr zu den Vorwürfen, Ermittlungsmethoden und Kontext hier:
- Über den jüngsten Repressionsschlag [https://de.indymedia.org/node/497199]
- Räuber und Gendarm? Eine Geschichte über Ermittlungsmaßnahmen + Aktualisierung zum Münchner Zündlumpen-§129er-Verfahren [https://de.indymedia.org/node/499854]
- Zeug*innen Vernehmungen im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft in München [https://de.indymedia.org/node/502404]
- Zu den Durchsuchungen, Vorladungen und Verhaftungen in München und Salzburg im Februar 2025 [https://de.indymedia.org/node/503427]
- Über Razzien und ein §129-Verfahren gegen Anarchist*innen und den Raub einer Druckerei [https://de.indymedia.org/node/188585]
- Neueste Entwicklungen und Hintergründe rund um das 129er Verfahren in München [https://de.indymedia.org/node/234473]

Zeug*innenvorladungen und neue Beschuldigte
Seit den staatsanwaltlichen Zeug*innenvorladungen von sieben Personen von Anfang April wegen laufenden Ermittlungsverfahren zu „Billigung/Belohnung von Straftaten“ (wegen dem „Hetzblatt gegen den Windpark“) und zur „Brandstiftungsserie“ in München, bei welchen alle Zeug*innen die Aussage verweigerten, kam es im Mai zu noch zwei weiteren staatsanwaltlichen Zeug*innenvorladungen. Zudem wurde eine Person ein zweites Mal vorgeladen. Eben diese Person wurde jedoch kurzfristig auch noch in dem Verfahren wegen „Billigung/Belohnung von Straftaten“ in Zusammenhang mit dem "Hetzblatt gegen den Windpark" zur Beschuldigten erklärt, sollte aber trotzdem in dem anderen Verfahren weiterhin als Zeugin aussagen. Darüber hinaus wurde sie bei dem Verhör noch mit einem richterlichen Beschluss zur DNA-Entnahme und ED-Behandlung konfrontiert, die DNA-Entnahme wurde dort dann auch direkt unter Androhung von Gewalt durchgeführt. Wie schon bei den bisherigen Verhören, verweigerten alle Vorgeladenen die Aussage. Als Antwort auf die Aussageverweigerung bei den vorangegangenen Verhören im April wurden den Betroffenen mittlerweile Ordnungsgelder von jeweils 250€ (+ irgendwelchen Bürokratiegebühren) zugestellt.

DetailszurVerhaftung
Wie wir mittlerweile erfahren haben, wurden N. und M. am 26.2 in der öffentlichen Stadtbibliothek HP8 (Neues Gasteig) an der Brudermühlbrücke verhaftet. Sie haben jeweils gerade an einem Computer gesessen, als sie von Zivilfahndern zu Boden gerissen wurden. Die Verhaftung war offensichtlich gut geplant, schließlich waren etliche Zivis um sie herum positioniert, welche sich sogleich vermummten und die gefesselten N. und M. voneinander trennten und fort schleiften. Außerdem hatten sie den Moment des Zugriff gut abgepasst und gewartet, bis die Computer entschlüsselt waren, wodurch sich die Schnüffler somit wahrscheinlich Zugriff zu den verschlüsselten Mails der beiden Gefährt*innen verschafft haben. Der Staatsschutz hatte anscheinend um die Ecke gelauert und belehrte unsere beiden Gefährt*innen sogleich über den Haftbefehl. Die beiden wurden dann mit auf das Polizeirevier mitgenommen, erkenndungsdienlich behandelt, nach Brandverletzungen abgesucht, sie wurden nackt vermessen und fotografiert und dann wurde noch ein „Nackenabstrich“ von ihnen genommen, um diese Geruchsspuren einem Polizeihund vorzulegen. Während unser Gefährte M. nach dieser Tortur dann im Morgengrauen in die Männer-JVA Stadelheim gebracht wurde und dort bis zum heutigen Zeitpunkt eingesperrt bleibt, war für unsere Gefährtin N. die Frauen-JVA Stadelheim nur ein kurzer Aufenthalt um sogleich in die JVA Aichach (in der Nähe von Augsburg) gebracht zu werden. Diese Maßnahme wurde wahrscheinlich veranlasst, um dem Kontaktverbot, welches den beiden Gefährt*innen auferlegt wurde, Nachdruck zu verleihen.

Haftbedingungen in Aichach und Stadelheim
Die Haftbedingungen der beiden inhaftierten Gefährt*innen sind von Schikanen geprägt, die offensichtlich politisch motiviert sind. So wurde den beiden immer noch keine Privatkleidung noch Bücherbestellungen ausgehändigt, da die Wäsche- und Büchermarken von der Staatsanwaltschaft genehmigt werden müssen. Außerdem wurden bei beiden alle Besuchsanträgen von Freund*innen abgelehnt, d.h. dass nur Familienangehörige Besuchserlaubnisse erhalten. Allerdings wohnen die Eltern der Gefährtin N. nicht in Deutschland, weshalb sie bis jetzt immer noch keinen Besuch erhalten hat. Zwar kann sie einmal die Woche für 15 Minuten mit ihren Eltern telefonieren – jedoch darf sie bei diesen Telefonaten nicht mit ihrem Bruder sprechen und ist dazu gezwungen mit ihrer Mutter Deutsch zu sprechen, was sie normalerweise nicht tut.
Der Gefährte M. erhält zumindest regelmäßig Besuch von seinen Eltern, darf aber wiederum nicht telefonieren. Die Besuche finden in einem videoüberwachten Raum mit Trennscheibe und zwei Staatsschutzbullen statt. Generell sind die Haftbedingungen in der Männer-JVA restriktiver, da M. in der Abteilung mit Kontakt- und Arbeitsverbot ist. D.h. dass es wenig Auf- und Umschschluss gibt, kaum Freizeitaktivitäten und somit muss er pro Tag mehr als 20 Stunden auf Zelle bleiben. N. hat damit ein bisschen mehr Glück und hat eine Küche auf ihrer Station, kann an einzelnen Aktivitäten teilnehmen und hat relativ viel Aufschluss.
Somit bleibt für die beiden Post die mehr oder weniger einzige Möglichkeit mit ihren Freund*innen und Gefährt*innen Kontakt zu halten und zu kommunizieren. Die Post läuft aber natürlich über die Generalstaatsanwaltschaft, weshalb Briefe oft ca. vier Wochen brauche, manchmal aber auch nicht ankommen... Postkarten kommen schneller rein. Die beiden können sich gegenseitig trotz Kontaktverbot Briefe schreiben, diese brauchen aber besonders lange. Meist werden die Briefe stapelweise ausgehändigt. Dieses ermüdende Prozedere erschwert die Kommunikation natürlich immens. Zudem werden mehr oder weniger alle anarchistischen und linksradikalen Zeitungen und Broschüren einkassiert und zensiert. Zwar gelangen ab und zu einzelne ausgedruckte Texte ins Innere der Knäste, aber auch Zeitungen wie die Gefangenen-Info werden wegen „Gefährdung der Anstaltssicherheit“ einbehalten. Trotzdem kann es sich lohnen zu versuchen gerade ausgedruckte Texte ins Innere zu schicken. Die Herausgabe der riesigen Akte an die beiden Gefangenen wird ebenso verzögert und in die Länge gezogen, was ebenso pure Schikane ist.

Anstehender §129-Zündlumpen-Prozess
Die drei Angeklagten haben bereits im April die Anklageschrift erhalten,deshalb ist davon auszugehen, dass der §129-Prozess im Herbst losgeht. Er wird voraussichtlich in dem Hochsicherheitsgerichtssaal des Landgerichts im bzw. unter dem Knast Stadelheim verhandelt.
Wir denken, dass jenseits der Unterstützung unserer inhaftierten und angeklagten Freund*innen und Gefährt*innen dieser Prozess eine besondere Bedeutung für subversive Bewegungen und Initiativen hat: es geht darum, ob eine angebliche Zeitungsredaktion nach §129 verurteilt werden darf, wobei die Verbrechen, welche diese Zeitungsredaktion begangen haben soll, alle publizistisch sind – Billigung von Straftaten, Aufruf zu Straftaten, Anleitung zu Straftaten sowie Bedrohung. Es geht letztlich also um reine Gedankenverbrechen. Während es bei älteren Prozessen gegen radikale Presseerzeugnisse stets um die Unterstützung von und Mitgliedschaft in militanten und bewaffneten Gruppen ging, geht es heute um das bloße Gutheißen von Widerstand und Gegengewalt. Deshalb denken wir ist es nicht nur wichtig unsere Solidarität mit den Inhaftierten zu zeigen, sondern den Prozess inhaltlich zu begleiten und zu diskutieren, was dieses neue Maß an Repression und Zensur bedeutet und wie wir damit umgehen werden.
Wie auch immer der Prozess ausgeht: wir werden uns keinen Maulkorb anlegen lassen!
Zerstören wir die Knastgesellschaft und umgehen die Zensur!
Organisiert die Untergrundpresse!
Solidarität mit den inhaftierten Gefährt*innen N. und M. und allen anderen Anarchist*innen und Subversiven, die von den Bullen genervt und verfolgt werden!
Freiheit für alle!

Wollt ihr den Gefährt*innen schreiben, erfahrt ihr unter solidaritaet-mit-n-und-m ääät riseup.net ihre Adressen.

 

 

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