Strategie der radikalen Linken: Gegen die Ausforschung linker Zusammenhänge!

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Seit einigen Wochen kursiert u.A. in Bielefeld eine Einladung zur Teilnahme an der Studie „Strategie in der radikalen Linken“ von Paula & Mali. Die Studie richtet sich an Personen, die sich an emanzipatorischen Kämpfen und /oder der radikalen Linken als Teil von Gruppen oder Organisierungen beteiligen. Zugesichert wird Datenschutz und ein sensibler Umgang. Wir lehnen eine Beteiligung an dieser Studie entschieden ab und fordern alle, die diese Einladung erreicht haben sollte auf, es uns gleich zu tun.

Strategie der radikalen Linken: Gegen die Ausforschung linker Zusammenhänge!

 

Seit einigen Wochen kursiert u.A. in Bielefeld eine Einladung zur Teilnahme an der Studie „Strategie in der radikalen Linken“von Paula & Mali. Die Studie richtet sich an Personen, die sich an emanzipatorischen Kämpfen und /oder der radikalen Linken als Teil von Gruppen oder Organisierungen beteiligen. Zugesichert wird Datenschutz und ein sensibler Umgang. Wir lehnen eine Beteiligung an dieser Studie entschieden ab und fordern alle, die diese Einladung erreicht haben sollte auf, es uns gleich zu tun.

 

Wir erleben gerade eine starke Repressionswelle gegen linke, emanzipatorische Kämpfe und Aktionen. Antifaschist*innen, Klimaaktivist*innen, Kämpfe gegen rassistische Strukturen und Missstände stehen im Fokus von Polizei und Verfassungsschutz. Mit allen Mitteln wird von staatlicher Seite versucht, diese Kämpfe zu unterbinden und zu kriminalisieren. Ein verlässlicher Schutz vor Repressionen war über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg das stille Einverständnis „der Szene“, nicht mit staatlichen Behörden zu kooperieren, keine Aussagen zu machen und auch gegenüber Wissenschaft und Journalist*innen zu schweigen. Es gibt außerhalb der radikalen Linken kaum Wissen über linke Strukturen, Gruppen, Aktionsplanungen und innerszenische Auseinandersetzungen. Und das ist gut so. Denn wie wir in aktuellen und auch früheren Gerichtsprozessen sehen können, gibt es keine „harmlosen“ Informationen, die ohne Bedenken geteilt werden sollten. Im Zuge der staatlichen Verfolgungswut kann alles zu unserem Nachteil ausgelegt werden. Das bedeutet beispielsweise: Nur weil eine Person meint, eine Information sei vielleicht unbedenklich, kann sie für andere extrem schädlich sein. Sie hat keinerlei Kontrolle über die Verwendung von Aussagen, die einmal getätigt wurden. Denn Repressionsbehörden ziehen aus jeder Information Schlussfolgerungen, knüpfen Verbindungen und ent-kontextualisieren nach Belieben.

 

Im Nichtkooperieren und dem daraus folgenden Nicht-Wissen über die radikale Linke liegt eine Stärke und ein nicht zu unterschätzender Schutz. Für euch, für uns, für alle. Immer wieder kommt es vor, dass Wissenschaftler*innen, die sich der linken Szene nahe oder vielleicht sogar zugehörig fühlen, Forschungsanfragen an linke Aktivist*innen stellen. Die mit bester Absicht Fragen entwickeln, Kämpfe oder Bewegungen richtig darstellen möchten und sich um Anonymität der Teilnehmer*innen bemühen. Aber auch ihre (gutgemeinten) Forschungsergebnisse werden von Verfassungsschutz und Polizei genutzt, sie werden als wissenschaftliche Belege für den Kampf gegen „Linksextremismus“ angeführt oder als Grundlage für „Präventionsarbeit“ gegen linken Aktivismus genutzt. Denn spätestens ab der Veröffentlichung der Forschung haben auch die Wissenschaftler*innen selber keine Kontrolle mehr darüber, wer mit ihren Ergebnissen was anstellt. Darum lehnen wir die Teilnahme an Forschung über linke Bewegungen und Kämpfe ab.

 

Die aktuelle Studie spricht gezielt Menschen an, die in linken Gruppen organisiert sind. Hier soll also nicht nur Wissen darüber gesammelt werden, warum sich einzelne Personen für politische Kämpfe entschieden haben. Sondern hier soll Wissen über Gruppen, die Art des Organisierens, des gemeinsamen Kämpfens gewonnen werden. Das heißt, wer bei der Studie mitmacht, gibt nicht nur Infos über sich selbst, sondern über die eigenen Genoss*innen und Mitstreiter*innen preis. Diese Entscheidung betrifft also nicht die*den Einzelne*n, sondern ihr gesamtes Umfeld! Wir erwarten von denjenigen, die an der Studie teilgenommen haben, dass sie ihre Entscheidung nochmal überdenken. Wenn ihr mitgemacht habt, könnt ihr auch nachträglich euer Einverständnis zurücknehmen. Die Wissenschaftler*innen dürfen eure Interviews dann nicht benutzen. Und wir erwarten, dass Ihr eure Gruppen, Zusammenhänge und Bündnisse über eure Teilnahme informiert. Wir möchten uns mit Menschen organisieren, denen wir vertrauen können. Dieses Vertrauen ist die Grundlage gemeinsamer politischer Kämpfe. Wenn dann ein*e Genoss*in / Mitstreiter*in im Rahmen einer Studie, die auch veröffentlicht werden wird, Infos über unsere politischen Zusammenhänge ausplaudert, dann geht das uns alle etwas an.

 

Autonome Antifaschist*innen

Bielefeld, Juli 2024

 

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