DRK verklagt nd: Bericht zum Verhandlungstag am 6.6.2024

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Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) verklagt die linke Tageszeitung nd wegen ihrer Berichterstattung über die schlechten Lebensbedingungen der im „Ankunftszentrum“ Berlin-Tegel untergebrachten Geflüchteten. Am Donnerstag haben wir die mündliche Verhandlung beobachtet. Für das nd lief die Verhandlung halbwegs erfolgreich: Das Gericht wies in seinem Urteil vom 13.6. die beantragte einstweilige Verfügung in acht Punkten ab. Vier Aussagen hat es dem nd jedoch leider verboten. Unerträglich war außerdem das sexistische Rüpelverhalten, das nd-Anwalt Jony Eisenberg gegenüber der jungen Anwältin des DRK an den Tag legte.

Gut besuchter Gerichtstermin
Donnerstag, der 6. Juni 2024, 10:30. Zwei Justizvollzugsbeamte tragen Bänke und jede Menge zusätzliche Stühle in den kleinen Gerichtssaal des Berliner Landesgerichts, vor dem sich rund 40 Leute versammelt haben. Das Deutsche Rote Kreuz – Sozialwerk Berlin (DRK SWB) verklagt die linke Tageszeitung nd, weil sie kritisch über die Zustände im „Ankunftszentrum“ Berlin-Tegel, der größten Geflüchtetenunterkunft Deutschlands, berichtete. Für das beschönigend „Ankunftszentrum“ genannte Lager trägt das DRK SWB die leitende Verantwortung.

Mitarbeitende kritisieren Lager in Berlin-Tegel
Das nd interviewte für seinen Artikel vor zwei Monaten drei Mitarbeiter*innen des „Ankunftszentrums“. Die hatten allerhand zu kritisieren – vor allem die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der dort untergebrachten Geflüchteten. Die Bewohner*innen würden ohne Privatsphäre dicht an dicht mit nur 2,63 Quadratmetern Fläche pro Person leben, die Toiletten seien mitunter zur Hälfte ausgefallen, in der Unterkunft gebe es massive hygienische Mängel. Die Mitarbeiter*innen gaben außerdem zu Protokoll, ihnen werde von ihren Vorgesetzten verboten, in Kontakt mit den Geflüchteten zu treten und sie zum Beispiel beim Ausfüllen von Anträgen zu unterstützen. Nicht einmal über den Windpocken-Ausbruch hätten sie informieren dürfen. Alle Arbeitsverträge seien auf drei Monate befristet. Wer sich Anweisungen widersetze, dessen Arbeitsvertrag werde einfach nicht verlängert.

Ausführlicher Bericht des Berliner Flüchtlingsrats
Bereits im November 2023 veröffentlichte der Berliner Flüchtlingsrat einen Bericht über die Zustände im Tegeler Lager. Dieser bildete überhaupt erst die Grundlage für die Recherche des nd. Das DRK SWB hatte also jede Menge Zeit, Initiative zu zeigen und an der Situation vor Ort etwas zu ändern.

Klage des DRK SWB
Doch das DRK SWB, welches die leitende Verantwortung für das Lager trägt, dementiert die Vorwürfe einfach. Statt Maßnahmen zu ergreifen, die den kritisierten Zuständen ein Ende setzen, bezahlt das DRK SWB lieber teure Anwält*innen der Kanzlei Schertz Bergmann, die eine einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung beantragten. Am 6.6. fand dazu die mündliche Verhandlung statt, deren Ergebnis noch aussteht.

Der Verhandlungstag am Donnerstag
Juristisch vertreten wird nd durch den linken Star-Anwalt Johannes „Jony“ Eisenberg. Auf juristischer Ebene hatte er am Verhandlungstag leichtes Spiel. Die Kanzlei Schertz Bergmann hatte sich für ihren Antrag auf einstweilige Verfügung nicht die Mühe gemacht hat, auch nur eine einzige der im nd-Artikel gefällten Aussagen glaubhaft zu widerlegen. Das Gericht ließ während der Verhandlung durchblicken, dass es den Antrag insgesamt als nicht ausreichend begründet sehe. Das stimmte uns erstmal optimistisch, dass dem nd seine kritische Berichterstattung nicht so einfach verboten werden würde.

Das Urteil
Am 13.6. veröffentlichte das Gericht dann sein Urteil: In acht Punkten wies es den Antrag auf einstweilige Verfügung ab. Vier Kritikpunkte zum Lager in Tegel darf das nd jedoch nicht mehr verbreiten. Wäre das ein Fußballspiel, dann würden wir uns über den 8:4-Sieg von nd freuen. Doch gut finden wir das Urteil nicht: Zur Erinnerung, die DRK-Anwält*innen haben keine der vom nd veröffentlichten Aussagen irgendwie glaubhaft widerlegt. Der Artikel des nd war sorgfältig recherchiert und hält unserer Meinung nach alle journalistischen Standards ein. Dass das Gericht hier trotzdem einfach pauschal beschließt, man dürfe vier Aussagen der Mitarbeiter*innen nicht zitieren, halten wir für einen unangemessenen Eingriff in die Pressefreiheit.

Jony Eisenberg: Ein cholerischer Sexist
Doch zurück zum Verhandlungstag: Das Gericht hatte sein Urteil am 6.6. ja noch nicht verkündet und wir waren optimistisch, dass es den Antrag auf einstweilige Verfügung des DRK vollständig ablehnen würde. Trotzdem gingen wir mit einem miesen Gefühl aus der Verhandlung. Denn bestimmt ein Viertel der Redezeit des nd-Anwalts Jony Eisenberg bestand aus sexistischen Wutanfällen gegen die junge Anwältin des DRK. Jony, der selbst keinerlei Hemmungen zeigte, der Anwältin oder gar dem vorsitzenden Richter ins Wort zu fallen, bekam bei jeder kleinsten Unterbrechung durch die Anwältin einen knallroten Kopf. Mit toxisch männlichen und paternalisierenden Kommentaren versuchte er die Anwältin zu diskreditieren: „Sie werden lernen, mich ausreden zu lassen“, oder: „Ich bin nicht Ihr Erzieher.“ Im Publikum beobachteten wir in solchen Momenten vor allem eines: Fremdscham.

Jony brachte das Publikum sogar dazu, laut zu stöhnen, als er zur Höchstform auflief, auf den Tisch haute und in Richtung der Anwältin brüllte: „Ich kann dieses Geschnatter nicht ertragen!“ Etwas später ergänzte er, falls noch irgendjemand Zweifel an der sexistischen Natur seiner Ausraster haben sollte: „Ich lass mir von so einer Dreißigjährigen nicht…“ – zur Erleichterung des Publikums wurde er an dieser Stelle vom vorsitzenden Richter unterbrochen.

Armutszeugnis für Linke
Dass so ein maßlos peinlicher Typ zum linken Staranwalt werden konnte und es bis heute ist, ist ein Armutszeugnis für die 68er-Bewegung und für linke Szene, die solche sexistischen Macker bis heute als Anwälte einsetzt und ihnen nicht angemessen Kontra gibt.

Keine Antwort auf unsere Fragen
Wir haben Jony eine Reihe von Fragen über sein Verhalten am Verhandlungstag geschickt, damit er Gelegenheit hat, seine Sicht der Dinge zu schildern. Auf unser E-Mail hat er nicht geantwortet.

Unfreiwillige Kompliz*innenschaft
Das Publikum machte sich, uns eingeschlossen, zur schweigenden Komplizin von Jonys Sexismus. Denn während wir Jonys Eingangsstatement zu den grausamen Zuständen im „Ankunftszentrum“ noch Beifall klatschten, waren wir alle sehr still, als sich die Anwältin der Kanzlei Schertz Bergmann gegen Jonys Sexismus wehrte. Wir zumindest haben keine Lust, in künftigen Gerichtsprozessen für Jony Eisenberg die Rolle der kritischen Öffentlichkeit zu spielen. Schade, denn die Klage des DRK SWB ist ein absoluter Skandal, vor desen Hintergrund wir uns eigentlich gerne weiter solidarisch mit nd zeigen würden. Aber nochmal hingehen werden wir vermutlich nicht…

Mehr Infos:

Der Artikel des nd: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181267.fluechtlinge-ankunftszentrum-in-berlin-tegel-fatale-zustaende-fuer-gefluechtete.html

Bericht des Berliner Flüchtlingsrats über das Tegeler Lager: https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/berichtzustaendetxl.pdf

Bericht des nd über das Urteil: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182943.ankunftszentrum-fuer-fluechtlinge-in-tegel-urteil-am-berliner-landgericht-drk-gegen-nd.html

 

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